Alltägliche Erlebnisse:
Wien und Masaryk 2002
Von Petr Vasicek
So mancher Hagalil-Leser
von Karl Pfeifers Artikeln und Berichten aus Österreich staunt
und glaubt, von einem anderen Planeten zu hören, aber die ganz
alltäglichen Erlebnisse und Erfahrungen hier geben ihm leider
recht, und auch einem Frantisek Palacký, der im Frankfurter
Parlament gemeint hatte, man müsste Österreich erfinden, gäbe es
dieses noch nicht.
Das war jedoch anders gemeint,
nämlich als Gegengewicht zu Deutschland und Rußland, als
Vereinigung der mitteleuropäischen Länder bei voller
Gleichberechtigung ohne jegliche Dominanz eines Ethnikums.
Angesichts
der persistierenden Schwierigkeiten in Wien, Leopold Hilsner -
das letzte Opfer des antisemitischen Ritualmordwahns in
Alt-Österreich von 1899, cfr. diverse Berichte auf diesen
Internet-Seiten - endlich juristisch und moralisch, wenngleich
nur noch posthum zu rehabilitieren, habe ich im Frühjahr der
Stadt Wien vorgeschlagen, einen Platz, eine Strasse o.ä. nach
Tomás Garrigue Masaryk zu benennen.
In einer Stadt, wo immer noch
viele öffentliche Verkehrsflächen nach Exponenten des
Fin-de-siècle-Antisemitismus benannt sind, eigentlich längst
fällig.
Am 13.9.2002, also am Vorabend
von Masaryks Todestag, lehnte der zuständige Ausschuß des Wiener
Gemeinderats dieses Ansuchen einstimmig ab.
Mit einer Begründung, die an
Peinlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt, denn was haben
Roosevelt oder Simon Bolívar "für" Wien oder Österreich getan,
sie jedoch geehrt werden ?
Vergessen: Masaryks Kampf
gegen die Ritualmordhetze - als einer der ganz ganz Wenigen in
Wien.
Vergessen: Masaryks Einsatz
gegen die von der k.k. Justiz inszenierten Schauprozesse gegen
die Südslawen in Zagreb
Vergessen: Masaryks
Verteidigung des Innsbrucker Professors Wahlmund.
Vergessen: Masaryks Engagement
für ein freies, nicht von Deutschland abhängendes Österreich
nach dem 1. Weltkrieg - ganz im Gegensatz zu führenden
sozialdemokratischen Politikern damals, die den Anschluss schon
20 Jahre vor Hitler herbeisehnten.
Vergessen: die von
Masaryk initiierten Finanzhilfen aus Prag nach Wien.
Vergessen auch, daß der 1.
österreichische Präsident Michael Heinisch ein großer Verehrer
Masaryks war, ihm regelmässig Besuche abstattete und ihn
als den größten Menschen bezeichnete, dem er je begegnet war.
Während also Havel und Bush am
19.9.2002 an prominenter Stelle in Washington eine
Masaryk-Statue enthüllen, bleibt der Name in Wien weiterhin
unbekannt und verborgen wie die gut versteckte Tafel am
Petersplatz in der City.
Bitterkeit bleibt, wie wenig
sich in Wien in den 100 Jahren seit Masaryks wichtigen
Auftritten "getan" hat.
Enttäuschend, obwohl alles
andere als neu: daß man in Tschechien selbst unter
Intellektuellen Verständnis zeigt für diese ablehnde Haltung.
Immer noch grassieren zwischen
der Eger und der March die historisch unhaltbaren Gerüchte,
Masaryk habe Österreich-Ungarn "zerstört"....
Eben - wie sagte schon Milan
Kundera: "...lítost je
ceské slovo" (Litost, Bedauern/Reue, ist ein tschechisches Wort)
Die Absage:
"Sehr geehrter Herr Dr.
Vasicek !
Ihre Anregung nach Thomas
Garrique Masaryk eine Verkehrfläche zu benennen, wurde im
Unterausschuss für Verkehrsflächenbenennungen ausführlich
behandelt.
Wir müssen Ihnen mitteilen, dass die Mitglieder einstimmig von
einer Benennung absehen, da in seiner Person keinerlei
Verdienste um die Stadt Wien und die Republik Österreich
erkennbar sind.
Mit besten Grüßen
Magistratsabteilung 7
Helmut Simacek
hagalil.com
19-09-02 |