Jean-Marie Le Pen, Chef der rechtsextremen Partei Front nationale,
kann nach der ersten Runde der Präsidentenwahl in Frankreich einen
extremen Wahlsieg verbuchen. Auch wenn er in der Stichwahl am 5. Mai
wohl keine Chancen gegen Amtsinhaber Jaques Chirac hat, das Ergebnis ist
mehr als besorgniserregend.
"Nieder mit dem Faschismus", "Stoppt Le Pen", "Schande für
Frankreich" hieß auf den Transparenten der Demonstranten, die sich zu
Zehntausende auf den Straßen versammelt hatten, um spontan gegen das
Ergebnis zu protestieren. In Paris kam es zu gewaltsamen
Auseinandersetzungen mit der Polizei. Mittlerweile hat sich eine breite
politische Front gegen Le Pen geschlossen. „Um den Rechtsradikalen den
Weg zu versperren, müssen wir uns dazu entschließen, in der zweiten
Runde für Chirac zu stimmen“, so beipielsweise der grüne
Präsidentschaftsbewerber Noël Mamère.
Mit Le Pen hat erstmals ein Rechtsextremer um die französische
Präsidentschaft erreicht. Er erhielt 17,9 % der Stimmen, Amtsinhaber
Jaques Chirac kam auf 19,9 Prozent. Der sozialistische Kandidat,
Premierminister Lonel Jospin, erhielt lediglich 16 %. Zum ersten seit
1969 ist damit der sozislistische Kandidat nicht in der Stichwahl.
Alle europäischen Nachbarn nannten das Ergebnis "alarmierend" und
"beunruhigend". Auch in Israel wurde der Wahlausgang zum großen Thema in
den Medien, obwohl man normaler Weise wenig Nachrichten aus Europa
bringt. Der israelische Innenminister Eli Jischai riet den Juden in
Frankreich sogar, ihre "Koffer zu packen und nach Israel auszuwandern".
Doch darum geht es hier nicht. Chirac wird aus der Stichwahl als
klarer Sieger hervor gehen. Die Wahl spiegelt wieder, was sich seit
Jahren abgezeichnet hat und in den vergangenen Monaten und Wochen
zugespitzt hat. Es geht weniger um Antisemitismus als um Fremdenhaß und
Extremismus im allgemeinen. Le Pen sprach nach seinem Wahlerfolg von
einer "historischen Chance des nationalen Wiedererstarkens".
Sprecher der jüdischen Gemeinschaft in Frankreich sind vor diesen
Tönen offensichtlich ebenfalls nicht gefeit. Das Wahlergebnis sei eine
Warnung an die Muslime des Landes und würde dadurch helfen, antijüdische
und antiisraelische Sentiments im Land zu reduzieren, so Roger
Cukierman.
Reichlich kurzsichtig. Das Ergebnis ist Ausdruck eines
weitverbreiteten Rassismus und mit diesem auch eines ausgeprägten
Antisemitismus. Le Pen, der den Holocaust einmal als ein "Detail der
Geschichte" bezeichnet, wurde mit Parolen wie "Frankreich den Franzosen"
groß. Solche Sätze sollten gerade im jüdischen Gedächtnis Alarmglocken
schrillen lassen!