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Sieben Jahre Haft für Massenmord

Im Hamburger NS-Prozeß verzichtete der Richter auf die Inhaftierung des ehemaligen SS-Offiziers Friedrich Engel

Birgit Gärtner
Junge Welt, 06.07.02

Tote sind keine anonymen Größen, sie waren Menschen mit Namen und Gesichtern, mit Wünschen und Hoffnungen", zitierte Anwältin Olivia Bellotti einen italienischen Widerstandskämpfer am Dienstag im Prozeß vor dem Landgericht in Hamburg gegen den ehemaligen SS- Sicherheitschef von Genua, Friedrich Engel. Frau Bellotti forderte in ihrem Plädoyer eine Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes. Der Staatsanwalt forderte lebenslänglich, der Verteidiger plädierte auf Freispruch.

59 Gefangene hatte Engel im Mai 1944 als Vergeltung für einen Partisanenangriff auf ein Militärkino hinrichten lassen. 59 Menschen, die an Partisanenaktionen gegen die faschistischen Besatzer beteiligt waren. Einige von ihnen wurden für den Dienst in der Wehrmacht zwangsrekrutiert. Sie verweigerten den Wehrdienst, obwohl sie wußten, daß sie damit ihr Leben aufs Spiel setzen. Für ihre mutigen Taten wurden sie eingesperrt und im Knast in Marassi gefoltert, in dem Oberleutnant Karst ein brutales Regime führte. Dort wählte Engel persönlich die Todeskandidaten aus. Zwanzig von ihnen waren unter zwanzig Jahre alt, fünf sogar unter achtzehn. Am frühen Morgen des 19. Mai 1944 erhielten sie den Befehl, sich für die Abreise fertigzumachen - ohne Gepäck. Das sichere Todesurteil, das war ihnen allen klar. Sie wurden zum Turchino-Paß gebracht. Dort hatte eine Gruppe von jüdischen Gefangenen, die anschließend nach Auschwitz deportiert wurden, unter Peitschenhieben das Grab für die Partisanen schaufeln müssen. Über dieser Grube wurden die Männer dann einer nach dem anderen erschossen.

Für Staatsanwalt Jochen Kuhlmann war Engels Anordnung "Partisanen, modern ausgedrückt, Terroristen" hinrichten zu lassen, eine im "Zweiten Weltkrieg" durchaus legitime "Kriegsrepressalie". Lediglich die Methode der Hinrichtung sei zu beanstanden. Niemand habe befohlen, die Exekution auf so grausame Art und Weise durchzuführen. Deshalb beantragte Kuhlmann lebenslänglich. Verteidiger Udo Kneip trug erneut die Version von Engel als unschuldigem Justizopfer vor. Er beantragte Freispruch. Engel selbst forderte in seinem letzten Wort "Gerechtigkeit" für sich.

Richter Rolf Seedorf folgte am Freitag der Argumentation des Staatsanwaltes, verurteilte Engel aber nur zu sieben Jahren Haft wegen gemeinschaftlich verübten Mordes in 59 Fällen, bei dem Engel zweifelsfrei die Tatherrschaft gehabt habe. Auf Befehlsnotstand könne er sich nicht berufen. Im Rahmen einer verfassungskonformen außergesetzlichen Strafrahmenmilderung würde jedoch trotz der Schwere der Tat und ihrer Unverjährbarkeit auf die Inhaftierung des 93jährigen verzichtet. Friedrich Engel hat jetzt eine Woche Zeit, Revision einzulegen. Tut er das nicht, wird das Urteil rechtsgültig und damit wäre es statthaft, Friedrich Engel öffentlich als Massenmörder zu bezeichnen.

 hagalil.com / 07-07-2002

 


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