"Trauerfeier" am
Tag der Befreiung
Von Karl Pfeifer
Unter massivem Polizeischutz konnten am 8. Mai in der Wiener Innenstadt rund 400
deutschnational Korporierte samt Anhang ihrer "Helden" und der "totalen
Niederlage" gedenken.
Unter den TeilnehmerInnen befanden sich
einige der Mitorganisatoren der Neonazi-Demonstration gegen die
"Wehrmachtsausstellung" vom 13. April.
Im Unterschied zu damals mussten aber die Skinheads diesmal draußen bleiben.
Dafür soll laut Augenzeugenberichten ein ehemaliger "Kameradschaftsführer" der
neonazistischen Volkstreuen Außerparlamentarischen Opposition (VAPO) den
Ordnerdienst verstärkt haben. Ebenfalls anwesend war Herwig Nachtmann (aB!
Brixia, Innsbruck), der 1994 für einen holocaustleugnenden Artikel in der Aula
presserechtlich verantwortlich zeichnete. Die "Totenrede" im Fackelschein hielt
wie geplant der FPÖ-Nationalratsabgeordnete Wolfgang Jung.
Die umstrittene Kundgebung begann mit einer Rede von Walter Sucher, "Alter Herr"
der Burschenschaft Olympia und Vorsitzender des Ringes Volkstreuer Verbände. Er
widerlegte dabei die im Vorfeld lancierte Behauptung, bei der Kundgebung handle
es sich um ein Gedenken an alle Toten der Weltkriege. So sprach Sucher von
"unsere[n] toten Soldaten" und den "deutschen" Opfern des Krieges, der
Entnazifizierungen und Aussiedlungen. Daneben berichtete er über ein Gespräch
mit Innenminister Strasser. Dieser habe ihm für die "Disziplin und das
Demokratieverständnis, das er in unseren Reihen findet", gedankt.
Danach ergriff FPÖ-Volksanwalt Stadler (aS! Skalden, Innsbruck) das Wort. Er
empörte sich über das "schändliche Verhalten" der katholischen Kirche,
insbesondere der Militärdiözese, die "uns im Stich gelassen hat". Tatsächlich
mussten die Trauernden nach einem Verbot ohne den offiziellen Segen der Kirche
auskommen - allein Vertreter der rechts-fundamentalistischen
Priesterbruderschaft St. Pius X nahmen an der Kundgebung teil. Die "Deutschen"
sah Stadler mit "historischen Hypotheken" und "Selbsthass" belastet und stellte
letzterem einen "enttabuisierten Umgang mit unserer Geschichte" gegenüber. Einen
solchen "Umgang" praktiziere "Horst Mahler [...], der dafür auch entsprechend
verfolgt wird". Diese offen vorgetragene positive Bezugnahme auf einen deutschen
Neonazi (und früheren RAF-Terroristen-Sympathisanten) bestätigt eindrucksvoll
die im Vorfeld der Kundgebung geäußerte Kritik, bei dieser handle es sich um
eine rechtsextreme Manifestation.
Mahler ist nicht nur Kader der gegenwärtig von einem Verbot bedrohten
Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), sondern auch Mitbetreiber des
Deutschen Kollegs (DK). Als solcher sieht er sich seit Herbst 2001 mit einem
Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der "Volksverhetzung" und mehreren
Hausdurchsuchungen konfrontiert. Der Hamburger Verfassungsschutz schreibt in
seinem aktuellen Bericht über das DK: "In den Veröffentlichungen des DK wird in
aggressiver Weise gegen die demokratische Grundordnung, deren politische
Vertreter und Institutionen polemisiert [...]. An die Stelle der herrschenden
Ordnung soll das 'Vierte Reich' errichtet werden." Wiederholt hätten Mahler und
seine Mitstreiter zu erkennen gegeben, "dass sie die Anwendung von Gewalt zur
Durchsetzung politischer Ziele für gerechtfertigt halten".
Im Oktober 2000 veröffentlichte das DK einen "Aufruf zum Aufstand der
Anständigen", welcher wie viele andere Texte Mahlers auch vom Vorarlberger
Neonazi Walter Ochensberger publiziert wurde. In diesem "Aufruf" wird u. a. das
"Verbot der Jüdischen Gemeinden" gefordert. Darüber hinaus wärmen Mahler und Co.
die nationalsozialistische Kriegsschuldlüge auf und behaupten, "dass die beiden
Weltkriege gegen das Deutsche Reich unter maßgeblicher Beteiligung jüdischer
Bankiers und jüdischer Medien organisiert wurden in der Absicht das Deutsche
Reich für immer zu zerstören". Auch hinter der "massiven Überfremdung unseres
Volkes und der anderen europäischen Völker" sollen die Juden und Jüdinnen
stehen, gehorche doch diese der "Strategie zur Auslöschung der Gojim-Völker".
