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Österreich läßt Neonazi am Heldenplatz aufmarschieren

Von Karl Pfeifer

Rund 150 Neonazis und Rechtsextreme versammelten sich am 13.4. am Wiener Heldenplatz, um gegen die Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944" zu demonstrieren bzw. auf Transparenten ihren "Großvätern" zu danken. Am gleichen Heldenplatz brüllten am 15. März 1938 hunderttausende Österreicher "Ein Volk, ein Reich, ein Führer" und "Sieg Heil", nachdem Adolf Hitler den Anschluss seiner Heimat an das "Dritte Reich" bekanntgab.

5000 Österreicher demonstrierten dagegen, dass die Behörden es den Neonazi gestattet hatten auf diesem Platz in der Mitte Wiens aufzumarschieren. Die Polizei sperrte den Heldenplatz für die Demokraten und ging gegen diese mit Wasserwerfern und Pfefferspray vor, einzelne Teilnehmer wurden brutal zusammengeschlagen. Unter den Demonstranten waren auffallend viel 15-16jährige und ein paar Vermummte, die - als man sie nicht zum Heldenplatz ließ - auch Steine auf die Polizei warfen.

Unter den Teilnehmern der Neonazidemonstration war auch Mathias Konschill (Burschenschaft Olympia) der bei den letzten Wiener Wahlen für die FPÖ kandidierte. Mindestens zwei Teilnehmer trugen Hakenkreuze am Ärmel. Vertreter des neonazistischen "Deutschen Kollegs" aus Würzburg verteilten Flugblätter. Darin stand unter anderem, die "Nähe zu Zielen und Methoden der Westmächte ist vom deutschen Standpunkt aus der einzige gegen Hitler zu erhebende Vorwurf".

Der Zweite Weltkrieg wurde zum "antideutschen Vernichtungskreuzzug" umgelogen und über das "Dritte Reich" schrieb das "Deutsche Kolleg", es hätte "Europa bis 1945 vor der asiatischen Despotie auf der einen Seite und der Diktatur des Kapitals auf der anderen" gerettet. Im Anschluß an die Kundgebung zogen zudem ca. 100 Teilnehmer - mehrheitlich Skinheads - durch die Innenstadt und skandierten "Hier marschiert der nationale Widerstand", "Ausländer raus", "Deutschland den Deutschen", "Sieg Heil". Auch wurden Stabreime gesungen, die Wörter wie "Türkenklatschen", "SA" und "SS" beinhalteten.

Das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes hat rechtzeitig dokumentiert, dass Neonazi zur Teilnahme an dieser Demonstration gegen die Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht" aufriefen, darunter auch die "Kameradschaft Germania" (KSG Wien), die nicht als Verein registriert ist. Auf ihrer Homepage ist die Rede vom "Holocaust-Lügengebäude der Juden zum Zweck des Abzockens" und dass sich "Millionen Holo-Tote (...) wie durch ein Wunder in Luft aufgelöst (haben)". Aber dennoch zwinge "die perverse deutsch-österreichische Justiz jeden Menschen an diesen Schwachsinn, diese Naturwidrigkeit und diese Chuzpe-Narretei unter Androhung von mehrjährigen Kerkerstrafen zu glauben".

Da die neonazistische KSG Wien diese Demonstration nicht organisieren konnte, sprangen Wiener Burschenschafter in die Bresche. So meldete das Mitglied der Akademischen Grenzlandsmannschaft Cimbria, Clemens Otten, als Sprecher der veranstaltenden "Plattform gegen Schändung des Andenkens Verstorbener" diese Demonstration bei den Behörden an. Die berüchtigte Wiener Burschenschaft Olympia hat ein Link zur Seite der rechtsextremistischen "Wiener Nachrichten" Online (WNO) gelegt, wo die Kundgebung erwähnt wird.

Auch mit der Parole "Keine Schändung des Andenkens Verstorbener" auf ihrer Homepage signalisiert die Burschenschaft Olympia, die den FPÖ-Nationalratsabgeordneten Martin Graf, zu ihren "Alten Herren" zählt, ihre ideologische Nähe zur Mobilisierung gegen die Wehrmachtsausstellung. Alles in allem stellt die Kundgebung und ihre Vorgeschichte einen weiteren Beleg für die engen Kontakte zwischen Neonazis und Burschenschaftern dar.

