Kishon macht ernst:
Ordenskrieg eines Satirikers
Antisemitismusdebatte erreicht etablierte
Spaßkultur. Ephraim Kishon droht Karnevalsverein
Michael Klarmann
Junge Welt, 22.08.2002
Der Schriftsteller Ephraim Kishon hat dem CDU-Politiker Norbert Blüm in der
Aachener Zeitung (AZ) vorgeworfen, "in der Sprache von Goebbels" gesprochen zu
haben. Blüm ist ebenso wie Kishon Träger des "Ordens wider den tierischen
Ernst", den der Aachener Karnevalsverein (AKV) verleiht. Sollten "die Ritter des
AKVs sich weiterhin mit Blüms antisemitischen Äußerungen identifizieren", so
werde er seinen Orden zurückschicken und aus dem Verein austreten, droht Kishon.
Die völkisch-nationale Zeitung Junge Freiheit hielt der 77jährige indes einst
für ein "niveauvolles Blatt".
Begonnen hatte der Disput vergangene Woche mit einem Interview in der Welt am
Sonntag. Der in der Schweiz lebende Satiriker hatte Ordensbruder Blüm
aufgefordert, die Äußerung zurückzunehmen, daß Israel einen "hemmungslosen
Vernichtungskrieg gegen die Palästinenser" führe. Kishon hatte den
Karnevalsverein aufgefordert, er möge sich von Blüm distanzieren. "Ein Mann",
der "blanken Antisemitismus" vertrete, könne nicht sein "Ritterbruder" sein.
Blüm lehnt die Rücknahme seiner Israelkritik ab.
Ephraim Kishon kritisierte am Mittwoch in der AZ nicht nur die neutrale Haltung
des AKV, sondern auch das Schweigen seiner Ordensbrüder in dem Konflikt. Dazu
gehören Hans-Dietrich Genscher, Guido Westerwelle (beide FDP), Edmund Stoiber
(CSU), Johannes Rau und Heide Simonis (beide SPD). Derzeit reist der
Schriftsteller nach Israel und will auf der Rückreise vorsorglich den im
dortigen Zweitwohnsitz befindlichen Orden mitbringen.
Fraglich bleibt, warum Kishon zwar Blüm und den AKV kritisiert, aber die
neurechte Wochenschrift "Junge Freiheit" (JF) auf ihrer Homepage mehrfach mit
dessen Aussagen werben darf. Kishon hatte der JF im März 2001 versichert: "Ihr
niveauvolles Blatt ist nicht radikal, es ist nicht einmal, was man rechts nennt,
sonst hätte ich Ihnen kein Interview gegeben." Die JF werde nur als
"rechtsgerichtet" eingestuft, weil sie "nicht linksgerichtet" sei, so Kishon
damals. Der nordrhein- westfälische Verfassungsschutz indes beobachtet die JF
seit Jahren und sieht "weiterhin Anhaltspunke für den Verdacht
rechtextremistischer Bestrebungen".
hagalil.com
22-08-02 |