"Die Rassisten
und der Ruf zur blinden Allianz"
Kommentar in al-Sharq al-Awsat zur Wahl von Jean-Marie Le Pen
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Nach dem Erfolg des französischen Rechtsextremen Jean-Marie Le Pen im
ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahl in Frankreich veröffentlichte
die in London erscheinende arabischsprachige Zeitung al-Sharq al-Awsat
einen Kommentar, in dem die Gefahren dieses Wahlergebnisses für das
gesellschaftliche Klima gegenüber Migranten herausgestellt werden. Der
Autor des Artikels, ’Abd al-Rahman al-Rashid, wendet sich dabei gegen
arabische Stimmen, die in Le Pen und anderen europäischen
Rechtsextremisten potentielle Bündnispartner erkennen. Der Artikel
erschien am 23. April 2002 unter der Überschrift "Die Rassisten und der
Ruf zur blinden Allianz":
"Ebenso wie der Sieg der
rechtsextremistischen Partei Haiders in Österreich löste auch der Erfolg des
Extremisten Jean-Marie Le Pen im ersten Durchgang der französischen Wahlen bei
einigen Arabern Genugtuung aus. Diese Araber beschrieben diese Wahl als einen
Schlag gegen die Zionisten. Reicht es aus, daß ein Haider, Le Pen oder irgendein
anderer die Zionisten haßt, um unsere Zustimmung zu erlangen?
Diese schräge Logik zeigte sich vor einem Jahr bei einer Fernsehsendung, in der
eine Frau zu Gast war, die sich vom Sieg der Rechtsextremisten in Österreich
erfreut zeigte, da diese anti-israelische Positionen vertreten würden. Ihr
Gegenüber versuchte ihr ohne Erfolg zu erklären, dass es selbst aus taktischen
Gründen falsch sei, den Rassisten zu wählen – etwa nach dem Motto: Der Feind
meines Feindes ist mein Freund. Es sei prinzipiell ein schwerer Fehler, der den
Arabern in Europa schade. Ich erinnere mich an ihre Antwort, daß es sie nicht
kümmere, was den Arabern in Europa geschieht. Sie interessiere vielmehr, was dem
palästinensischen Bürger in seinem besetzten Land zustieße.
Mit dem Sieg der Rechten und der Niederlage der Sozialisten wiederholt sich
diese Situation heute in Frankreich. Der Extremist Le Pen verliert keine Zeit,
um in aller Offenheit seine Ideen kundzutun. Er habe wegen seiner antiarabischen
Einstellung, genauer gesagt [wegen seiner Haltungen] gegen die Algerier und
Marokkaner, gesiegt. Er gab bekannt, dass er es mit seiner Ablehnung des Rechts
auf doppelte Staatsbürgerschaft auf sie abgesehen habe und nach gesetzlichen
Mitteln und Vorwänden suchen werde, um eine möglichst große Zahl von ihnen
auszuweisen.
Was sollen wir von dieser negativen Entwicklung halten? Sollen wir den
Rechtsextremisten begrüssen, nur weil er die Juden haßt? Die wichtigere Frage
ist, ob wir davon ausgehen, dass sich in unserem Leben die Trennlinie [von
anderen Menschen] allein nach dem Verständnis der arabischen oder irgendeiner
anderen Sache bestimmt. Es ist absolut bedauerlich, dass die Ignoranz soweit
geht, dass einige Araber für die westlichen Nazis und Rassisten Partei
ergreifen, nur weil ihre Haltung mit der unseren in irgendeinem Punkt –
beispielsweise der Ablehnung Israels oder der Unterstützung des Iraks –
übereinstimmt. Es ist bedauerlich, wenn Milosevic und seine Gefolgschaft von
einigen Arabern aus Sympathie mit seinem Widerstand gegen die sogenannte
‚amerikanische Aggression’ Applaus erntet. Es ist bedauerlich zu sehen, wie in
arabischen Hauptstädte der roten Teppich für jeden Extremisten ausgerollt wird,
der seine häßlichen Meinungen – beispielsweise die Forderung, alle Muslime aus
Russland auszuweisen - öffentlich verkündet. Bedauerlich ist es auch zu sehen,
wie der Sieg Haiders, Le Pen oder anderer Faschisten bejubelt wird, nur weil sie
im selben Schützengraben stehen. Was ist das für eine Ehre, in diesem Graben des
Hasses zu stehen?
Ich würde gerne wissen, wie sich heute diejenigen fühlen, die vorschnell
Synagogen angriffen. Heute, nachdem sie vom Sieg des Extremisten Le Pens gehört
haben, ihrem Feind und dem Feind Frankreichs. Die Araber Frankreichs sitzen mit
den Juden Frankreichs im selben Boot - gegen Le Pen.
Sicherlich gibt es manchmal Interessensgegensätze, jedoch kann man die
Befürwortung des Rassismus nicht rechtfertigen, denn es irrt, wer glaubt, dass
es einen löblichen und einen ablehnungswürdigen Rassismus gibt. Der Europäer,
der den Juden feindlich gegenüber steht ist, ist in Wirklichkeit auch den
Arabern, den Schwarzen und anderen Menschen feindlich gesonnen.
Als die besagte Frau [in der Talkshow] ihre Haltung gegenüber den
Rassisten mit dem Nutzen für die Millionen unterdrückter Palästinenser
begründete, auch wenn es auf Kosten der Araber in Europa gehe, vergaß
sie, dass die Zahl der Araber in Frankreich höher ist als die der
Palästinenser. Man kann ihre Existenz nicht als Nebensache abtun und
ihre Sache nicht billig verkaufen."
MEMRI Special Dispatch – 25. April 2002
hagalil.com / 28-04-2002 |