Diese Erkenntnisse und Recherchen waren auch der Polizei bekannt. Die Bundespolizeidirektion Wien hätte die Anmeldung der Kundgebung gegen die Wehrmachtsausstellung auch hinsichtlich eines möglichen Verstoßes bzw. möglicher bei der Kundgebung zu erwartender Verstöße gegen das NS-Wiederbetätigungsverbot überprüfen müssen. Es lagen zahllose Indizien und deutliche Hinweise vor, dass es bei dieser angemeldeten Versammlung zu Verstößen gegen das Gesetz kommen werde.

Ein Blick in den Verfassungsschutzbericht des Bundesdeutschen Verfassungsschutzes hätte genügt, um festzustellen, dass diese Kameradschaften zur "neonazistischen Szene" gehören und diese "Kameradschaft" nichts anderes ist, als ein Versuch, einem Verbot nach dem NS-Verbotsgesetz zu entkommen bzw. zu entgehen.

Die gesetzlichen Grundlagen

Die Republik Österreich hat sich durch den Staatsvertrag von Wien 1955 unverbrüchlich dazu verpflichtet, aus dem österreichischen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben alle Spuren des Nazismus zu entfernen, um zu gewährleisten, dass nationalsozialistische Organisationen nicht in irgendeiner Form wieder ins Leben gerufen werden, und um alle nazistische oder militaristische Tätigkeit und Propaganda in Österreich zu verhindern (Art. 9 Staatsvertrag 1955). Diese Bestimmung steht im Verfassungsrang und hat oberste Maxime für alle Organe und Funktionsträger der Republik Österreich zu sein. Die Bestimmung ist unmittelbar anwendbar und hat die Nichtigkeit aller diesen Geboten widerstreitenden Handlungen zur Folge.

Durch das 1947 erlassene Gesetz, das jede nationalsozialistische Aktivität verbietet und durch die Novellierung dieses Gesetzes ist jegliche Aufforderung oder Verleitung zu nationalsozialistischer Wiederbetätigung und jede "andere" Form der nationalsozialistischen Wiederbetätigung unter Strafe gestellt.

In einer Aktion "Haltet den Dieb" hat die Polizei den Grünen Parlamentsabgeordneten Karl Öllinger angezeigt, der an der antinazistischen Demonstration teilgenommen hat und dem vorgeworfen wird die Arbeit der Polizei behindert zu haben. Der Abgeordnete sah wie Polizisten "vorgestürmt" seien. Auf Seite der Demonstranten habe es ein paar Verletzte gegeben, "und die waren mit Sicherheit unschuldig". Als Öllinger einen Polizisten nach seiner Dienstnummer fragte, bildeten Polizisten einen Kordon um den grünen Abgeordneten und er berichtet: "unter den Plastikschildern wurde ich gegen das Schienbein getreten. Das ist die Gewalt, die gegen mich unmittelbar ausgeübt worden ist."

Im Parlament kam es zu ungeheuerlichen Beschuldigungen gegen Öllinger und gegen die Grünen, um davon abzulenken, dass gerade die Grünen schon vor der Neonazi-Zusammenrottung deren Verbot gefordert hatten. Diesmal war der aggressivste Vertreter der rechts-rechtsextremen Koalition ÖVP-Klubobmann Andreas Khol, der es sogar wagte in einer Presseaussendung dies von sich zu geben:

"Eine Aktionsgemeinschaft aus Grünen, linken Chaoten, gewaltbereiten Anarchisten sind unter Beteiligung des grünen Nationalratsabgeordneten gewalttätig gegen die Exekutive vorgegangen und haben diese mit Pflastersteinen und Holzlatten beworfen."

Karl Öllinger klagt nun Khol wegen "übler Nachrede". Die Grünen haben bei der Staatsanwaltschaft sowohl gegen die Neonazi als auch gegen die Polizisten, die österreichische Gesetze nicht befolgten, als sie diese Nazidemonstration nicht verhinderten eine Sachverhaltsdarstellung eingebracht. Ob die disziplinär Dieter Böhmdorfer, dem Justizminister und ehemaligen Anwalt Jörg Haiders unterstellten Staatsanwälte es wagen werden die österreichischen Gesetze nicht einzuhalten ist abzuwarten.

Unter der Führung von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und Klubobmann Andreas Khol entwickelt sich die Österreichische Volkspartei, die nach der Befreiung durch die Alliierten 1945 Mitbegründerin der Republik Österreich in ihrer heutigen Form war, weit nach rechts. Um weiterhin am Ministersessel kleben zu können, sind sie anscheinend bereit die Verletzung von Verfassungsgesetzen zu tolerieren.

 hagalil.com / 20-04-2002

 


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