Schröder in Tschechien:
Proteste der Lausitzer Sorben
Von Petr
Vasicek
Zum Gedenken
an den Einmarsch sowjetischer Truppen in die Tschechoslowakei vor 33
Jahren besuchte
Bundeskanzler Gerhard Schröder im Rahmen seiner Sommerreise auch
Tschechien.
Nach einem Besuch im Skoda-Werk
in Mladá Boleslav und einem Mittagessen mit seinem Prager Amtskollegen
Miloš Zeman und weiteren Regierungsmitgliedern auf dem Antonin Dvorak- Schloss Sychrov ging
es nach Liberec. Aus Zeitgründen entfiel zwar eine Diskussion mit Schülern des
zweisprachigen F.X.Šalda-Gymnasiums. Dafür besuchte Schröder jedoch die
Synagoge mit angebauter Regional-Bibliothek, einem Beispiel
zeitgenössischer tschechischer Architektur – da hat Liberec ja schon
Tradition, cfr. Hubáleks legendären Fernsehturm auf dem
Ješted… - und Symbol deutsch-tschechischer "jumelage", feierlich
eröffnet vor knapp 1 Jahr. Die Synagoge ist der erste Neubau eines
jüdischen
Gotteshauses
in Mitteleuropa nach 1945.
Sichtlich überrascht war der deutsche Kanzler von einer Demonstration
Lausitzer Sorben,
die gegen die geplante Schliessung zweisprachiger Schulen durch
die sächsische Staatsregierung
protestierten. Laut Auskunft ihrer Vertreter – die Sorben sind ein
kleines slavisches Volk ohne eigenes Staatsgebiet, im
Dreiländereck Polen, Tschechien und Deutschland beheimatet mit den
bekannten Städten Zittau oder Bautzen – beabsichtigt Dresden im
absoluten Widerspruch zu sämtlichen internationalen Abmachungen die
Auflösung jener Schulen in Richtung und Tradition wohlbekannter und
übler Germanisierung.
Die Lage dort ist trist: Probleme wie hohe Arbeitslosigkeit,
Überalterung und Auswanderung in die sog. Alten Bundesländer machen das
Dreiländereck zu einem Paradigma für innenpolitische Problematik der
Bundesrepublik schlechthin. Schröder wurde gebeten, diesen gefährlichen
Tendenzen von kurzsichtigen Provinzpolitikern Einhalt zu gebieten. Nach
dem Modell Südtirols hätte Prag zwar das Patronat über die Lausitzer
Sorben
übernommen, übt dieses jedoch kaum aus.
Dass dieser Protest gerade in Liberec
stattfand, als Reichenberg von
1938 bis 1945 Hauptstadt des Reichsgaues Sudentenland, entbehrt nicht
einer weiteren Brisanz. Der Kanzler ist hier also in einer bis dato
nicht bekannten Richtung gefordert. Angesichts seiner recht hohen
Popularität in Tschechien
werden baldige konkrete Schritte von ihm erwartet.
haGalil onLine 27-08-2001 |