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Das Jüdische Museum Wien präsentiert:
Leben und Werk von Egon Erwin Kisch

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Vor 50 Jahren, am 31. März 1948, starb in Prag eine der schillerndsten Persönlichkeiten aus der Welt des Journalismus: Egon Erwin Kisch. In der Zeit des Kalten Krieges im Westen weitgehend totgeschwiegen, im Osten hoch gelobt, nimmt das Jüdische Museum Wien diesen Jahrestag zum Anlaß, das Leben und Werk des "rasenden Reporters" von 15. Mai bis 9. August 1998 mit einer Ausstellung kritisch zu würdigen.

Der 1885 in Prag geborene Egon Erwin Kisch gilt als Schöpfer und Meister der literarischen Reportage. Er unternahm zahlreiche Reisen durch Europa, Nordafrika, die USA, die damalige UdSSR und China, bei denen jene Reportagen entstanden, die ihn berühmt machen sollten. Sie sind exakte Milieuschilderungen, die Sprache und Zeitkolorit in die Berichterstattung einbeziehen. Seine unstete Lebensweise ließ den Buchtitel "Der rasende Reporter" zum Synonym für den Autor werden. Doch Kisch war alles andere als ein Kaffeehausliterat oder Sensationsreporter. Vielmehr suchte er in seinen Reportagen politische und ökonomische Prozesse mit den dahinter stehenden Schicksalen in ihrer historischen Bedingtheit literarisch zu gestalten.

Mit seiner Arbeit in der Zwischenkriegszeit und später auch im Exil war Kisch vom deutschen Sprachraum ausgehend in der ganzen Welt ein Multiplikator und Vernetzer der linksbürgerlichen Intelligenz. Seine vielfältigen literarischen und politischen Aktivitäten lassen sich nur durch das Streben erklären, Gegensätze zu vereinen: Als Schriftsteller deutscher Sprache legte er Wert auf seine tschechoslowakische Staatsangehörigkeit; gegenüber bürgerlichen Freunden war er ein linientreuer Kommunist, den kommunistischen Genossen ein kritischer Querdenker; das orthodoxe Judentum lehnte er ab, doch die Schoa weckte in ihm Sympathien für den Zionismus.

Kisch wollte alles zugleich sein: Kommunist, Bürgerlicher, Jude, Tscheche, Deutscher, Internationalist, Weltbürger. Ein Österreicher war Kisch gewesen, nach dem Zerfall der Habsburgermonarchie 1918 wollte er es nicht mehr sein dennoch hat er sich unabänderlich in die Historie dieses Landes eingeschrieben: im Mai 1913 bei der Aufdeckung der SpionageAffäre um Oberst Redl und im November 1918 als Rotgardist bei der Gründung der Republik. Zu beiden Ereignissen sind zahllose Legenden im Umlauf, seine Reportagen zum Fall Redl sind Ausgangspunkt für mehrere Verfilmungen des Stoffs geworden. 1921 ließ er sich in Berlin nieder, wo er bis 1933 seinen Hauptwohnsitz hatte. Am Morgen nach dem Reichstagsbrand (28. Februar 1933) wurde er in Berlin verhaftet und nach Prag abgeschoben, seine Bücher wurden von den Nazis öffentlich verbrannt. Die ersten Jahre des Exils verbrachte er in Prag, Paris und den Beneluxstaaten, unterbrochen von politischem Aktivismus in England, Australien und im Spanien des Bürgerkriegs (1937/38). 1940 konnte er über New York nach Mexiko entkommen. 1946 kehrte er nach Prag zurück, wo er bis zu seinem Tod lebte.

