"Palästina den
Palästinensern!":
Widerstand gegen nationalrevolutionäre (Ex-)Linke
Ökologische Linke (ÖKOLI), Österreich
Daß Antisemitismus nicht nur in der extremen Rechten zu finden ist,
sondern zumindest in Österreich gesellschaftlich hegemonial ist,
zeigte sich schon im Widerstand gegen den historischen Faschismus und in
der Faschismustheorie der marxistischen Bewegungslinken. Die Kritik des
Antisemitismus spielte dabei bei nichtjüdischen AntifaschistInnen kaum
eine Rolle, ja ganz im Gegenteil, manche von ihnen teiten trotz aller
Kritik an der imperialistischen Aggressionspolitik des NS-Staates,
seiner totalitären Herrschaft und seiner arbeiterInnenfeindlichen
Politik den Antisemitismus des Regimes.
Wenn auch der Vernichtungsantisemitismus und die aktive industrielle
Massenvernichtung nicht im Programm anderer AntisemitInnen zu finden war
und ganz bestimmt nicht in der Linken - so fanden und finden sich doch
auch in ihr antijüdische Stereotype, das Gerede vom "jüdischen Kapital"
und die strukturell-antisemitische Unterteilung in produktives
("schaffendes") und spekulatives ("raffendes") Kapital. Diese Denkweisen
der marxistischen, aber auch der anarchistischen Bewegungslinken wurden
auch nach 1945 nur von einem kleinen Teil der Linken, der sich eher im
akademischen Diskurs der "Kritischen Theorie" abspielte, radikal
hinterfragt. Während für Adorno und eine Reihe jüdischer Linker
Auschwitz und die Vernichtung eine radikale Zäsur der Geschichte
darstellte, nach der nichts mehr so blieb wie es vorher war, ging der
Mainstream der deutschsprachigen (antifaschistischen) Linken wieder zur
Tagesordnung über.
Besonders deutlich wird dies in der Auseinandersetzung mit dem
Nahost-Konflikt. Der Zionismus, der erst durch die nationalsoziaistische
Vernichtung zur Massenbewegung wurde, da die sich die Hoffnung der
linken und assimilierten Jüdinnen und Juden, die diese nicht zuletzt in
die europäische Arbeiterbewegung setzten, als falsch erwiesen hatte,
wurde in den ersten Jahren von großen Teilen der Linken als
Hoffnungsträger gesehen. Unterstützte die Sowjetunion - und mit ihr der
größte Teil der europäsichen Linken - noch entschieden die Staatsründung
Israels, so verschob sich einerseits mit der zunehmenden Dauer des
Kalten Krieges und mit dem Sechs-Tage-Krieg die außenpolitische
Orientierung der Sowjetunion, der Kommunistischen Parteien und der
außerparlamentarischen Linken seit den späten Sechziger- und
Siebzigerjahren zunehmend zugunsten der arabischen Staaten.
Insbesondere in den Siebzigerjahren, als sich einerseits die
palästinensische Nationalbewegung noch als linke nationale
Befreiungsbewegung definierte und die europäische Linke noch kaum die
leninsche Imperialismustheorie hinterfragte, konnten palästinensische
Befreiungsbewegungen sowohl in den Staaten des Warschauer Pakts als auch
in der außerparlamentarischen Linken Westeuropas auf die Solidarität der
Linken zählen, eine Solidarität, die selbst dann nicht versagt wurde,
wenn sich palästinensische Aktionen eindeutig gegen jüdische
Einrichtungen oder Menschen (Anschläge auf Synagogen, Selektion
jüdischer Passagiere in Entebbe/Uganda durch ein
deutsch-palästinensisches Kommando,...) und nicht gegen den Staat Israel
richteten.[1]
Jüdische Linke wurden durch diese antizionistischen und antisemitischen
Aktionen bzw. die Solidarität der Linken mit diesen, oft an den Rand
gedrängt und zogen sich aus gemeinsamen linken Zusammenhängen zurück.
Bereits damals zeigte sich, daß es zwischen antisemitischen Linken und
jüdischen Linken keine Möglichkeit einer "Einheit" geben kann. Der
Versuch von Linken Gruppen, die selbst nicht antisemitisch waren, die
Unmöglichkeit einer Zusammenarbeit antisemitischer und jüdischer Linker
durch Apelle an die Linke Einheit zu überdecken führte letztlich zum
Rückzug jüdischer Linker und zur Stärkung antisemitischer Positionen
innerhalb der Linken. Erst nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und
den zunehmenden ideologischen Orientierungsproblemen der Linken, wurde
mit der Debatte über "Nation" und "Volk" und den in diesem Zusammenhang
entstehenden Strömungen der antinationalen und antideutschen Linken, das
Thema des innerlinken Antisemitismus wieder verstärkt diskutiert.
