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Dokumentation in Hohenems:
Paul Grüninger - eine unangenehme Sache?

Anlässlich des 110. Geburtstag von Paul Grüninger am 27. Oktober 2001, zeigte das Jugendzentrum Konkret in Zusammenarbeit mit Transmitter und dem Jüdischen Museum Hohenems (Österreich) den Dokumentarfilm zum gleichnamigem Buch "Grüningers Fall". Die Vorführung fand in Anwesenheit der Tochter Ruth Roduner-Grüninger in der ehemaligen Synagoge, die nach dem Krieg in ein Feuerwehrhaus umgebaut wurde, statt.

Die Dokumentation berichtet über den Grenzübergang Hohenems (A) – Diepolsau (CH) zu Kriegszeiten und den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich. Juden waren in Österreich nicht mehr sicher und suchten den Weg ins Ausland und Übersee. Der hiesige Grenzübergang wurde für viele die letzte Hoffnung. Der St. Galler Polizeiinspektors Paul Grüninger setzte sich über die Einreisebestimmungen der Schweizer Behörden hinweg und ermöglichte somit fast 3.000 Juden den Grenzübertritt. 

Die Zahl der Flüchtlinge wurde immer mehr, und als in gewissen Behördenkreisen bekannt wurde, dass Paul Grüninger Juden in die Schweiz einreisen ließ, wurde er über Nacht seines Dienstes suspendiert, und schließlich nach einer Gerichtsverhandlung seine Amtes enthoben. 

Über Nacht war ein Fluchtweg gesperrt. Am Grenzübergang wiederholten sich täglich dramatische Szenen der Rückweisung, welche in den sicheren Tod der Konzentrationslager führten. Der Dokumentationsfilm lässt jene glücklichen Menschen sprechen, welche Dank Paul Grüninger überlebt haben. Er war für sie einer der Gerechten unter den Völkern. Er war einer, den sie in ihrem Leben nicht vergessen. 

Bei den meisten Schweizern war Paul Grüninger der üblen Nachrede verfallen. Selbst nach dem Krieg wurde ihm stets vorgehalten, für Geld und Liebe der Frauen die Einreise ermöglicht zu haben. Tatsache war jedoch, dass die Familie Grüninger kein Geld hatte, ja nicht einmal für einen Verteidiger bei Gericht. Der mutwillig erfundene schlechte Ruf verfolgte ihn auch in den Nachkriegsjahren. Von behördlicher Seite wurde er in keinem Amt mehr eingestellt. Selbst seinen erlernten Beruf als Lehrer konnte er nicht mehr ausüben. Als Versicherungsvertreter, Verkäufer und in sonstigen Tätigkeiten hat er der Familie einen bescheidenen Lebensunterhalt geboten. Erst dreiundzwanzig Jahre nach seinem Tod erfolgte 1995 die Rehabilitierung. 

Im Anschluß an den Film erzählte Frau Ruth Roduner Grüninger bewegend über ihren Vater. Details und Episoden ergriffen das Publikum. Fazit von der Tochter: "Auch wenn mein Vater Beruf, Stellung und Ansehen verloren hatte, er war in seinem Leben stets ausgeglichen und glücklich. Er wusste, dass sich das hinwegsetzen über Bestimmungen lohnte, für jene, welche überlebten und welche für ihn sprachen."

Die Vorstellung im Garagenraum war eher dürftig mit Personen besetzt. Das gewohnte Museumspublikum war nicht gekommen. Warum nur? Beklemmend wirken die Szenen der jubelnden Österreicher zum Anschluss. Das innerste Gefühl des objektiven Betrachters wird getroffen, wenn Zeitzeugen Situationen beschreiben, als die Flüchtlinge an der Grenze zurückgewiesen wurden. Hohenems wurde die letzte Station vor den Konzentrationslagern. 

Dem Besucher bleibt ein Stimmung, welche eiligst verdrängt werden soll. Es ist lange her, aus und vorbei, aber halt, war da nicht die Archivkameraeinstellung des Grenzüberganges. War da nicht das Brückengeländer, welches immer noch das Gleiche ist. Wie unbequem! Bei jedem Grenzübertritt in die Schweiz, assoziiert der Besucher künftig Juden und Schoah und unbequeme Geschichte. Es wäre doch besser gewesen, wie das übliche Museumspublikum fern zu bleiben, um dieser lästigen Geschichte entfliehen zu können.

Stefan Keller:
Grüningers Fall
Geschichten von Flucht und Hilfe

Rotpunktverlag Zürich,
30,01 DM, 15,34 Euro

mf / hagalil.com / 02-11-2001

 


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