Durch die Öffnung der Grenzen nach Osteuropa kann die Ausstellung im Jüdischen Museum erstmalig Exponate aus dem Prager Nachlaß Egon Erwin Kischs zeigen: Notizbücher, Matrikelschein, Mitgliedsbücher von KPD, PENKlub und dem Schutzverband deutscher Schriftsteller, seine Heiratsurkunde, französische, sowjetische, amerikanische und mexikanische Dokumente. Hinzu kommen Originale von Manuskripten mit Kischs verschnörkelter Handschrift, Briefe von und an Alfred Döblin, Arnold Zweig, Leo Perutz, John Heartfield u.a. sowie seltene Erstausgaben seiner Bücher, Zeitungsausschnitte aus aller Welt und Kopien aus den KischAkten von deutschen und amerikanischen Geheimdiensten. Aus heimischen Beständen sind Dokumente aus Kischs Militärakte zu sehen, oder auch zwei Wiener Meldezettel und seltene ExilDokumente aus dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes und zahlreiche bislang unbekannte Fotografien. Alle Abschnitte des abenteuerlichen Lebens von Egon Erwin Kisch können somit reich belegt werden.

Eines der interessanten Stücke der Ausstellung ist die großformatige Reproduktionen des Portraits von Christian Schad, das Kisch mit entblößtem Oberkörper und all der Pracht seiner bunten Tätowierungen zeigt. Das Portrait beeindruckt auf dem Ausstellungsfolder und dem Plakat. Hinzu kommen eine großformatige Kopie des Portraits von Rudolf Schlichter, das Kisch vor dem Romanischen Café in Berlin zeigt, sowie ein Originalportrait von E. Ascher, die KischBüste einer unbekannten Künstlerin, avantgardistische KischCollagen von Heinrich Sußmann und Umbehr, KischPortraits von Bil Spira, Erik Saunders, Fritz Janschka und anderen. Einen starken Eindruck vermitteln die Totenmaske und ein Gipsabdruck seiner rechten, schreibenden Hand. Hinzu kommen etliche von Kischs Zeichnungen und Kritzeleien, seine letzte Taschenuhr und einige Filmdokumente sowie eine Runfunkreportage mit Egon Erwin Kisch im OTon.

Die Ausstellung wurde von Marcus Patka erarbeitet und von Oliver Kaufmann gestaltet, die Grafik zu Folder, Plakat und Ausstellung stammt von MariaAnna Friedl. Ausgangspunkt für diese umfassende KischPräsentation ist ein umfangreicher Bildband, der auch in der Literaturhandlung des Museums aufliegt: Marcus G. Patka (Hg.): Der rasende Reporter Egon Erwin Kisch. Eine Biographie in Bildern (Berlin: Aufbau 1998; 304 S. 291 Abb.). "Egon Erwin Kisch. Der rasende Reporter" ist von 15. Mai bis 9. August im Jüdischen Museum Wien (Wien 1., Dorotheergasse 11) zu sehen. Das Museum ist während der Sommermonate Sonntag bis Freitag von 10 bis 20 Uhr geöffnet. Kostenlose Führungen in deutscher Sprache: Jeden Sonntag um 11 und um 14 Uhr durch die aktuellen Sonderausstellungen, um 16 Uhr durch die ständigen Ausstellungen des Museums. Jeden Donnerstag um 19 Uhr gibt es eine Führung durch die aktuelle Sonderausstellung. Eintritt: 70, öS/40, öS ermäßigt. Anmeldung für Sonderführungen: Tel. +43/1/535 04 31.

Die Ausstellung

Die Ausstellung folgt in ihrem Aufbau Leben und Werk Egon Erwin Kischs. Sie ist in fünf Teile gegliedert, die den Hauptabschnitten im Leben des rasenden Reporters entsprechen:

Jugend in Prag 1. Weltkrieg, Weimarer Republik, Exil: Paris Australien Spanien USA, Exil in Mexiko, Heimkehr Tod 1948.