Dabei leisteten auch (ehemals) antisemitische Gruppen wie die
Revolutionären Zellen (RZ) aus der BRD einen wichtigen Beitrag, in dem
sie, nach der Ermordung eines Genossen im Libanon, ihren eigenen
Antisemitismus in einer Erklärung ("Gerd Albartus ist tot") eingestanden
und kritisierten. Während sich Teile der Linken mit den Vorwürfen um den
eigenen Antisemitismus in den Neunzigerjahren auseinanderzusetzen
begannen, reagierte ein Spektrum von Hardcore-AntiimperialistInnen, das
überweigend aus dem maoistischen und stalinistischen Lager stammte, mit
einer massiven Abwehrschlacht gegen die Vorwürfe, die als "zionistische
Propaganda" abgewehrt wurden.
Von diesen Gruppen wurde jede Art der Kritik an linkem Antisemitismus
nur als Beweis für die Hinterhältigkeit des "weltweit agierenden
Zionismus" gesehen, einer Vorstellung die sich manchmal nicht einmal
mehr verbal von der "jüdischen Weltverschwörung" unterschied.
Tatsächlich wanderten eine Reihe von prominenten Linker der
Siebzigerjahre wie der RAF-Anwalt Horst Mahler oder der
Konkret-Herausgeber und Ehemann von Ulrike Meinhof, Klaus-Rainer Röhl,
ohne Umweg direkt in das Lager der nationalrevolutionären Strömung des
deutschen Rechtsextremismus. Röhl tritt heute auf Veranstaltungen des
Rings Freiheitlicher StudentInnen (RFS) und anderer rechtsextremer bis
neonazistischer Organisationen auf. Mahler ist Parteianwalt der von
einem Parteiverbot bedrohten NPD. Die beiden stellen nur zwei prominente
Beispiele für Linksradikale dar, die über das verbindende Element des
Antiamerikanismus und des Antisemitismus nahtlos von der Linken in die
extreme Rechte wanderten. Eine Restfraktion der RZ, die noch einige
Jahre unter dem Namen Antiimperiaistische Zelle (AIZ) Anschläge verübte,
ist mittlerweile in Form ihrer beiden Gefangenen zum Islam konvertiert
und vertritt mit dem selben einigenden Moment aus Antiamerikanismus und
Antisemitismus ein Konzept eines militanten politischen Islam.
In Österreich wird die militant antizionistische Fraktion der Linken,
deren Antizionismus zu Vernichtungsphantasien gegenüber Israel führt und
immer wieder in der etwas beschönigend verpackten Forderung nach der
Vertreibung zumindest der aus Europa eingewanderten - Jüdinnen und
Juden aus Israel mündet, also ein nur schlecht kaschierter
Antisemitismus ist, v.a. von der Antiimperialistischen Koordination
(AIK), der ex-trotzkistischen Revolutionär Kommunistischen Liga (RKL)
und der maoistischen Kommunistischen Aktion (KOMAK), die sich vor Kurzem
mit der "Initiative Marxisten-Leninisten" (IML) fusioniert hat,
vertreten. In ihren Publikationen werden die Selbstmordattentate in
Israel und den besetzten Gebieten als legitimer Befreiungskampf
beworben. Sowohl die RKL, mit ihrer Vorfeldorganisation "Bewegung für
soziale Befreiung" (BsB) fordert immer wieder ein "arabisches Palästina
vom Jordan bis zum Mittelmeer"[2] in dem die "Besiedlung im Dienste des
Imperialismus [könne] nicht geduldet und [müsse] rückgängig gemacht
werden"[3] müsse.
Für die RKL ist die gesamte "Al-Aqsa-Intifada", samt
Selbstmordattentaten und antisemitischen Propagandakundgebungen auf
denen islamistische Imame und Funktionäre von Hamas, Gihad oder ehemals
sekulärer Milizen dazu aufrufen "Juden zu vernichten" "nichts geringeres
als der Kampfschrei der übergroßen Mehrheit des palästinensischen
Volkes, die nicht länger bereit ist, die zionistische Herrschaft und
ihre täglichen Verbrechen unter dem Deckmantel des "Friedensprozesses",
zu akzeptieren"[4]. Während die RKL überall in der Welt "nationale
Befreiungskämpfe" unterstützt und sich auch auf völkische
Befreiungsbewegungen wie die PKK ausschließlich positiv bezieht, kämpft
sie lediglich um die Zerstörung einer einzigen "Nation", nämlich Israel,
der Staat der Überlebenden der Schoa. Dies trifft auch auf die KOMAK zu,
die sich nach ihrer Fusion mit der IML nun KOMAK-ML nennt. Von Israel
spricht sie nur als von einem "zionistische Apartheidstaat"[5] gegen den
das "heldenhafte Ringen des palästinensischen Volkes um seine
elementaren Rechte"[6] in Form der Intifada gerichtet ist. "Frieden in
der Region kann es" für die KOMAK "nur geben, wenn die Imperialisten
