
"50 Jahre sind gar nichts"
Bundeswehrbeteiligung an einer Friedenstruppe in Nahost? Nein, auf
keinen Fall, meint Wolfgang Benz, Leiter des Zentrums für
Antisemitismusforschung an der TU Berlin
taz: Falls Israel jemals einer
internationalen Friedenstruppe zustimmen sollte, könnten auch deutsche
Soldaten beteiligt sein, schlägt Bundeskanzler Gerhard Schröder vor.
Warum eigentlich nicht?
Wolfgang Benz: Warum muss
sich eigentlich der Kanzler gerade jetzt Gedanken über deutsche Soldaten
in Israel machen? Und erklären, dass wir stolz darauf sein können, den
Frieden in die Welt zu bringen? Man kann froh darüber sein, dass wir
schließlich in die Familie der gesitteten Völker zurückgekehrt sind, da
muss man sich nicht dauernd in die Brust werfen und sagen: "Hurra, wir
sind wieder wer."
Darf man denn - ohne Stolz -
sagen, dass man deutsche Soldaten nach Israel schicken will?
Das ist keine Frage des Dürfens.
Aber ist es sensibel, ist es taktvoll, ist es notwendig? Deutsche
Panzer, die ihre Kanonen auf Israelis richten - es gibt Sachen, von
denen man aus Gründen des politischen Taktes die Finger lässt. Warum
helfen wir nicht, den Völkermord im Sudan einzudämmen?
Vielleicht unterscheiden auch
die Israelis zwischen einer Friedenstruppe heute und den Deutschen im
Nationalsozialismus?
Nein, davon kann man überhaupt
nicht ausgehen. Für eine traumatisierte Gesellschaft sind fünfzig Jahre
gar nichts. In Deutschland kann sich kaum einer vorstellen, wie blank
gescheuert jüdische Nerven sind, auch in der dritten Generation. Ich
glaube auch nicht, dass auf israelischer Seite der Wunsch danach
besteht, deutsche Truppen ins Land zu lassen.
Als eine Friedenstruppe unter
deutscher Beteiligung in Exjugoslawien stationiert werden sollte, gab es
ebenfalls Bedenken. Die haben sich als unbegründet erwiesen. Könnte es
im Falle Israels nicht ähnlich sein?
Nein, das ist ausgeschlossen.
Jeder, der sich mit der israelischen Gesellschaft beschäftigt, wird
Ihnen das bestätigen.
Es gibt Juden, die sich eine
deutsche Beteiligung an so einer internationalen Friedenstruppe
vorstellen können.
Aber Sie können doch nicht
einzelne Menschen mit dieser Religionszugehörigkeit als Repräsentanten
der israelischen Gesellschaft behandeln. Ich bin katholisch getauft und
spreche trotzdem nicht für die Katholiken.
Muss nicht gerade Deutschland
alles tun, um zu verhindern, dass weiterhin Israelis sterben?
Garantiert denn so eine Truppe
das? Ich glaube nicht. Es stimmt, dass wir Solidaritätspflichten
gegenüber Israel haben. Aber mit militärischen Instrumenten sollten wir
uns in diesem Fall heraushalten.
INTERVIEW: HEIDE OESTREICH
hagalil.com / 11-04-2002 |