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Münchner NS-Ausstellung gestoppt:
Die Lederhose als
Devotionalie?

Es fällt ein wenig schwer über die derzeitigen Vorgänge im Münchner Stadtmuseum zu schreiben, denn keiner weiß, worüber er denn eigentlich schreibt. Hineinschauen kann nämlich gerade keiner, ins Museum, nachdem der Ude die Notbremse gezogen hat. Schade eigentlich, denn so läßt sich auch nicht bestätigen, was man sich dazu so alles denken kann. Daß nämlich alle Verantwortlichen geschlafen haben und erst durch den Rums des Oberbürgermeisters erwacht sind.

Eigentlich hätten gestern die Türen zur neuen Ausstellung "Nationalsozialismus in München" geöffnet werden sollen, die die Zeit bis zu einem seit langem geplantem NS- Dokumentationszentrum verkürzen sollte. Bereits 1993 hatte es in München eine Ausstellung zum Nationalsozialismus gegeben. "München - Hauptstadt der Bewegung" war eine durchaus umstrittene Schau. Kuratorin damals wie heute: Brigitte Schütz.

Die versteht nun gar nicht, was überhaupt los ist. Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) war über die Ausstellung, durch die er Anfang der Woche einen ersten Rundgang unternahm, derart entsetzt, daß er die Eröffnung stoppte. Eine "folkloristische SA- Lederhosen-Schau", eine "kritiklose Ansammlung von Devotionalien des NS- Reiches", so sein Urteil.

Verklärung lag Frau Schütz absolut nicht im Sinn, wie sie betonte und hinzufügt, sie sei über Verdächtigungen von Neonazitum erhaben (schließlich sei ein enger Angehöriger im KZ ermordet worden). Die Ignoranz des Oberbürgermeisters mache sie sprachlos.

Sprachlos macht den Leser ihre Version. Da sind zum Beispiel die Figuren aus der Porzellanmanufaktur Allach. Die für die Ausstellung vorgesehene Figuren, darunter ein Schäferhund, wurden von KZ-Häftlingen in Sklavenarbeit hergestellt. Richtig, meint Frau Schütz, "aber die andere Seite ist eigentlich noch wichtiger. Die Figuren wurden von München aus ins ganze Reich exportiert – und damit Münchens Ruf als Kunststadt gestärkt. Diese Doppeldeutigkeit des scheinbar Harmlosen vor dem infamen Hintergrund wollte ich zeigen."

Ach so, ja dann scheint doch alles in Ordnung? Das Problem des Oberbürgermeisters scheint aber eher die textliche Einbettung zu sein. Natürlich gehört neben das Hunderl ein Bild aus Dachau, und zwar keines in Miniaturgröße. Frau Schütz meinte dazu, daß bei Vorbesichtigungen nicht alle Objekte und Texte an der Wand hängen würden. Ein Mißverständnis also?

Wohl kaum. Der Oberbürgermeister wurde selbstverständlich darauf aufmerksam gemacht, daß dieses und jenes noch angebracht wird. In diesem Fall hat Frau Schütz offensichtlich absolut korrekt gehandelt. Eine entsprechende Liste mit Abbildungen lag dem Kulturreferat seit zwei Monaten vor. Es kam kein Einspruch.

Aus dem Kulturreferat von Lydia Hartl war zu hören, die Kuratorin sei "beratungsresistent". Die Frage ist aber wohl eher, warum die Kulturreferentin, die das Konzept offensichtlich kannte, nicht wirklich intervenierte. Schließlich habe sie schon im Herbst vergangenen Jahres "einigermaßen schockiert" vom Konzept der Kuratorin erfahren und erhebliche Kritikpunkte angemeldet. Offensichtlich hat sie jedoch die Tragweite nicht erkannt, denn von Herbst vergangenen Jahres bis Anfang dieser Woche ist genug Wasser die Isar runter gelaufen, um sich über die Veränderungen im Konzept zu informieren und gegebenenfalls auch zu intervenieren.

Übrigens distanzierte sich nun auch der Direktor des Stadtmuseums, Wolfgang Till, ganz deutlich vom Konzept der Ausstellung. Die fatale Wirkung der Schau sei ihm allerdings erst beim Rundgang mit Christian Ude aufgefallen. Da kann sich die Stadt München wohl wirklich glücklich schätzen, daß sie wenigstens einen Oberbürgermeister hat, der nicht auf den Kopf gefallen ist.

Schade nur, daß sich das Publikum darüber keine eigene Meinung bilden kann. Die Ausstellung wird derzeit von drei Mitarbeitern des Stadtmuseums, des Archivs und des Kulturreferats geprüft und überarbeitet. Eröffnet wird sie dann möglicherweise im Dezember.

aue / hagalil.com 09-08-02


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