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Zur rechten Zeit

In Österreich darf man den Journalisten Karl Pfeifer einen Menschenjäger nennen, weil er einen Nazi kritisiert hat. 

Von Heribert Schiedel
Erschienen in Jungle World, 05.12.2001

Der Fall charakterisiert die Richtung, in die dieser Staat geht", kommentierte der österreichische Journalist Karl Pfeifer das Urteil des Oberlandesgerichts Wien, das ihm in der vergangenen Woche zugestellt wurde. Die Richterin Doris Trieb stellt darin fest, dass es sich ein Journalist, der einen rechtsextremen Professor kritisiert, gefallen lassen muss, als Menschenhetzer und Mörder bezeichnet zu werden. Die Behauptung, der "jüdische Journalist Karl Pfeifer" habe eine "Menschenhatz eröffnet (...), die bis zum Tod des Gehetzten gehen sollte", sei eine "zulässige Wertung", steht in ihrer Urteilsbegründung.

Mit diesen Worten hatte das Wochenblatt Zur Zeit, das österreichische Pendant der Jungen Freiheit, im Juni des vergangenen Jahres Pfeifer, einen ehemaligen Redakteur der Gemeinde, des offiziellen Organs der Wiener Israelitischen Kultusgemeinde, denunziert. Anlass war der Selbstmord des zuletzt an der Fachhochschule in Münster tätigen österreichischen Politologen Werner Pfeifenberger (Jungle World, 26/00).

Der jüdische Journalist, der auch für Jungle World arbeitet, hatte im Februar 1995 in einer Rezension für die Gemeinde den Beitrag Pfeifenbergers im FPÖ-Jahrbuch 1995 als "alte Mär von der jüdischen Weltverschwörung" in "Nazi-Diktion" bezeichnet. Der Politologe hatte unter anderem geschrieben: "Dieser Krieg brach nicht im September 1939 aus und endete nicht im Mai 1945. (...) Die Hasstiraden der Verleumdungskampagne gegen Kurt Waldheim sollten noch einmal jedermann deutlich vor Augen führen, dass dieser Weltkrieg noch lange nicht ausgestanden ist." Die Ausfälle gipfelten in der Behauptung, "dass 'Judea' (...) kurz nach Amtsantritt der nationalsozialistischen Regierung, nicht nur dieser, sondern ganz Deutschland den Krieg erklärte."

Pfeifenberger, der auch in der Redaktion der rechtsextremen österreichischen Burschenschaftszeitung Aula und in dem im ultrarechten Sektenmilieu angesiedelten Verein zur Förderung der Psychologischen Menschenkenntnis (VPM) tätig war, wollte sich nicht in die Nähe des NS-Gedankenguts rücken lassen und klagte wegen übler Nachrede. Die Klage wurde bis 1998 in allen Instanzen abgewiesen und Pfeifers Kritik als zulässig bewertet.

1997 entband die Fachhochschule Münster den rechten Professor nach langen Auseinandersetzungen von seiner Lehrtätigkeit, außerdem ermittelte die österreichische Justiz gegen ihn wegen des Verstoßes gegen das NS-Verbotsgesetz. Zur Verhandlung kam es allerdings nicht mehr, da Pfeifenberger vorher Selbstmord verübte.

Kurz darauf erschien in Zur Zeit der Artikel gegen Karl Pfeifer und andere Antifaschisten, die für das Ableben des Wissenschaflers verantwortlich gemacht wurden. Pfeifer verklagte daraufhin den Chefredakteur Andreas Mölzer, einen damaligen Berater Jörg Haiders, und sein Blatt wegen übler Nachrede. Im März 2001 bekam der Journalist zunächst Recht, Mölzer und Zur Zeit wurden zur Zahlung einer Entschädigung von 3 650 Euro verurteilt. Dieses Urteil wurde in der vergangenen Woche vom Oberlandesgericht Wien aufgehoben.

Der Gerichtsbeschluss dürfte ganz im Sinne der blau-schwarzen Regierungskoalition sein. Das Wochenblatt, das eine Brückenfunktion zwischen Rechtsextremismus und Konservativismus erfüllt und nach Aussage von Mölzer "den einen oder anderen persönlichen Freund, Leser und Sympathisanten bis hinein in die Bundesregierung" hat, wurde kürzlich von der Regierung mit mehr als 63 000 Euro gefördert. Und Vertreter der FPÖ wie auch der ÖVP stellen sich schützend vor das 1997 gegründete Blatt.

Das zeigte sich zuletzt nach einem von Zur Zeit organisierten Treffen europäischer Rechtsextremer am 10. November im niederösterreichischen Gloggnitz. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel fertigte drei Tage später einen Journalisten ab, der es wagte, ihn nach seiner Meinung zu diesem Treffen zu fragen. Schüssel erklärte die TeilnehmerInnen einfach zu Personen, "die sich im demokratischen Spektrum bewegen". Und weil dem so ist, bedeute jede Kritik an ihnen eine "Diffamierung".

Bei den von Schüssel derartig geadelten Personen handelt es sich um István Csurka, den Führer der antisemitischen Partei der ungarischen Gerechtigkeit und des Lebens (Miép), Bruno Mégret, den Vorsitzenden der vom Front National abgespaltenen National-Republikanischen Bewegung (MNR), Alfred Mechtersheimer (Deutschlandbewegung und Deutsche Aufbau-Organisation) sowie um Mitglieder des rechtsextremen Vlaams Blok aus Belgien. Dem Unbedenklichkeitszertifikat des Kanzlers zum Trotz wollte sich die Spitze der FPÖ nicht hinter die Einladungspolitik von Zur Zeit stellen. Die Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer kam der Aufforderung der Opposition nach und distanzierte sich von dem Treffen und dem Blatt ihrer Parteifreunde Andreas Mölzer und John Gudenus.

Auch FPÖ-Generalsekretär Peter Sichrovsky brachte in einer ersten Reaktion auf das Treffen seine Position zum Ausdruck: Die FPÖ "hat weder die Absicht noch das Ziel, gemeinsam mit so genannten 'rechten' oder 'rechtsextremen' Parteien in Europa zusammenzuarbeiten oder gemeinsame Listen für nationale oder europaweite Wahlen zu erstellen".

Hinter der Distanzierung der Parteiführung steht vor allem die Uneinigkeit über eine Vernetzung und gemeinsame Kandidatur der europäischen Rechten bei den nächsten EU-Wahlen. Während ein Teil der Partei Jörg Haiders Absicht, zu den Wahlen mit einer gemeinsamen Liste anzutreten, als eine Strategie versteht, um den Führungsanspruch der FPÖ innerhalb der europäischen Rechten zu untermauern, suchen die völkischen Fundamentalisten personelle wie inhaltliche Bündnisse. Und dabei könnte Zur Zeit eine wichtige Funktion zukommen.

Das Urteil gegen Pfeifer hat die Position der Wochenzeitung ebenfalls gestärkt. Der Journalist hat zwar umgehend Revision eingelegt, aber es ist mehr als fraglich, ob sie bei der derzeitigen politischen Konstellation Erfolg haben wird.

 hagalil.com / 05-12-2001

 


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