ihre Finger davon lassen - was zugleich den Zusammenbruch des
israelischen Staates bedeuten würde."[7]
Die Antiimperialistische Koordination (AIK) teilt nicht nur diesen
Vernichtungswillen gegenüber dem Staat Israel als einzigem zu
zerstörenden Staat, sondern geht in ihrer Propaganda noch einen Schritt
weiter. In Nr. 8 ihrer Zeitung "Intifada" läßt sie Ali Nasser Wafa´
Idris, die erste weibliche Selbstmordattentäterin als Heldin feiern,
"die für ihr Volk lebte und starb".[8] Offen wird der Vernichtung
israelischer Jüdinnen und Juden das Wort geredet. Um sich nach solchen
Ergüssen gegen den Vorwurf des Antisemitismus zu wehren schiebt die AIK
eine alte österreichische Antifaschistin und KZ-Überlebende vor, die
dann im Namen der AIK verkünden darf, daß sich "hinter dem
vermeintlichen Kampf der Linksliberalen gegen Antisemitismus" ein
"latenter, im Falle der Antinationalen unverhohlener, anti-arabischer
und anti-islamischer Rassismus" verberge.[9]
Die AIK verteidigte auch eine Demonstration von
Hiszbulla-UnterstützerInnen in Wien, zu der im Dezember nicht nur die
hiesigen UnterstützerInnen der schiitischen Islamisten erschienen waren,
sondern auch eine Nazihomepage, die "Wiener Nachrichten online"[10]
aufgerufen hatte. Das Flugblatt zur Ankündigung der Demonstration, das
auch an Umstehende verteilt wurde forderte "Palästina den
Palästinensern!" Auch eine positive Bezugnahme auf den Rassismus in
Österreich fand sich im selben Flugblatt: "Wie in Österreich müssen auch
[in Palästina, Anm.] die Einheimischen entscheiden, wer von den
Zuwanderern und Eindringlingen in ihrem Land bleiben darf und wer es
verlassen und dorthin zurückkehren muß, woher er gekommen ist."
Die Ökologische Linke schloß aus diesen politischen Statements und der
Tatsache, daß sich die genannten Gruppen ausschließlich gegen eine
Nation, nämlich Israel wenden, daß diese in der Linken nichts mehr
verloren haben dürfen. Politisch sind sie längst ins
nationalrevolutionäre Lager übergewechselt. Das heißt nicht, daß es
nicht auch schon von anderen, immer noch eindeutig Linken Gruppen,
antisemitische Stellungnahmen und Publikationen gegeben hätte. Es kann
nicht jede antisemitische Gruppierung gleich als "rechtsextrem"
betrachtet und damit nicht mehr der Linken zugerechnet werden. Damit
würde es sich die Linke auch zu leicht machen, wenn sie den
Antisemitismus in den eigenen Reihen einfach für nicht der Linken
zugehörig erklären würde.
Trotzdem unterscheidet sich der Antisemitismus einer RKL, AIK oder KOMAK
von dem mancher anderer linker Gruppierungen durch seine Systemaktik und
Militanz, aber auch durch seine Einbettung in eine Unterstützung
nationalistischer Konzepte überall dort, wo es nicht Jüdinnen und Juden
betrifft. Gemeinsam ist ihnen neben dem Vernichtungswillen gegenüber
Israel auch ein extremer Haß gegenüber den USA und eine verkürzte
Kapitalismuskritik, die lediglich "die Kapitalisten" in Karikaturen
oft noch als "jüdische Kapitalisten" mit "jüdischer Nase" oder als
weltverschlingende Krake dargestellt angreift und diesen ein positiv
belegtes "Volk" gegenüberstellt. Das heißt, daß sie in ihren
wesentlichen ideologischen Elementen mit dem nationalrevolutionären
Flügel des Rechtsextremismus übereinstimmen und ein für alle mal aus
Linken Zusammenhängen zu drängen sind.
1 vgl. KINDLER, Klaus: Ticket To Ride in: Context XXI, Nr2/2001
Webausgabe:
http://contextxxi.mediaweb.at
2 Erklärung der RKL vom 6.10.2000,
http://www.leninist-current.revolte.net/cgi-bin/ilc/news/viewnews.cgi?catego
ry=all&id=970950264
3 ebenda
4 Erklärung des Exekutivkomitees der Internationalen Leninistischen Strömung
(ILS), der "Internationale" der RKL, Mai 2001
http://www.leninist-current.revolte.net/cgi-bin/ilc/news/viewnews.cgi?catego
ry=all&id=992611359
5 "Es lebe die Intifada!", Flugblatt der KOMAK, nachzulesen unter
http://www.komak.cjb.net
6 ebenda
7 ebenda
8 Wafa' Idris: Die Antwort, Porträt einer Palästinenserin, die für ihr Volk
lebte und starb in: Intifada Nr.8
9 Margarethe Gal: Auf der Seite der Unterdrückten, bedingungslos! Zu der
Palästina/Israel-Diskussion in der Linken in:
http://www.antiimperialista.com
10 http://www.wno.org
hagalil.com / 27-01-2002 |