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Prozess gegen Anton Malloth eröffnet:
Mitleid mit einem alten Greis?

Von Andrea Übelhack

Schon der Weg in den "Gerichtssaal" ist unangenehm. Der Prozeß gegen den 89-jährigen Anton Malloth findet in der Justizvollzugsanstalt statt, da man dem Angeklagten die Fahrten ins Gerichtsgebäude nicht zumuten möchte. Daher Stadelheim. Warten im Eingangsbereich, eine schwer zu beschreibende Unruhe, auch unter den routinierten Journalisten, Sprachengewirr, Deutsch, Tschechisch, Hebräisch, Zigarettenqualm, ständig der Türsummer.

Dann endlich nach langem Warten, Kontrollen und wieder Warten drängen Besucher und Journalisten in den Konferenzsaal. Malloth wird hereingeschoben. "Ach du lieber Himmel", entfährt es meinem Nachbarn. Blaß, gebrechlich, fahl und reglos wirkt Malloth. Reglos ist überhaupt das Eigenschaftswort, das sich einem ständig in den Sinn drängt.

Zu Beginn klärt der Richter die Personalien des Angeklagten, darunter auch die wichtige Frage nach der Staatsangehörigkeit Malloths. Der weiß aber nicht genau, welche Staatsangehörigkeit er besitzt, murmelt vor sich hin. Er versteht den Richter nicht gut, wird herumgeschoben, Mikrophone werden ein- und ausgeschaltet, bis es endlich einigermaßen klappt mit der Verständigung.

Der Vorsitzende Richter Jürgen Hanreich wendet sich zunächst direkt an Malloth, um ein paar eindringliche Worte voraus zu schicken. Es werde kein Verfahren um jeden Preis geben, das möchte er dem Angeklagten versichern, so Hanreich, aber "wir haben eine Verpflichtung den Menschen gegenüber, die unsägliches Unrecht erlitten haben". Daher lege er Malloth nahe, noch einmal zu überdenken, ob er sich dem Verfahren nicht stellen wolle, "es wäre ein großer Tag, vielleicht auch für Sie". Malloth bleibt regungslos.

Als erstes wird dann geklärt, ob der Angeklagte überhaupt verhandlungsfähig ist. Für den Zuhörer folgen mehr Informationen als ihm lieb sind, die komplette Krankengeschichte eines alten Greises, von den Prostata-Problemen über ein schuppendes Ekzem in der Leistengegend, Osteoporose und Schluckschwierigkeiten. Drei Gutachter sagen über Malloths Gesundheitszustand aus.

Als erstes Dr. Stein, der bei Malloths Verhaftung anwesend war. Er berichtet, dass er am Tag seiner Verhaftung, also am 25. Mai 2000, zwar an einigen, auch altersbedingten Gebrechen litt, jedoch voll orientiert und in geistig regem Zustand war. Malloth konnte noch gut selbst laufen und holte regelmäßig die Zeitung und erledigte kleinere Besorgungen. Dr. Dörfler hat den Angeklagten zweimal gesehen, im August und November 2000. Auch er versichert, dass Malloth im November noch voll orientiert war und gezielte Fragen klar beantworten konnte. Schließlich noch Dr. Frischl, Arzt in der JVA Stadelheim, der Malloth seit seiner Einlieferung behandelt: Malloth sei immer voll orientiert, "er weiß auch, welche Vorwürfe man ihm macht", sein körperlicher Zustand sei stabil.

Trotzdem forderte der Verteidiger von Malloth, Ernst-Günther Popendicker, ein psychologisches Fachgutachten, das klärt, ob Malloth auch komplexeren Sachverhalten folgen kann, woran er massive Zweifel hat. Nach einer kurzen Unterbrechung der Verhandlung stimmt der Richter der Einholung eines fachpsychologischen Gutachtens, das insbesondere klären soll, ob der Angeklagte Anton Malloth komplexere Sachverhalte verstehen kann, zu. Das bedeutet also, das dieses Gutachten über die Fortführung des Prozesses entscheidet.

Trotzdem wurde die Anklageschrift von Staatsanwalt Konstantin Kuchenbauer verlesen. Malloth hört regungslos zu. Man wirft dem ehemaligen Aufseher im Gefängnis Kleine Festung Theresienstadt mehrfachen Mord vor. Im September 1943 soll er einen Häftling, der bei der Ernte einen Blumenkohl unter seine Jacke schob, brutal zusammengeschlagen und schließlich auf ihn geschossen haben. Im Januar 45 befahl er einem Häftling zwei andere Mithäftlinge, die sich nackt ausziehen mussten, mit kaltem Wasser abzuspritzen bis diese schließlich tot zusammen brachen. Und schließlich noch der Häftling Hochmann, den er brutal mit ca. 20 Schlägen auf den Kopf umbrachte.

"Ich kann da nicht richtig folgen" war Malloths Reaktion und sein Verteidiger sprang ein, der Angeklagte mache von seinem Schweigerecht Gebrauch.

Im Anschluss wurde Dr. Jan Munk, Direktor der Gedenkstätte Theresienstadt, gebeten über die Geschichte des Lagers und der Kleinen Festung zu berichten. Auf die Frage des Richters, ob er den Namen Malloth kenne und welche Rolle dieser gehabt habe, sagte Munk, dass aus den Dokumenten, die in der Gedenkstätte vorliegen, hervorgehe, dass Malloth "zu den fürchterlichsten und schrecklichsten Aufsehern gehörte", Malloth habe sich an vielen Aktionen beteiligt, bei denen Häftlinge erschlagen wurden.

Während der Aussage Munks wird Malloth das erste und einzigste Mal ein wenig lebhaft, richtet sich auf, hört angestrengt zu, doch sehr bald bittet er um Unterbrechung des Prozesses. Nach exakt zwei Stunden wird die Verhandlung vertagt. Auch die Besucher wollen raus, die Luft im Konferenzsaal ist schrecklich. Raus geht es aber nicht so schnell, in der JVA kann immer nur eine Tür geöffnet werden. Wieder in Gruppen warten bis man endlich draußen ist.

Was bleibt? Welches Gefühl hinterlässt dieser Nachmittag? Sicherlich kein Mitleid, von dem Efraim Zuroff, Leiter des Simon-Wiesenthal-Zentrums Jerusalem, später spricht. Man dürfe kein Mitleid mit diesem alten Greis haben, so Zuroff, denn es zählt nicht, wann er für seine Taten zur Rechenschaft gezogen wird, sondern ausschließlich, daß er nun endlich, dafür gerichtet wird. Das Mitleid gebührt einzig und allein den Opfern des SS-Scharführers Anton Malloth.

Aber Mitleid kam mir keine einzige Minute in den Sinn. Was bleibt ist Ekel. Ekel vor einem alten Greis, der von einem Speiseröhrentumor spricht und diesen nicht untersuchen läßt, der bei jeder Visite über Knochenschmerzen klagt, aber die Bedarfsmedikation dann nicht nutzt, der seine Staatsangehörigkeit nicht weiß und angeblich auch der Anklageschrift nicht folgen kann. Der vor 60 Jahren unvorstellbar grausame Taten beging und über den man heute sagen muß, man dürfe kein Mitleid mit ihm haben.

haGalil onLine 24-04-2001


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