1. Jugend in Prag - 1. Weltkrieg

Egon Kisch wurde 1885 als zweiter von fünf Söhnen einer Prager jüdischen Patrizierfamilie geboren. Den Zwischennamen "Erwin" hat er sich selber gegeben. An der Universität hielt es ihn nur zwei Semester, der Militärdienst als "EinjährigFreiwilliger" verhieß größere Abenteuer. Das journalistische Handwerk erlernte er in Berlin und beim "Prager Tagblatt", 1906 engagierte ihn die bürgerlichnationalistische "Bohemia" als Lokalreporter. Schnell avancierte der begabte Newcomer zum Autor der FeuilletonReihe "Prager Streifzüge", wo er das Prager Arbeits und Nachtleben thematisierte. Zwar erschienen diese Feuilletons bald auch in Buchform, doch erst nach seinem Mitwirken an der Aufdeckung der Spionageaffäre Redl wagte Kisch den Sprung als Schriftsteller nach Berlin. Die Bohème im Café des Westens um Erich Mühsam und Else LaskerSchüler fand schnell Gefallen am Prager Wirbelwind, doch die Schüsse von Sarajevo bereiteten dieser Karriere ein schnelles Ende.

Als loyaler Untertan zog er mit seinem Prager Hausregiment an die Front gegen Serbien. Obwohl Kisch den Krieg anfangs noch als Abenteuer auffaßte, verfiel er keine Sekunde dem HurraPatriotismus von 1914. Mit den täglichen Leiden als Frontsoldat und dem Tod seines Bruders Wolfgang in Rußland verschwanden die letzten Illusionen. Nach einer schweren Granatenverletzung im März 1915 erfolgte eine zweijährige Versetzung in die Etappe. Auf eigenes Verlangen wurde Kisch im Mai 1917 ins k. u. k. Kriegspressequartier nach Wien abkommandiert, hier traf er u.a. auf Robert Musil, Franz Werfel, Franz Blei, Albert Paris Gütersloh, Albert Ehrenstein, Leo Perutz und den SchriftstellerKreis um die Zeitschriften "Der Friede" und "Summa". Abends traf man sich im Café Central. Im Kreis um Joseph Roth lernte er seine spätere Frau, die gebürtige Wienerin Gisela Lyner, kennen.

Am 12. November 1918 war Kisch als Offizier der Roten Garde bei der Gründung der Ersten Republik vor dem Parlament in Wien dabei. Mit dem Herausreißen des weißen Streifens aus der neuen österreichischen Flagge und dem Sturm auf die Redaktion der "Neuen Freien Presse" hatte er nachweislich nichts zu tun, auch wenn gegenteilige Legenden im Umlauf sind. Dennoch wurde Kisch wegen seiner Popularität das Opfer einer antikommunistischantisemitischen Pressekampagne. 1919 trat er der Kommunistischen Partei DeutschÖsterreichs bei, doch aus der aktiven Politik zog er sich zurück. Im Juni 1920 war Kisch bereits von Wien nach Prag übersiedelt, wo er für die Bühne von Emil Artur Longen etliche Burlesken verfaßte, die auf Tourneen in deutscher und tschechischer Sprache aufgeführt wurden.

2. Weimarer Republik

Auch Egon Erwin Kisch zog es in die neue Metropole moderner Kunst, nach Berlin. Als "rasender Reporter" sollte er von hier aus weltberühmt werden, jährlich kam mindestens ein neues Buch mit reißerischem Titel auf den Markt. Doch dahinter verbarg sich weder ein Sensationsreporter noch ein Kaffeehausliterat. Vielmehr suchte Kisch in seinen Werken ökonomische Prozesse und dahinter stehende menschliche Schicksale in ihrer historischen Bedingtheit literarisch zu gestalten.

