Topf & Söhne:
Hitlers willige Ofenbauer
Erfurter Antifaschisten halten die Erinnerung wach
Von Hans Daniel
Junge Welt, 17.08.2002
"Kein Mantel des Schweigens über Hitlers
willige Ofenbauer" ist eine Pressemitteilung der Aktion Sühnzeichen
Friedensdienste (ASF) überschrieben, in der die Organisation über einen Offenen
Brief an die Stadt Erfurt informiert. Sühnzeichen fordert in Übereinstimmung mit
anderen Initiativen der Stadt die Errichtung einer Erinnerungs- und Gedenkstätte
auf dem Gelände der ehemaligen Firma Topf & Söhne.
Ein Erzeugnis aus dem Hause Topf & Söhne ist im Krematorium des
ehemaligen Konzentrationslagers Buchenwald zu betrachten. Weitere
befanden sich u. a. in den Konzentrationslagern Mauthausen Dachau
und in Auschwitz. Die Firma produzierte, neben anderem, hochwertige,
leistungsfähige Verbrennungsöfen. "Leistungsfähig", das heißt hier,
daß in diesen Öfen täglich 3 000 Leichen verbrannt werden konnten.
Kurt Prüfer, Chefkonstrukteur bei Topf & Söhne, war der teuflische
Tüftler, der schon beim Bau des Lagers für sowjetische
Kriegsgefangene in Auschwitz-Birkenau im Oktober 1941 der SS die
Errichtung eines Krematoriums mit fünf Freikammeröfen vorgeschlagen
hatte, ausreichend, 1 440 Leichen je Tag einzuäschern. "Angesichts
der Sterblichkeit von täglich einem Prozent in den Lagern", so der
Historiker Christian Gerlach, "durchaus eine realistische, jedoch
eigentlich unfaßbare Größenordnung."
Nachdem die der SS in fester Freundschaft verbundenen Chefs der IG Farben
allerdings in Auschwitz mit dem Bau des hauseigenen Lagers begonnen hatten,
reichte diese "eigentlich unfaßbare Größenordnung" nicht mehr aus. Prüfer - die
SS feierte ihn als "Hexenmeister der Verbrennung" - konnte helfen. "Stets gern
für Sie beschäftigt, empfehlen wir uns bestens. Heil Hitler!", hieß es in einem
Schreiben an die Bauleitung der SS in Auschwitz. In seiner Freizeit, so ließ
Prüfer verlauten, habe er bereits Ende 1941 ein Krematorium mit vier
holzbeheizten Achtkammeröfen, ausgelegt für die doppelte Mengen Leichen, also 3
000, konzipiert. 1942 schlug er der SS dann vor, zwei dieser Achtkammeröfen für
Auschwitz zu bauen. Das geschah, wie ein Bericht der Zentralbauleitung des KZ
Auschwitz an Hans Kammer, Chef der Abteilung Bauwesen des
Wirtschafts-Verwaltungshauptamtes der SS (WVHA) ausweist, im Januar 1943. "Unter
Einsatz aller verfügbaren Kräfte trotz unsagbarer Schwierigkeiten und
Frostwetter bei Tag- und Nachtbetrieb." Die Öfen, so weiter im Rapport, "wurden
im Beisein des Herrn Oberingenieur Prüfer der ausführenden Firma Topf u. Söhne,
Erfurt, angefeuert und funktionierten tadellos".
Alles funktionierte tadellos, nachdem an den Schreibtischen im Erfurter
Projektierungsbüro (mit direkter Fernsicht auf den Ettersberg) auch eine Lösung
des lästigen Problems der Veraschung der Anlagen gefunden worden war.
"Erleichterungen" für die Arbeit des Lagerpersonals wurden voll Genugtuung
registriert. Gelöst wurde auch durch eine bessere Verzahnung das "Problem der
Leichenaus- und einlagerung". Kurzum, am Ende der Kette von der Deportation der
europäischen Juden nach Auschwitz über deren Selektion, die entweder sofort in
die Gaskammern führte oder erst mit Verzögerung über die Ausbeutung durch die IG
Farben, standen die Hochleistungsöfen von Topf & Söhne.
1945 wurde Topf & Söhne enteignet. Einer der Inhaber setzte sich in den Westen
ab, ein anderer nahm sich das Leben. Prüfer starb in sowjetischer Haft. Aus Topf
& Söhne wurde der Volkseigene Betrieb Erfurter Mälzerei und Speicherbau "Nikos
Belojannis". Die neuen Herren von 1990 führten den Betrieb 1994 in den Konkurs.
Seit Jahren beschäftigen sich Initiativen mit der Geschichte der "willigen
Ofenbauer Hitlers". Zumindest ein Teil des brachliegenden, mehr und mehr
verfallenden Geländes soll für eine Erinnerungsstätte genutzt werden. Wenn das
gelänge, sagt Annegret Schüle, die in einem auf zwei Jahre befristeten Projekt
an der Archivierung der Betriebsgeschichte arbeitet, dann hätten wir "das
einzige Denkmal in Deutschland, an dem die Beteiligung der Industrie am
Völkermord an Ort und Stelle gezeigt werden könnte". Zu denen, die sich dafür
einsetzen, gehört auch Hartmut Topf, ein Enkel der letzten Inhaber. Das Gelände
gehört der Pforzheimer Sparkasse. Junge Antifaschisten haben hier schon ihre
Zeichen gesetzt. Sie wollen auf ihre Art die Geschichte in die Öffentlichkeit
bringen. Sie haben auch an die vielen Zwangsarbeiter erinnert, die bei Topf
fronen mußten.
Die Stadt ist nicht gerade begeistert, weder von den Forderungen der Initiativen
noch von den Aktivitäten der jungen Antifaschisten. Sie hat sich auch nicht um
das Firmenarchiv bemüht, als es ihr 1994 angeboten wurde. Das liegt nun in
Frankreich, für niemanden einsehbar. Im Stadtarchiv lagern statt dessen alte
Kataloge der Firma aus der Vorkriegszeit, als Topf unter anderem Mälzanlagen für
Brauereien in aller Welt produzierte. Die Erinnerung daran ist den Stadtvätern
angenehmer. Was mit dem Gelände auf dem Sorbenweg unweit des Erfurter
Hauptbahnhofs wird, ist völlig offen. Jetzt verrottet es. Jeden Tag mehr. Im
städtischen Bebauungsplan, der bis zum 25. Juli auslag, waren die Vorstellungen
von einer Erinnerungsstätte nicht berücksichtigt. Der Förderverein aber will
nicht aufgeben. Es soll kein "Mantel des Schweigens über Hitlers willige
Ofenbauer" gelegt werden.
hagalil.com
20-08-02 |