Buchpräsentation:
"Juden in Mitteleuropa.
Gestern. Heute"
Petr Vasicek
Der Direktor des
herausgebenden Instituts für die Geschichte der Juden in
Österreich im niederösterreichischen St. Pölten, Klaus Lohrmann, lädt am 6. November 2002 zur
Präsentation des an sich gelungenen Bandes ein.
Kompetent, zweisprachig, und
in interessanter grafischer Aufmachung wird dort informiert,
z.B. über die Brünner Sammlung Gomperz, über jüdische
Fotografinnen in Ungarn, über das Prager Jüdische Museum oder
aber auch tschechische Karikaturen zur sog. Hilsner-Affäre,
reproduziert und kommentiert (österreichische fehlen, weil das
Thema für österreichische Historiker in 103 Jahren kein Thema
war und ist).
Was eigentlich überrascht, ist
die Einladung des tschechischen Botschafters Jiri Grusa, eines
Mannes, über dessen ablehnende Haltung zum Judentum -
auch ganz konkret, z.B. in Form von Boykott und Sabotage
von Gedenkveranstaltungen oder von Beschwerden beim Wiener
Außenministerium - österreichische und nicht nur jüdische Medien
in den vergangenen Jahren immer wieder berichteten. Eine
gekürzte Übersicht, z.B. im Bericht über die Enthüllung einer
Leopold HILSNER-Gedenktafel (Wien, 25.4.2002),
ist bei
haGalil onLine nachzulesen.
Selbst im oben genannten Buch
ist davon wieder die Rede, Lohrmann scheint die Passage gar
nicht gelesen, bzw. zur Kenntnis genommen haben.
Einen Mann einzuladen, der in
Tschechien wegen seiner antitschechischen und antijüdischer
Attitüde abgelehnt wird, der auch im Ausland keine Gelegenheit
ausläßt, um Negatives über seine Landsleute von sich zu geben,
der deren Gelder jedoch nicht verschmäht, und mittlerweilen zu
den reichsten Männern des Landes gehört, ist ein einzigartiger
Skandal, der die gerade wegen Adolf Hitler und seinen
Ewiggestrigen nach wie vor gespannten
österreichisch-tschechischen Beziehungen weiter verschlechtern
wird.
Wenn ein rumänischer
Operndirektor in Wien wie Ioan Holender glaubt, Grusa zur
Neuinszenierung von "Jenufa" einladen zu müssen, läßt sich das
eventuell mit Unkenntnis entschuldigen.
Bei einer Veranstaltung, die
im jüdischen Ambiente zur jüdischen Problematik und Geschichte
stattfindet, ist dies jedoch
total deplaziert und moralisch verwerflich. Ausgerechnet Grusa
soll über die Lage der Juden in der Tschechischen Republik heute
berichten! Lohrmann hätte dann aus "political correctness"
zumindest auch Landeshauptmann Dr. Jörg Haider einladen müssen.
Stattdessen hat er sich nach eigenen Angaben Rückendeckung
in der
Präsidentschaftskanzlei geholt.
Also nochmals, zum Atemholen,
Mitdenken und Nachvollziehen: in all den Jahren keine Aktivität
seitens des St. Pöltner Instituts in Sachen Hilsner, keine
Teilnahme an Gedenkakt, Ausstellung, Diskussionsabend im
Tschechischen Zentrum (das Grusa verhindern wollte) oder bei der
Enthüllung der heiß debattierten Gedenktafel, und auch keine
Intervention Lohrmanns im Sinne einer posthumen Ehrung jenes
Opfers altösterreichischen Ritualmordwahns bei Bundespräsident
Klestil. Für einen
tschechischen Antisemiten jedoch sofort!
Daß die tschechische
Diplomatie - nicht nur im Fall Grusa - mit der Sensibilität in
Sachen Juden bzw. Roma auf dem gleichen Kriegsfuß steht wie die österreichische, belegen
z.B. die Affären des ehemaligen Botschafters in Polen
Misiarz (fehlt bei der Eröffnung des Roma-Pavillons in
Auschwitz am 8.8.2001), des Münchner Konsuls Beránek (absentiert
bei den Prozessen mit dem Nazi-Verbrecher Anton Malloth) oder
der Leiterin der Bonner Vertretung
Jeslínková (droht wegen der zweimal verlängerten
Hilsner-Ausstellung in Wien mit gerichtlichen Schritten).
Möglich, daß für Einige ein
Antisemit "erst" jemand ist, der Züge nach Auschwitz abfertigt,
moralisch-ethisch
muß
die Latte deutlich früher und deutlich niedriger liegen. Und Klaus
Lohrmann muß sich die Frage gefallen lassen, ob er in seiner
Position und Funktion noch trag-
und haltbar ist ?
Vielleicht wirft aber auch der
österreichische Wahlkampf seine Schatten voraus: auf die
skandalöse Ablehnung des Wiener Gemeinderats vom September 2002,
eine öffentliche Verkehrsfläche nach Tomás Garrigue Masaryk zu
benennen, haben bisher nur die Grünen reagiert. Von den
Parteivorsitzenden der SPÖ, FPÖ und der ÖVP selbst auf erneute
Anfragen keine Antwort.
Keineswegs angebracht wäre es
allerdings, von deutscher Seite mit dem Finger auf Österreich zu
zeigen: wider besseres Wissen lädt das Prager Goethe-Institut
Grusa zum wiederholten Mal Ende November zu einer
Werbeveranstaltung ein. Dafür gibt es (deutsche) Steuergelder,
während ein Benefizkonzert für Lambaréné vor wenigen Monaten mit
dem Hinweis auf ungenügende Finanzmittel abgelehnt wurde!
hagalil.com
22-10-02 |