Seine Reportagen erschienen in der bürgerlichen und kommunistischen Presse, im "Berliner Börsen Courier" sowie in der "Roten Fahne", in der "Frankfurter Zeitung", in der "Welt am Abend". Zum Star wurde Kisch in der "ArbeiterIllustriertenZeitung", dem medialen Flaggschiff des charismatischen kommunistischen Funktionärs Willi Münzenberg. Dieser stand im Begriff, ein Medienimperium aufzubauen, das Tageszeitungen, Illustrierte, Filmverleih und Verlage umfaßte, darunter die "UniversumBücherei". In seinem Umfeld bewegten sich Erwin Piscator, John Heartfield und Wieland Herzfelde. Nach dem Erfolg des Buches "Der rasende Reporter" wechselte Kisch 1925 zur KPD, mit deren Kulturdirektiven er sich jedoch nicht identifizieren konnte. Weder huldigte er ihren wechselnden Führern, noch verwendete er die Phrasen ihrer jeweiligen Propaganda. Er war niemals das, was man einen Parteischriftsteller nennt, denn seine neue kulturelle Sozialisation erhielt er anderswo: Kisch fand Anschluß an den "Schutzverband deutscher Schriftsteller", wo er sich mit Arnold Zweig hitzige Debatten lieferte, und an die "Gruppe 1925" um Alfred Döblin, an die Zeitschrift "Das Tagebuch" um Stefan Großmann und an die "Weltbühne" um Carl von Ossietzky und Kurt Tucholsky. Hier fand Kisch Gleichgesinnte für eine "Litterature engagée". Er war überall dabei, wo sich Künstler, Gelehrte und andere Intellektuelle vereinigten, um publizistisch und bei Versammlungen gegen den Militarismus sowie gegen die Willkür von Polizei, Justiz und Verwaltung aufzutreten. 1928 wurde er Gründungsmitglied im "Bund proletarischrevolutionärer Schriftsteller" und versuchte, in den Statuten auch für Autoren bürgerlicher Herkunft ein Mitgliedsrecht zu verankern, was aber am Widerstand der Gruppe um Johannes R. Becher scheiterte. In Berlin und Prag führte er ein international offenes Haus und bildete eine zentrale Schaltstelle der linksbürgerlichen Intelligenz. Er fungierte vom deutschen und tschechischen Sprachraum ausgehend als Multplikator, kultureller Vernetzer und Werber seiner Weltanschauung in aller Welt.

Ausgedehnte Reisen führten ihn durch ganz Europa, Teile Nordafrikas, in die europäische Sowjetunion, die USA, schließlich Anfang der dreißiger Jahre nach Usbekistan, Tadschikistan, Afghanistan, China und Japan. Nach Europa zurückgekehrt, wurde ihm als "gefährlicher Ausländer" im November 1932 die Einreise nach Österreich verweigert. Seine Anwesenheit in Berlin nach der Machtergreifung Adolf Hitlers beweist seinen Mut.

3. Exil: Paris Australien Spanien USA

Zu lange hatte Kisch den Nationalsozialismus und dessen Hetzartikel gegen ihn persönlich unterschätzt. Am Morgen nach dem Reichstagsbrand wurde er aus dem Bett heraus verhaftet, nur sein tschechischer Paß rettete ihn vor dem Schicksal Erich Mühsams, zu Tode geprügelt zu werden. Nach Prag abgeschoben, engagierte er sich vom deutschen Geheimdienst argwöhnisch beobachtet unermüdlich in verschiedenen Komitees der Flüchtlings und Gefangenenhilfe, in Paris war er im Kreis um Willi Münzenberg um die Schaffung einer breiten Front aller HitlerGegner bemüht. Per Schiff ging es im Rahmen seiner AntiNaziAgitation Ende 1934 nach Australien. Trotz eines gültigen Visums verweigerte ihm die dortige Regierung die Einreise, daraufhin sprang er kurzerhand (mit inzwischen fast 50 Jahren!) vom Schiff auf den Kai und brach sich ein Bein. Zahlreiche Prozesse und großes Medienecho waren die Folge, sogar das australische Parlament war mit der Causa befaßt. Letztendlich mußte die Regierung nachgeben und Kisch verließ Australien als freier Mann.

Den Höhepunkt seiner ExilTätigkeit brachte der "1. Kongreß zur Verteidigung der Kultur" im Juni 1935 in der Pariser Mutualité, wo er durch seine Funktion als stellvertretender Vorsitzender des Schutzverbandes deutscher Schriftsteller im Präsidium vertreten war. Doch die stalinistische Politik beendete die Zusammenarbeit zwischen bürgerlichen und sozialdemokratischen mit den kommunistischen HitlerGegnern, auch wenn Kisch das nicht wahrhaben wollte. Die später von den Kommunisten als "Renegaten" verfemten Manès Sperber und Arthur Koestler beschreiben in ihren Autobiographien, wie Kisch ihnen Vaterfigur und nicht zuletzt durch seine ideologische Undiszipliniertheit Bereiter rarer heiterer Stunden wurde. An den Fronten des Spanischen Bürgerkriegs leitete Kisch für mehr als ein halbes Jahr die Kulturarbeit in Benicasim, einer Ferienkolonie am Mittelmeer, die zu einem Lazarett für die Soldaten der Spanischen Republik umgewandelt worden war.

