Aufstehen gegen
Antisemitismus und Antizionismus
Demonstration und Kundgebung in München
Von Max Brym
Unter diesem Motto fand am Freitag den 26. Juli 2002 in München eine
Kundgebung und eine Demonstration statt. Initiiert wurde die
Veranstaltung vom Arbeitskreis Antisemitismus der
Ludwig-Maximilians-Universität München. Unterstützt wurde die
Demonstration und Kundgebung u.a. vom AstA der
Geschwister-Scholl-Universität München, der Israelitischen
Kultusgemeinde München, vom Landesvorsitzenden von der Partei Bündnis
90/Die Grünen, aber auch vom Kreis- Jugendring Ebersberg bis hin zur PDS
München und dem Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD.
Die bei relativ schlechtem Wetter stattfindende Auftaktkundgebung, hatte
als ersten Redner Jehoshua Chmiel stellvertretender Vorsitzender der
Kultusgemeinde. Er erklärte u.a., "die jüdischen Menschen hätten es am
liebsten, wenn man über den Antisemitismus nicht mehr diskutieren müßte,
aber spätestens seit der Frankfurter Paulskirchenrede von Martin Walser
1998, ist diese Debatte in Deutschland leider wieder notwendig".
Damals, so Chmiel widersetzte sich nur Ignatz Bubis der
Schlußstrichrede Walsers und seinen Diktum von der "Moralkeule
Auschwitz".
Damals blieb Bubis isoliert, genauso wie heute die antisemitischen
Ausfälle eines Fallschirm springenden Politikers keinen "Aufstand der
Anständigen" provozierten. Die Juden in Deutschland seien sinngemäß nach
Chmiel im wesentlichen alleine geblieben. Dennoch beziehen die
israelitischen Gemeinden Stellung, egal ob es den Möllemännern paßt oder
nicht. Gegen Ende seiner Rede erklärte Chmiel, daß es einen direkten
Zusammenhang gebe, zwischen den Ausfällen Möllemanns, Blüms und der
Zunahme antisemitischer Drohungen und Briefe, die die Kultusgemeinde mit
Namen, Anschrift und Adresse erhalte. Erfreut zeigte sich Chmiel über
die heutige Veranstaltung und die Breite des Bündnisses in München.
Im Anschluß an Chmiel sprachen zwei Vertreterinnen des AK
Antisemitismus, die sich mit dem als Antizionismus getarnten
Antisemitismus in der "Linken" befaßten. Sie setzten sich mit einer
verkürzten Kapitalismuskritik auseinander, die den Hort allen Übels in
der Finanzmacht der amerikanischen Ostküste,(sprich den Juden) sieht.
Durchscheinende. Zum sogenannten Antizionismus im politischen Bereich
erklärten die RednerInnen, daß es eine Traditionslinie von der RAF,
KPDML und anderer Organisationen gebe, die explizit nur dem Staate
Israel das Existenzrecht absprechen. Auch sei es beliebt, Aktionen des
Staates Israel mit dem Naziregim zu vergleichen. Dieser Vergleich ist
nach den Ausführungen der Rednerinnen nicht nur ungeheuerlich, sondern
hat von "links" her die Funktion, die deutsche Geschichte zu entsorgen.
Die Rednerinnen wagten zu bezweifeln, daß es den "Linken" in der
sogenannten "Palästina-Solidaritätsbewegung" wirklich um eine
Verbesserung des Loses der Palästinenser ginge. Als Beleg dafür führten
die Rednerinnen den Lagerkrieg 1985 im Libanon an, bei dem viele
Palästinenser durch die syrische Armee getötet wurden. Außerdem sei es
seltsam, daß die "Palästina-Solidäritätsbewegung" die Massaker im
Schwarzen September 1970 in Jordanien einfach totschweigen. Dies wurde
von den Rednerinnen als "nicht zufällig" bewertet.
Im Anschluß an die Auftaktkundgebung formierte sich ein
Demonstrationszug, der sich bei schwül regnerischen Wetter vom
Jakobsplatz zum Stachus bewegte. Bei der Abschlußkundgebung am Münchner
Stachus, erinnerte der ehemalige AstA Vorsitzende an die Rede die Marcel
Reich-Ranicki vor wenigen Wochen an der Ludwig-Maximilians-Universität
anläßlich der Verleihung der Ehrendoktorenwürde hielt. Bekanntlich
setzte sich dort Marcel Reich-Ranicki mit dem "Literaten vom Bodensee"
scharf auseinander. Marcel Reich-Ranicki wurde wie folgt zitiert "Ich
verspüre angesichts dieser Publikation Verachtung und Angst". Der
Abschlußredner bezog sich weiter auf Marcel Reich-Ranicki und auf seine
Aussage, wonach Martin Walser Goethe korrigiert hätte. Jener Goethe
schrieb "Schlagt ihn tot den Hund, er ist ein Rezensent." Woraus Walser
gemacht hätte, "Schlagt in tot den Hund, er ist ein Jud." Offensichtlich
könne es der Literat vom Bodensee, nicht mehr erwarten, bis der
82-jährige bekannte Literaturkritiker jüdischer Abstammung nicht mehr
lebe. Dies sei nach den Worten des Referenten am Stachus ein bis dato
einmaliger antisemitischer Vorgang in der bundesdeutschen
Nachkriegsgeschichte.
Resümee
Die Veranstaltung und die Demonstration sind ein hoffnungsvoller Ansatz
um den stärker werdenden Antisemitismus in Deutschland zu begegnen. Auf
der Demonstration sah man u.a. Plakate mit der Aufschrift "Deutscher
Antizionismus ist Antisemitismus" oder "Gegen die Sympathisanten des
antisemitischen Terrors". Erfreulich war, daß neben vielen älteren und
jüngeren Menschen aus dem Umfeld der israelitischen Kultusgemeinde viele
jugendliche Deutsche teilnahmen, die sich mehrheitlich als links
verstehen, aber mit ihrer Teilnahme ihren Bruch, mit dem
antizionistischen Antisemitismus der "Alt-Linken" dokumentierten.
hagalil.com / 28-07-2002 |