Galtung und "Graswurzel":
Gewaltlose Erkenntnisblockade
Von Karl Pfeifer
Der Friedensforscher Johan Galtung hat am 16.9.02 einen
Artikel im Wiener "Der Standard" veröffentlicht, in dem er Verständnis für die
islamistischen Selbstmordattentäter und deren Terror aufbringt, denn: "Das
langzeitige Ziel der islamischen Fundamentalisten scheint es zu sein, Respekt
für religiöse Empfindlichkeiten zu erringen." Für
Galtung steht Terrorismus auf einer Ebene mit dem staatlichen
Gewaltmonopol und der Verteidigung eines angegriffenen Staates. In
Wirklichkeit ist ein solcher "Pazifismus" eine Parteinahme für die
Terroristen, denen er noble Ziele zugesteht. All das erinnert an die
britischen Pazifisten vor und während des zweiten Weltkrieges, die
den Nazi auch noble Ziele zugestanden und die - und das hat George
Orwell nachgewiesen - praktisch Partei für die Nazi ergriffen haben.
Wenn die Alliierten nicht gesiegt hätten, wäre ich nicht am Leben,
denn die deutsch-österreichische Volksgemeinschaft hat mich - als
Sohn jüdischer Eltern - zum Tod verurteilt. Die Alliierten mußten
Gewalt anwenden, denn die Nazi waren für freundliche Worte genauso
wenig empfänglich wie die islamistischen Terroristen.
Um es klipp und klar zu sagen, ich habe in der Vergangenheit einiges
auf mich genommen, um als Journalist für die Menschenrechte von
Pazifisten zu wirken, bin selbst aber kein Pazifist. Mein Standpunkt
war auch den Redakteuren der deutschen Zeitschrift "Graswurzel"
bekannt. Trotzdem störte sie das nicht und sie veröffentlichten
einige Artikel von mir, für die ich kein Honorar verlangte.
Ich schlug unlängst der Redaktion von "Graswurzel" vor, einen
Artikel über "Neue Historiker in Israel" zu veröffentlichen und
sandte meinen Artikel an die Redaktion. Ich
erhielt eine Mitteilung, dass dieser Artikel nicht veröffentlicht
werden kann, denn 1) ich bin nicht gewaltfrei. Was natürlich der
Redaktion bekannt sein mußte und was sie bisher auch nicht gestört
hat, solange ich nicht versucht habe über den Konflikt
Israel/Palästinenser zu schreiben. 2) Ein Einwand gegen mein Artikel
lautete: "Nur ganz kurz. Ich kenne einige Texte von Ilan Pappe.
Seine Position wird hier in keinster Weise korrekt wiedergegeben.
Auch wenn ich Pappes Position nicht teile, sollte er und die "neuen
Historiker" Israels schon richtig dargestellt werden.
Ich halte einzelne Sätze - wie den hier folgenden - im Artikel für
nicht akzeptabel: "Während die jüdischen Führer im Lande blieben,
hat die arabische Führung die Angriffe hauptsächlich gegen jüdische
Zivilisten - mit den Methoden von 1936-39 - aus dem Ausland
geführt." Was ist damit gemeint?" fragt ein sich naiv stellender
Gewaltloser und nimmt einen einzelnen Satz aus dem Kontext heraus.
Eingebettet in diesen meinen Text ist dieser Satz
allgemeinverständlich: "Sofort nach dem Beschluß der Vereinten
Nationen am 29.11.1947 das Mandatsgebiet zu teilen, griffen Araber
wahllos jüdische Zivilisten an, und es kam zu bürgerkriegsähnlichen
Zuständen - wobei die Juden sich meistens verteidigten und die
Briten zusahen. Am 15. Mai 1948 überfielen
die regulären arabischen Armeen den soeben entstandenen jüdischen
Staat und es kam zu einem Krieg, der erst 1949 mit einem
Waffenstillstand endete. Das Leiden der arabischen Flüchtlinge ist
Ergebnis dieser Kämpfe und kann nicht von diesen losgelöst
betrachtet werden. Sie wurden Opfer der Politik ihrer verblendeten
Führer, die jeden Kompromiß mit den jüdischen Nachbarn ablehnten und
das hat überhaupt nichts mit der Schoah zu tun. Die Juden kämpften
mit dem Rücken zur Wand, die Araber hatten ein weites Hinterland.
Doch während die jüdische Gesellschaft Jahrzehnte der Erfahrung
einer demokratischen Selbstverwaltung gemacht hatte, basierte die
arabische Gesellschaft auf ganz andere Prinzipien und war
zerstritten und schwach. Noch vor der Invasion der arabischen Armeen
sind die meisten wohlhabenden aus dem Kriegsgebiet geflüchtet.
Obwohl beispielsweise der jüdische Bürgermeister von Haifa den
arabischen Bürgern Schutz des Lebens und Eigentums zusicherte und
sie inständig bat nicht zu flüchten, schätzt man dass 50-75% der
arabischen Einwohner von Jaffa und Haifa geflüchtet sind. Während
der letzten sechs Wochen des Mandats haben die Juden den größten
Teil des Territoriums besetzt, das ihnen von der UNO zugeteilt
wurde, und in dieser Zeit sind 250.000 - 300.000 Araber von sich aus
geflüchtet. Während die jüdischen Führer im Lande blieben, hat die
arabische Führung die Angriffe hauptsächlich gegen jüdische
Zivilisten - mit den Methoden von 1936-39 - aus dem Ausland
geführt." All diese Angaben sind auch im
Buch des "neuen Historikers" Benny Morris über die Entstehung der
palästinensischen Flüchtlingsfrage enthalten. Doch diese Fakten
stören offensichtlich die Redakteure von "Graswurzel". Sie
bevorzugen daher weiterhin ihre Erkenntnisblockade zu pflegen. Bitte
nur keine unbequeme Wahrheiten, denn die gefährden die eigenen
"Narrative".
hagalil.com
20-10-02 |