Die Besetzung der Tschechoslowakei durch die Wehrmacht erlebte er völlig gebrochen in Frankreich, doch seine Antwort war die Leitung der deutschen Delegation bei einem Kongreß exilierter Tschechen und Slowaken Ende April 1939 in Paris. Der HitlerStalinPakt, der den Angriff Hitlers auf Frankreich ermöglichte, brachte Kisch an den Rand eines Bruches mit der Partei, doch es soll Ernst Bloch gewesen sein, der ihn davon abhielt. Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurden deutsche Exilanten in Frankreich unter menschenunwürdigen Zuständen interniert und teilweise an die Gestapo ausgeliefert. Wieder rettete Kisch sein tschechischer Paß, mit Hilfe zahlreicher Freunde gelang die Flucht nach New York. Dort angekommen, wurde er für einige Tage in Ellis Island interniert, bald interessierte sich auch das FBI für ihn. In den USA war er einmal mehr in der Fluchthilfe tätig, doch sein Aufenthaltsvisum wurde nicht verlängert.

4. Exil in Mexiko:

Die USA suchten die kommunistischen Exilanten abzuschieben, viele fanden in Mexiko Asyl. Mexikos Präsident Lázaro Cárdenas hatte von 1934 bis 1940 eine unabhängige Außenpolitik im Zeichen internationaler Solidarität verwirklicht, so am 19. März 1938 in Form des Protestes gegen den "Anschluß" Österreichs. Er gewährte zahlreichen Flüchtlingen politisches Asyl, darunter Egon Erwin Kisch und Anna Seghers.

Auch sein Nachfolger Avila Camacho förderte die zahlreichen kulturellen und politischen Aktivitäten der internationalen ExilantenSzene. Nach dem Angriff Hitlers auf die Sowjetunion im Juni 1941 wurden aus den geächteten Kommunisten wieder Alliierte. Unter der verklärenden Sonne Mexikos kam es sogar zu einer Annäherung zwischen deutschen Kommunisten jüdischer Herkunft und jüdischen ExilOrgansationen, wofür Kisch erneut die Vermittlerrolle übernahm. Es entstanden der ExilVerlag "El Libro Libre" und als gemeinsames kulturelles Forum der "Heinrich HeineKlub". In der Zeitschrift "Freies Deutschland" wurde offen über Wiedergutmachung und Restitution des jüdischen Eigentums diskutiert. Fast alle involvierten Genossen fielen nach ihrer Rückkehr in der DDR in Ungnade. Kischs Freund André Simone, der 1952 im Zuge des antisemitischen SlánskýProzesses in Prag hingerichtet wurde, fungierte 1945 als anonymer Chefredakteur der "Tribuna Israelita", in der neben Kisch vor allem der österreichische Schriftsteller Leo Katz publizierte.

Auf den Reisen durch das Land voll exotischer Reize "interviewte" Kisch die Pyramiden in Teotihuacan und Chichen Itza, besuchte den geheimnisvollen Monte Alban, wurde Zeuge der Geburt eines Vulkans und identifizierte das Gift, welches Carlotta, die Witwe Maximilians von Habsburg, in den schleichenden Wahnsinn getrieben hatte. Nahe der Hauptstadt entdeckte er ein "Indiodorf unter dem Davidstern". Zu seinem 60. Geburtstag im Jahr 1945 wurden etliche Feiern organisiert.

