Der Internationale Arbeitskreis e.V. organisiert in diesem Jahr
wieder einen Jugendaustausch mit Jugendlichen von der Jüdischen
Gemeinde und der Jewish Agency in Bukarest. Es gibt noch freie
Plätze!
Termin: 19. Juli bis 3. August 2003
Wo ein Staat ist, kann der Nationalismus nicht weit sein. So auch
in Rumänien. Und das Land ist ziemlich berüchtigt dafür: Im zweiten
Weltkrieg unter Marschall Antonescu Achsenmacht an der Seite der
Nazis, hatte die sozialistische rumänische Regierung es schon Mitte
der Fünfziger geschafft, sich der sowjetischen Bruderarmeen zu
entledigen und ein eigenes Spiel zu spielen. So autonom gegenüber
der Sowjetunion wie möglich, hieß das Projekt "nationaler
Kommunismus", und bei diesem Begriff muss man zu Recht schlucken.
Mit viel nationalistischem Tamtam wurde die Eigenständigkeit
gefeiert, schließlich ist man ja ein romanisches Land und stammt
direkt von den Römern ab und muss sich nicht von den Slawen
bestimmen lassen. Auch nach dem blutigen Umsturz 1989 blieb es im
großen und ganzen bei der Linie, zwar weniger außenpolitisch, aber
dafür reichlich propagandistisch nach innen. Bei den
Präsidentschaftswahlen im Jahr 2000, nach einer gescheiterten
bürgerlichen Reformregierung, kam es zur Chirac-Le
Pen-Situation: Im zweiten Wahlgang standen sich der Präsident von
1990 bis 1996, Ion Iliescu, ein ehemaliger KP-Apparatschik der
zweiten Reihe, und der ehemalige Hofdichter Ceaucescus, Vadim Tudor,
Chef der Großrumänienpartei (Romania Mare) und glühender Antisemit,
gegenüber. Iliescu, vom autoritären Schmuddelkind zur demokratischen
Hoffnung gewandelt, gewann mit nur 67% gegen Tudor, der in jeder
Rede erst mal alles Böse bei Juden, Roma, Ausländern, Ungarn und
anderen Nichtrumänen sucht und findet. Wie sind Leute drauf, bei
denen solche Propaganda packt, und welche gesellschaftlichen
Zustände stehen dahinter?
Doch aus Deutschland sollte man sich mit Belehrungen
zurückhalten. Deshalb wollen wir lieber versuchen, die Verhältnisse
und ihre Hintergründe zu erkunden. Vier thematische Schwerpunkte
haben wir uns dazu vorgenommen:
Das Antonescu-Regime
Nach 1989, nach dem Sturz des Ceaucescu-Regimes, wandten viele
den Blick zurück auf die mythisch verklärte Zeit vor 1945. Die
faschistischen Machthaber unter Marschall Antonescu (1940-1944)
wurden nach 1945 marginalisiert und dienen heute wieder als
Identifikationsfiguren. An den Deportationen in die
nationalsozialistischen Vernichtungslager hat sich Rumänien nicht
beteiligt; die mehr als 400.000 jüdischen Opfer wurden bei der von
Rumänien selbst erledigten Deportation nach Transnistrien
umgebracht. Im Nachhinein wird dies als die -Rettung der
Judenverkauft. So wurden nach 1989 zentrale Straßen in vielen
Städten nach Antonescu benannt. Erst nach internationalem Druck
wurden sie Mitte der 90er Jahre fast alle erneut, teils widerwillig,
umbenannt die Kritik an Antonescu wurde aber vielfach als
antirumänisch abgekanzelt. In den letzten Jahren tobt ein
Historikerstreit um die Bewertung des Antonescu-Regimes, in dem die
kritische Position es schwer hat. Wir wollen ergründen, woher dieser
Antonescu-Kult kommt und worin er besteht und uns zu diesem Thema
auch mit der Bukarester Historikerin Lya Benjamin unterhalten, einer
der wichtigsten Kritikerinnen.
