Juden im
spanischen Bürgerkrieg:
"Schalom Libertad!" |
Rezension |
Von Andrea Übelhack
Arno Lustiger legte 1989 mit seinem Buch über Juden im spanischen Bürgerkrieg
ein Werk vor, daß eine besonders latente Forschungslücke schloß. Natürlich waren
auch Juden unter den Interbrigadisten, sie fanden jedoch bisher keine Erwähnung
in der Literatur oder wurden den anderen Nationalitäten untergeschoben. Die
überarbeitete Neuausgabe 2001 im Aufbau Taschenbuch Verlag, eines der wenigen
Projekte aus deutschen Verlagen zum 65. Jahrestag der Bildung der
Internationalen Brigaden, erinnert nochmals an diesen Mißstand.
Arno Lustiger wurde 1924 in Polen geboren. Er überlebte die Konzentrationslager
Auschwitz und Buchenwald und lebt seit 1945 als freier Schriftsteller und
Publizist in Frankfurt am Main. Dort half er bei dem Aufbau der Jüdischen
Gemeinde und ist Ehrenvorsitzender der Zionistischen Organisation in
Deutschland. Wie auch in seinen vorherigen Büchern wollte er mit "Schalom
Libertad!" ein Zeugnis ablegen, daß belegt, daß die europäischen Juden
keineswegs widerstandslos in die Konzentrationslager gingen.
Die Teilnahme jüdischer Kämpfer und Kämpferinnen am spanischen Bürgerkrieg ist
für Lustiger das Aufbegehren gegen den Faschismus und die Bekundung eines
starken Internationalismus, der unter Juden offensichtlich stark ausgeprägt war.
Dies bestätigt nicht nur die Zahl der jüdischen Spanienkämpfer, sondern auch die
Berichterstattung in den Medien.
Bei der Erstausgabe waren noch alle Archive im Ostblock verschlossen. Trotzdem
musste Lustiger fast keine Korrekturen für die Neuausgabe vornehmen, obwohl er
sich auf die Aussagen ehemaliger Interbrigadisten verlassen hat. Die Quellenlage
ist allgemein schwierig, da zahlreiche Zeitungsarchive durch die Nazis zerstört
wurde. Nur Archive in den USA besitzen noch Zeitungsbestände. Aus diesen Quellen
geht klar hervor, "daß die Juden ohne Rücksicht auf ihre ideologische Position,
ob sozialistisch, zionistisch oder bürgerlich oder selbst religiös, sich für die
Republik ausgesprochen haben, im Gegensatz zu weiten Teilen der allgemeinen
Öffentlichkeit in den jeweiligen Ländern." Juden bezeichneten die Rebellen auch
als erstes mit dem Wort "Faschisten". Die Presse warnte früh vor den
Konsequenzen eines Sieges Francos und den Folgen für die jüdische Bevölkerung
Spaniens.
Die Unterstützung war vor allem in den
USA überwältigend. Nach einer Umfrage aus dem Jahr 1938 unterstützten 75% des
amerikanischen Volkes die Republik, darunter natürlich auch die jüdische
Bevölkerung, die nicht nur verbal, sondern vor allem im Rahmen von Geld- und
Sachspenden tätig wurde.
Der Frage, wie viele Juden nun tatsächlich in Spanien kämpften, nähert sich
Lustiger zögernd. Zu sehr erinnere sie an die Judenzählung im deutschen Heer
während des Ersten Weltkrieges, als nach der Behauptung, die Juden würden sich
vor dem Frontdienstdrücken, eine große Zählung der jüdischen Soldaten angeordnet
wurde.
Lustiger kommt zu dem Schluß, daß in Spanien rund 6000 Juden kämpften, eine
Schätzung, die durch eine interne Akte im Archiv des spanischen
Außenministeriums aus dem Jahr 1939 bestätigt wird.: "Selbst wenn diese Zahl
kleiner sein sollte, wären die jüdischen Spanienkämpfer trotzdem gewaltig
überrepräsentiert." Sie waren Teil von etwa 35000 bis 40000 Spanienkämpfer aus
mehr als 50 Ländern.
Die Frage nach der Zahl jüdischer Kämpfer
ist in jedem Fall von Belang, da die Literatur zum spanischen Bürgerkrieg
akribisch alle Nationalitäten aufgelistet. Jüdische Kämpfer werden jedoch
entweder völlig weggelassen oder aber anderen Nationalitäten zugeordnet. Die
meisten darunter waren ohne Zweifel überzeugte Internationalisten, ihr Judentum
als Religion stand nicht im Vordergrund ihres Einsatzes. Aber "viele von ihnen
waren bewußte Juden mit linken Meinungen."
Gerade durch das Verschweigen in der Literatur, vor allem in der ehemaligen
Sowjetunion, das nur auf antisemitische bzw. antizionistische Überzeugungen
zurückgehen kann, verdienen die jüdischen Kämpfer die besondere Hervorhebung. Es
dürfte beispielsweise kaum bekannt sein, daß von 18 Mitgliedern der
"Thälmann"-Brigade 14 Juden waren.
Lustiger faßt in seinem Buch zahllose Biographien jüdischer Spanienkämpfer
zusammen, sortiert nach ihren Herkunftsländern. Eigene Kapitel widmet er den
Kommandeuren, höheren Offizieren und Fliegern. Auch Kriegskorrespondeten,
Fotoreporter und Sanitäter werden zu den Freiwilligen Brigadisten gerechnet.
Besondere Beachtung verdient das Kapitel über die jüdische Einheit Botwin.
Insgesamt ist Arno Lustigers Werk nicht immer frei von ideologischer
Betrachtungsweise. Dennoch ist das Buch ein umfassendes Zeugnis jüdischen
Widerstands an der spanischen Front. Lustigers Verdienst ist es vor allem, die
zahlreichen freiwilligen Kämpfer vor dem Vergessen zu bewahren und ihre
teilweise dramatischen Lebensgeschichten festzuhalten.
hagalil.com / 03-01-2002 |