5. Heimkehr Tod 1948:

Im Frühling 1946 in Prag angekommen, wurde Kisch noch überschwenglich begrüßt. Doch ein Großteil seiner Familie und fast alle seiner Freunde waren verschleppt und ermordet worden. Die vielfach besungene und heiß ersehnte Heimatstadt Prag war nicht mehr Metropole, auf ihren Straßen war jedes deutsche Wort verpönt. Zum Nationalismus gesellte sich der Antisemitismus, doch Kisch übernahm den Ehrenvorsitz einer jüdischen Organisation. Ein geplanter Besuch bei Leo Perutz in Palästina zerschlug sich. Eine letzte Reise führte ihn nach Skopje und Belgrad, wo er von Josip Broz Tito empfangen wurde. Neben der Tschechoslowakei war das Judentum das letzte große Thema seines Schaffens. Sein letztes BuchProjekt war die erweiterte Neuausgabe von "Geschichten aus sieben Ghettos", das posthum aber nur in englischer Übersetzung erscheinen konnte, ein deutschsprachiger Verleger hatte sich nicht gefunden. Einleitend entstand hierfür mit "Mörder bauten dem zu Ermordenden ein Mausoleum" eines überzeugten Atheisten Huldigung der Bibel. Zwei Jahre nach der Heimkehr erlag Egon Erwin Kisch seinem zweiten Schlaganfall, die neue kommunistische Regierung bereitete ihm ein feierliches Begräbnis.

Egon Erwin Kisch ist der Paradefall einer Generation von kommunistischen Intellektuellen jüdischer Herkunft, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts den allzu engen Ghettomauern ihrer Väter in die Weiten des Internationalismus entfliehen wollten, die aber fatalerweise ihre persönlichen, humanistischen Ziele auch für die Ziele Moskaus hielten. Sie brachen nicht mit ihrer Organisation, in der Hoffnung, daß nach der Periode der Generäle wieder ihre Stunde schlagen würde. Kischs politischer Irrtum war es, die Weltgeschichte mit den Augen eines Dichters zu sehen. Auch wenn seine sozialistische Utopie zu einem "Sozialistischen Surrealismus" pervertiert und 1989 von der Geschichte verschluckt wurde, so hat sich an den realen Konflikten der westlichen Welt nicht viel geändert, und genau diese sind bei Egon Erwin Kisch meisterhaft erzählt nachzulesen, sind sie doch allzumenschlichallgegenwärtiggemeinsam.

