Versteckte Kamera für Fortgeschrittene:
"Titanic und die FDP - ein
starkes Team!"
Die Titanic hat wieder einmal zugeschlagen. Für so manch einen wurden
die Grenzen des guten Geschmacks deutlich überschritten, andere werden
sich auf die Juli-Ausgabe des Satire-Magazins freuen. Dazu gehören
sicherlich nicht die Jungen Liberalen aus Eisenach, die eine Anzeige
wegen Verleumdung stellen möchten.
Was genau ist da also passiert in Thüringen? Am 5. Juni rollte ein
gelbes Auto mit der Aufschrift "Guidomobil" durchs Land. Drin saßen
allerdings keine Liberalen im Wahlkampfauftrag, sondern acht Redakteure
von "Titanic". In Stadtlengsfeld und Eisenach bauten sie FDP-Stände auf,
befragten Passanten, ließen sie Fragebögen ausfüllen und schenkten
Eierlikör ("18 plus x Prozent") aus.
Außerdem stellten sie drei "antisemitisch-spaßorientierte
FDP-Wahlplakate" auf, wie es in der Presseerklärung der "Titanic" dazu
heisst:
"1.) "Deutsche wehrt Euch! Wählt FDP!"
2.) Friedman mit rotem Kreuz (Aufschrift: "Gib endlich Friedman!") über
dem Mund: "FDP - Judenfrei und Spaß dabei!"
3.) Pornobild: Peter Bond mit nackter Cornelia Pieper: "FDP - Die
(liberale) SpaSSpartei!""
Eigentlich derart haarsträubend, sollte man meinen, daß es jedem sofort
wie Schuppen von den Augen fallen sollte, daß das keine echten Plakate
und FDPler sein können. Weit gefehlt. Nicht mal dem
FDP-Kreis-Vorsitzenden Klaus Schneider ging ein Licht auf. Von den
gelben Hemden und den blauen Seidenkrawatten der Titanic-Redakteure war
er offenbar so eingenommen, daß er sich händeschüttelnderweise
fotografieren ließ. Die antisemitischen Wahlplakate habe er nicht
gesehen, kommentierte er am Tag darauf.
Die 30 Passanten, die die
ausgelegten Fragebögen ausfüllten, haben sie offensichtlich auch nicht
wahrgenommen. Oder aber wahrgenommen und für gut befunden. Rund 50% der
Befragten sind schließlich dafür, "Friedman in sein Heimatland
zurückzuschicken". Wenn auch die Überzeugung, daß diese Heimat die
Türkei sei, eindeutig in der minderheit war. Gute Ratschläge gab es auch
für eventuelle Koalitionsmöglichkeiten, beispielsweise mit der DVU. Zu
Möllemann hören die getarnten FDPler "Endlich einer, der sich mal was
traut", "Möllemann hat recht gehabt" und "Friedman mit seinem
überheblichen Scheiß". Nur einem stießen die antisemitischen Plakate
übel auf. Er beschimpfte die Wahlkämpfer als "asoziale Rattenfänger".
Möllemann hätte aber trotzdem Recht "in dieser Sache".
Wenig Sinn für derartige Satire haben die Jungliberalen in Thüringen.
Sie distanzierten sich deutlich und betonten, daß das Werbematerial der
Partei von jedem angefordert werden könne. Das bestätigte
Titanic-Chefredakteur Sonneborn, das
politisch korrekte Werbematerial habe man sich direkt bei der FDP
besorgt, ohne zu offenbaren, für welchen Zweck. Nur die gelben Hemden
mussten noch angeschafft werden, für 9,90 Euro das Stück.
"Wir bedauern
die Vorfälle und prüfen rechtliche Schritte", heißt es von den Jungen
Liberalen Thüringen. Der Landesvorsitzende Christoph Burmeister fügte
an: "Es darf nicht sein, dass die Geschehnisse um Möllemann und Karsli
permanent zu Wahlkampfzwecken ausgenutzt werden."
Titanic-Chefredakteur Martin Sonneborn dazu: "Sollten wir die
Empfindungen sensibler Mitbürger verletzt haben, möchte ich mich bei
diesen entschuldigen. Michel Friedman ist davon natürlich ausgenommen."
Beim letzten großen Aufsehen um eine Titanic-Reportage ging es um den
Zuschlag der Fußball-WM. Das Magazin hatte ein Fax mit
Bestechungsversuchen durch Kuckucksuhren gesendet. Die Reaktionen,
nachdem die Bild-Zeitung darüber berichtet hatte, gibt es auf einer
wunderschönen CD. Vielleicht kann man ja bald auch dieses
Satire-Schmankerl gesammelt und digital genießen. In jedem Fall gilt es,
sich die Juli-Ausgabe zu sichern.
aue / hagalil.com / 09-06-2002 |