Mahler und Kameraden weiter: "Die auf diesem Wege entstehende rassisch, völkisch
und kulturell durchmischte Weltbevölkerung ist der jüdischen Weltwirtschaft
wehrunfähig preisgegeben." Die geistige Nähe zur antisemitischen Fälschung Die
Protokolle der Weisen von Zion wird von den Verfassern auch unmittelbar
eingeräumt. So gedenken sie "der unbekannten Verfasser" der Protokolle, "die
hellsichtige Betrachtungen über die Mittel und Wege für die Begründung der
jüdischen Weltherrschaft angestellt haben". In einer Erklärung zu den
Terroranschlägen vom 11. September 2001 feiert Mahler diese als "Ende des
Amerikanischen Jahrhunderts, [...] des globalen Kapitalismus und [...] des
weltlichen Jahwe-Kultes, des Mammonismus". Der "von den Finanz-Eliten der USA"
ausgehende "Krieg" richte sich seit mehr als 80 Jahren gegen die "Völker", allen
voran das "kraftvolle Volk der Deutschen". Seit dessen Niederlage 1945 seien
"die Völker Europas und die übrige Welt schutzlos der US-amerikanischen
Militärmacht und den Ausplünderungsfeldzügen der US-Ostküste ausgeliefert". Die
Antwort der von der angeblichen jüdischen Weltverschwörung in
"Fremdbeherrschung" gehaltenen "Völker" in Form des "Klein- und Volkskriegs" sei
ein "Befreiungskrieg und als solcher ein Weltkrieg, weil der Feind der Völker
die Welt beherrscht". Schließlich bezeichnet der von Stadler so hochgehaltene
Mahler die Terroranschläge als "eminent wirksam und deshalb rechtens".
Die ideologische Verbundenheit des burschenschaftlichen FPÖ-Vorfeldes mit dem
fanatischen Antisemiten Mahler drückte sich auch in einer Wortmeldung von Walter
Asperl (aB! Olympia) aus: Auf der Pressekonferenz vom 10. Mai meinte er, Mahler
stünde "mit seinen Werten" dem national-freiheitlichen Milieu "sehr nahe".
Gleiches gilt wohl auch für den deutschen Rechtsextremisten Claus Nordbruch, der
neben dem Obmann des Kärntner Heimatdienstes, Josef Feldner, als Referent
eingeladen war. Nach dem Verbot der Podiumsdiskussion an der Universität Wien
fand die Veranstaltung am 9. Mai im Kellerlokal des Ringes Freiheitlicher Jugend
(RFJ) statt. In seinem Vortrag, der im Internet veröffentlicht wurde, sparte
Nordbruch nicht mit deutlichen Worten: "Lassen Sie uns heute abend über unsere
gemeinsame deutsche Vergangenheit sprechen und über die Bedeutung des 8. Mai
1945 nachdenken. Dieses Datum ist entgegen kommunistischer Propaganda und der
Vorgabe politisch korrekter Denkschablonen eben kein Tag der Befreiung. Vielmehr
verbinden die meisten Angehörigen unserer Nation dieses einschneidende Datum mit
Zusammenbruch, Verzweiflung und Trauer, mit Entrechtung und Erniedrigung, mit
Verlust der Heimat, Verschleppung und Zwangsarbeit." 1945 sei es in Osteuropa zu
einem von "Deutschenhass" motivierten "ethnischen Vernichtungsfeldzug gegen das
deutsche Volk im Ganzen" gekommen. Den Nationalsozialismus beschrieb Nordbruch
demgegenüber in den hellsten Farben: Die Forschung habe sich im "Dritten Reich"
durch "eine schier unerschöpfliche Vitalität und Produktivität ausgezeichnet"
und "einen nie zuvor gekannten Ausstoß an Erfindungen und Leistungen"
hervorgebracht. Die Nazi-Kriegsverbrecher gerieten ihm zu "deutschen
Industriellen und Politikern", die alliierten Gerichte zu "Tribunalen der
Sieger". Schließlich ging Nordbruch
auch auf Österreich, einen der heute "nicht souveränen Teile
Deutschlands", ein: "Während der kurzen Zeit der Vereinigung mit
Deutschland zum Großdeutschen Reich erlebte Österreich einen ungeahnten
wirtschaftlichen Aufschwung." Am Ende seiner Ausführung verlangte
Nordbruch "Wiedergutmachung, Entschädigung" und "gerechte
Grenzregelungen" für "Deutschland".
Im Interview mit Format leugnete Nordbruch dann auch noch, dass die
Waffen-SS eine "nationalsozialistische Untergruppe" war. Aus der in
Nürnberg als verbrecherische Organisation qualifizierten Einheit im
Dienste nationalsozialistischer Expansions- und Vernichtungspläne machte
er eine "antibolschewistische Freiwilligenbewegung, in der nicht nur
Europäer, sondern auch Asiaten und andere Völker für ein gemeinsames
Ziel gekämpft haben". (Format 20/2002, S. 17)
Das DÖW übermittelte den Nordbruch-Vortrag und das Format-Interview an die
Staatsanwaltschaft Wien zum Zwecke der Überprüfung ihrer strafrechtlichen
Relevanz. hagalil.com / 21-05-2002 |