Biographisches

1885 Am 29. April als zweites Kind des Tuchhändlers Hermann Kisch und seiner
Frau Ernestine, geb. Kuh in Prag geboren.
1890 1903 Besuch einer Klosterschule und der I. deutschen Staatsrealschule in Prag
1901 19. Januar: Tod des Vaters
1903/04 zwei Semester Universität, danach Militärdienst als EinjährigFreiwilliger
1905 Besuch der "Journalistenhochschule" von Richard Wrede in Berlin
1906 Lokalreporter und Feuilletonist der Bohemia in Prag
1912 Aus Prager Gassen und Nächten
1913 Prager Kinder. Aufdeckung der Spionageaffäre Redl, Übersiedlung nach Berlin
1914 Der Mädchenhirt. August: Mit seinem Prager Hausregiment an die Front in Serbien
1915 18. März: Verwundung an der russischen Front, Spitalaufenthalt
1916 Februar: Versetzung in die Etappe nach Ungarn
1917 Mai: Versetzung nach Wien in das k. u. k. Kriegspressequartier
1918 Juni bis Oktober: Dienstreisen an die Adria und an die Westfront
November: Mitbegründer der Roten Garde
1920 Juni: Übersiedlung nach Prag
Abenteuer in Prag. Theaterarbeit in der Tschechoslowakei
1921 Übersiedlung nach Berlin
1922 Soldat im Prager Korps, Die gestohlene Stadt. Reportagen für Lidové Noviny, Berliner
Börsen Courier, Das Tagebuch.
1923 Klassischer Journalismus
1924 Der Fall des Generalstabchefs Redl. Eintritt in den "Schutzverband Deutscher
Schriftsteller"
1925 Der rasende Reporter. Übertritt in die KPD, Mitglied der "Gruppe 1925" um Alfred
Döblin, Redaktionsmitglied der Neuen Bücherschau, Reportagen für Rote Fahne,
Arbeiter Illustrierte Zeitung und Welt am Abend, Reise nach Moskau
1926 Reportagefahrten in den Kaukasus, das Donezbecken und nach Leningrad
Hetzjagd durch die Zeit
1927 Zaren, Popen, Bolschewiken; Kriminalistisches Reisebuch und Wagnisse in aller Welt
1928 Gründungsmitglied des Bundes proletarischrevolutionärer Schriftsteller,
Reise in die USA
1929 April: Rückkehr nach Europa
1930 Paradies Amerika und Schreib das auf, Kisch! November: Teilnahme am Schriftsteller
kongreß in Charkow, Professor an der Universität Charkow
1931 Prager Pitaval. Reise nach Moskau, Usbekistan und Tadschikistan
1932 März bis Juli: Reise nach Schanghai, Peking, Nanking und Tokio.
Asien gründlich verändert
1933 China geheim
1933 28. Februar: Verhaftung nach dem Reichstagsbrand, Einlieferung in
Spandau, Abschiebung nach Prag, Mitbegründer des Gegen
Angriff, Mitinitiator des Braunbuch über Reichstagsbrand und Hitlerterror,
Vortragsreise durch Europa
1934 Geschichten aus sieben Ghettos, Eintritt verboten
November: Einreiseverbot in Australien, Sprung vom Schiff, zahlreiche
Prozesse und Agitation gegen den Nationalsozialismus
1935 Feiern zum 50. Geburtstag und Teilnahme am I. Kongreß zur Verteidigung der
Kultur in Paris
1936 Abenteuer in fünf Kontinenten. Teilnahme am Weltfriedenskongreß in Brüssel
1937 Landung in Australien
7. Mai. Tod der Mutter. Juni: Teilnahme am II. Kongreß zur Verteidigung der
Kultur in Valencia und Madrid, Aufenthalt in Benicasim
1938 Die drei Kühe. Mai: Rückkehr nach Frankreich
29. Oktober: Heirat mit Gisela Lyner in Versailles
1939 März April: Aufenthalt in Torlaque (Südfrankreich), Teilnahme an einem
Kongreß von Tschechoslowaken im Exil
September: Übersiedlung in ein Dorf bei Versailles unter Polizeiaufsicht
Dezember: Mit Hilfe der League of American Writers Flucht nach New York
1940 Jänner: Nach Haft in Ellis Island Ankunft in New York
November: Übersiedlung nach Mexico Ciudad
1941 Sensation Fair
Mitbegründer von Zeitschrift und Bewegung "Freies Deutschland", Heinrich
HeineKlub und El Libro LibreVerlag
1942 Marktplatz der Sensationen
Arnold Kisch im Konzentrationslager Lodz ermordet
1943 Mitherausgeber des Libro Negro del Terror Nazi en Europa
1944 Paul Kisch in Theresienstadt ermordet
Reisen nach Oaxaca, Chiapas und Yucatan
1945 Entdeckungen in Mexiko
1946 Februar/März: Über New York und London Heimreise nach Prag, dort
Teilnahme am 8. Parteitag der KPC. Juni: Reise nach Belgrad und Skopje
1947 Reisen durch die Tschechoslowakei
November: Erster Schlaganfall
1948 24. März: Zweiter Schlaganfall, Einlieferung in eine Klinik
31. März: Tod in Prag
5. April: Beisetzung auf dem Prager "Kolumbarium"

 

Die Verwendung dieses Pressematerials ist honorarfrei. Ein Belegstück jedes Artikels über das Museum und seine Ausstellungen wird erbeten. Für weitere Auskünfte, Fotowünsche etc. steht Ihnen das Pressebüro des Jüdischen Museums jederzeit zur Verfügung. Bitte wenden Sie sich an:

Dr. Alfred Stalzer
Pressebüro des Jüdischen Museums der Stadt Wien

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Telefon: +43/1/596 78 78 bzw. +43/1/596 74 98
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