Eine Immobilie mit Vergangenheit
Für die "Lichtenburg"
in Sachsen-Anhalt, eines der ersten NS-Konzentrationslager, haben weder Bund
noch Land Verwendung. Nun steht sie zum Verkauf - zum Entsetzen der
Opferverbände, die eine sensible Nutzung fordern
Die Immobilie, die das
Bundesvermögensamt via Internet anbot, erregte selbst die Aufmerksamkeit des
Daily Telegraph. "Bedeutendes dreiflügeliges Renaissanceschloss mit leer
stehender Schlosskirche", war in dem Kaufangebot zu lesen. Zur Geschichte der
"Lichtenburg" dagegen nur ein einziger Satz: "1933 bis 1939 eines der frühen
Konzentrationslager".
Prompt titelte die Londoner Zeitung:
"Erstes KZ der Nazis soll als Hotel oder Themenpark verkauft werden".
Unglaublich, finden auch die Opferverbände. Sie lehnen eine private Nutzung des
Geländes ab. "Für uns ist das nicht akzeptabel", sagt Jupp Gerats,
Landesvorsitzender des Interessenverbandes der Verfolgten des Naziregimes.
Denn die Lichtenburg in Sachsen-Anhalt gilt als Vorläufer der
Konzentrationslager Buchenwald und Ravensbrück. Bereits im November 1933 waren
in dem Lager bei Prettin 1.500 Gefangene untergebracht: Politische Gegner wie
die Sozialdemokraten Wilhelm Leuschner, Carlo Mierendorff oder Ernst Reuter.
Juden, Zeugen Jehovas, Homosexuelle. An ihnen erprobten die Nazis den Prügelbock
oder die isolierte Dunkelhaft. 1937 verlegte die SS die männlichen Häftlinge
nach Buchenwald, das Lager wurde zentrales Frauenhaus.
Heute erinnert eine Gedenkstätte auf 1.000 Quadratmetern an die dunkle Zeit. Der
Rest des 23.000-Quadratmeter-Komplexes steht seit der Wende leer.
Für das Schloss im Niemandsland zwischen Dessau und Dresden, einst Witwensitz
der Kurfürstin von Sachsen, haben weder Bund noch Land Verwendung. Der Bund
argumentiert, die Gedenkstätte sei Ländersache. Das Magedeburger
Innenministerium verweist an den Bund. In sein Gedenkstättenkonzept will es die
Lichtenburg nicht aufnehmen. Unmöglich, sagt eine Ministeriumssprecherin, da
sich die Gedenkstätte nicht im Eigentum des Landes befinde.
Allein, das ist nur die halbe Wahrheit. "Wir hätten die Immobilie kostenlos an
das Land abgegeben", sagt Jürgen Nolte, Präsident der Oberfinanzdirektion in
Magdeburg. Doch das Land winkte ab. Der 2.500-Einwohner-Ort Prettin kann sich
die Immobilie erst recht nicht leisten.
Im Winter 1999 musste die Gedenkstätte vorübergehend geschlossen werden, weil
das Geld für die Heizung fehlte. "Über zwei Millionen Mark an Steuergeldern
haben wir ausgegeben, um den Verfall aufzuhalten", sagt Nolte. "Notsicherung"
nennt er das. Denn sicher ist: Da kein öffentlicher Träger bereit steht, muss
ein privater Investor her. Einzige Einschränkung: Die Gedenkstätte soll
grundbuchmäßig gesichert werden.
Den Opferverbänden reicht das nicht. Sie wollen eine Bildungseinrichtung oder
eine Jugendbegegnungsstätte ansiedeln, "die mit der Gedenkstätte vereinbar ist",
so Gerats. Er erinnert an eine Entschließung des Europaparlaments von 1993, die
Deutschland zum Schutz der Stätten früherer KZs verpflichtet. Doch das Land
verweist darauf, dass es sich um ein frühes Konzentrationslager handele - nicht
vergleichbar mit Buchenwald oder Dachau. Aber auch Oberfinanzpräsident Nolte
weiß: "Jeder Mensch, der dort gelitten hat, ist einer zu viel."
Auch das DDR-Regime ging mit dem Gebäude
nicht eben zimperlich um. So nutzte die Landwirtschaftsschule, die hier nach dem
Krieg einzog, die Schlosskirche als Getreidesilo.
Fraglich ist allerdings, ob sich überhaupt ein privater Investor findet. "Die
standen auch vorher nicht Schlange", räumt Nolte ein. Am 31. Juli läuft die
Frist für die Ausschreibung ab. Wenn danach kein Käufer gefunden ist, so Nolte,
"steht das Gebäude eben weiter leer". Für Jupp Gerats steht fest: Bund und Land
müssten sich gemeinsam an einen Tisch setzen. "Den Protesten", glaubt er,
"können sie sich nicht verschließen."
NICOLE MASCHLER
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haGalil onLine 25-04-2001
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