"Wir in
Deutschland":
Schröder und Walser diskutieren
Morgen findet eine Diskussion von Bundeskanzler Gerhard Schröder mit dem
Schriftsteller Martin Walser über Nation und Patriotismus statt. Die
Veranstaltung stößt im Vorfeld auf breiten Protest verschiedener Verbände. Der
Zentralrat der Juden äußerte sich gestern "irritiert und verwundert" darüber,
dass die SPD am Gedenktag der Befreiung vom Nationalsozialismus eine solche
Veranstaltung plane.
Das "Berliner Bündnis gegen Antisemitismus und Antizionismus" sowie die
"Antifaschistische Aktion Berlin" riefen zu einer Protestdemonstration
unmittelbar vor dem geplanten Veranstaltungsbeginn am Mittwoch vor der SPD-
Parteizentrale auf. Die Aktion Sühnezeichen Friedensdienste äußerte in einem
offenen Brief an Schröder ihre "extreme Befremdung" über die Veranstaltung, da
der 8. Mai ein "ausgesprochen untaugliches Datum" sei, eine "Fiktion der
Normalität ungebrochen zu propagieren", und dies in einem Haus, das den Namen
Willy Brandts trage.
Der Vizepräsident des Zentralrats, Michel Friedman, stellte in diesem
Zusammenhang die Glaubwürdigkeit des Bundeskanzlers in Frage. Der Zentralrat
erinnerte in einer Erklärung daran, dass Walser anlässlich der Verleihung des
Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 1998 von Auschwitz als der
"Moralkeule", der "Instrumentalisierung unserer Schande zu gegenwärtigen
Zwecken" und der "Dauerrepräsentation unserer Schande" gesprochen habe.
SPD-Generalsekretär Franz Müntefering wies die Vorwürfe zurück.
Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin (SPD) sagte, Walser sei "eine zentrale
literarische und intellektuelle Figur in Deutschland". Er habe sich schon früher
mit der Nation auseinandergesetzt, als es noch kein allgemeines Thema in
Deutschland gewesen sei. Ihn einzuladen, sei mutig.
Müntefering verteidigte das Vorhaben, schließlich gebe es "wieder eine
politische Kultur der Offenheit und der Toleranz in Deutschland. Wir in
Deutschland - das sagen wir heute mit Stolz auf unser Land, selbstkritisch aber
auch selbstbewusst patriotisch".
Die Gegenkundgebung zur Veranstaltung am 8. Mai - Walser, Schröder, Dieckmann im
Willy-Brandt-Haus - findet um 17.00 Uhr Stressemannstrasse/Wilhelmstrasse
(U-Hallesches-Tor) in der Nähe des Willy-Brandt-Haus statt.
Texte zur Walser-Bubis-Debatte sind auf dem Server der Abteilung für
Jüdische Geschichte und Kultur zu finden:
Walser, Dieckmann und die SPD:
Die patriotische Nation
Ein Appell des Bündnisses
gegen Antisemitismus und Antizionismus...
Eine Rede und ihre
Folgen
Zur Kontroverse
um die Rede von Martin Walser zur Verleihung des deutschen
Friedenspreises 1998 aue /
hagalil.com / 07-05-2002 |