Der "Nationale Kommunismus" von Nicolae Ceaucescu
Der "Nationale Kommunismus" in Rumänien unter Ceaucescu war eine
besonders autoritäre Variante des Staatskapitalismus. Führerkult,
Autoritarismus, brutale Bevölkerungspolitik mit Abtreibungs- und
Verhütungsverbot, Nationalismus, die Erhabenheit des rumänischen
Volks, Rassismus und der grandiose Überwachungsapparat der
Securitate kennzeichnen diese Epoche. Wie prägt diese Zeit die
heutige rumänische Gesellschaft?
Kritischer Geist heute
Auffällig ist, dass kritische Initiativen und Organisationen in
Rumänien ziemlich unauffällig sind. Gibt es tatsächlich so wenige
Gruppen und Initiativen in Rumänien, wie es scheint? Und wenn ja,
wie lässt sich dies erklären? Wie hängen mögliche Ursachen zusammen?
Welche Rolle spielt die ökonomische Misere? Und: Nicht einmal eine
Revolution kapitalismuswilliger DemokratInnen hat es im Gegensatz zu
vielen anderen Ländern Osteuropas in Rumänien gegeben die Macht
wurde von der zweiten Reihe hinter Ceaucescu übernommen, Leuten um
Ion Iliescu, die sich kurzerhand zu demokratischen Revolutionären
erklärten und fortan Reformen nur machten, wo das internationale
Ansehen oder die angestrebte EU-Mitgliedschaft dies erforderte. Die
Regierenden hatten in den Anfangsjahren wenig Anlass, unbequeme
KritikerInnen zu ermutigen, wie dies in bürgerbewegteren
Transformationsländern der Fall war, so dass es auch heute nur
wenige potentielle Nörgler gibt.
Jüdisches Leben in Rumänien
Gab es in Rumänien einstmals eine große jüdische Gemeinde, so
sind heute gerade noch 12.000 Jüdinnen und Juden übrig. Wer den
Holocaust überlebt hatte, wanderte in den folgenden Jahrzehnten aus
oder versuchte seine jüdische Identität vergessen zu machen man
konnte nie wissen, ob es nicht doch wieder losgeht. In den letzten
zehn Jahren jedoch wurde einiges an jüdischem Leben aufgebaut.
Gemeinsam mit unserer Partnerorganisation, jungen AktivistInnen
der Bukarester jüdischen Gemeinde und der Jewish Agency for Israel,
die uns im letzten Jahr in Berlin besucht haben, wollen wir diesen
Fragen nachgehen und uns Zeit für Diskussionen nehmen. Zudem werden
wir eine Reihe Gruppen und Organisationen treffen
Menschenrechtsgruppen, Roma-Initiativen, Frauenorganisationen,
kritische Intellektuelle. Darüber hinaus möchten wir auch unsere
Kritik an den Verhältnissen in Deutschland mit unseren PartnerInnen
diskutieren, beispielsweise Antisemitismus in Deutschland, die
Rezeption des Nahostkonflikts oder andere Themen. Das hängt vom
Interesse der Gruppe, die schließlich nach Rumänien fahren wird, und
vom Interesse unserer GastgeberInnen ab.
Die Fahrt wird voraussichtlich nach Timisoara oder in eine
Großstadt Transsylvaniens (Siebenbürgen) sowie definitiv nach
Bukarest gehen. Die Unterbringung in Bukarest wird in einem schönen
Hostel nahe der Innenstadt sein. Wer möchte, kann die Reise auf
eigene Faust und eigene Kosten gerne verlängern ob zurück nach
Transsylvanien oder an die Schwarzmeerküste Rumänien ist ein
angenehmes und unkompliziertes Reiseland.
TeamerInnen: Stella (Stella@iak-net.de)
und Michael (michael@iak-net.de)
Der Teilnahmebeitrag wird voraussichtlich zwischen 300 und 400 Euro
liegen.