Vor 50 Jahren:
Der Slansky Prozess
Heute vor 50 Jahren begann in
Prag der sogenannte Slansky-Prozess. Dieser größte Schauprozess der
tschechischen Nachkriegszeit führte zur Hinrichtung zahlreicher
Juden, die hohe Stellungen innehatte. Die sowjetische Führung
benutzte den Vorwand einer zionistischen Verschwörung, um die
unbequemen Genossen auszuschalten. Der Prozess zog noch zahlreiche
Verurteilungen in den folgenden Jahren nach sich.
Dabei hatte der junge Staat
zunächst eine freundliche Politik gegenüber dem neugegründeten
Israel eingeschlagen. Die Tschechoslowakei war der wichtigste
Waffenlieferant für den neuen jüdischen Staat, der gegen fünf
arabische Armeen kämpfte. Außerdem wurden die Piloten der
israelischen Luftwaffe hier ausgebildet. Diese Beziehungen wurden
jedoch nach einer sowjetischen Kampagne abgebrochen, unter dem Druck
des großen Bruders bekam der Antisemitismus eine neue Ausprägung und
verwandelte sich in ''Antizionismus''.
Der Slansky-Prozess läutete
eine neue schwierige Phase in der Geschichte der tschechischen Juden
ein. Der Prager Frühling brachte nur eine kurze Reprise der
Masaryk-Zeit, nach dessen Niederschlagung flohen weitere 6.000 Juden
aus dem Land. In den folgenden Jahrzehnten wurden die jüdischen
Gemeinden streng überwacht. Bei den Versammlungen war immer ein
Staatsangestellter anwesend. Der Gottesdienst war zwar erlaubt, doch
Prag hatte 20 Jahre keinen Rabbi und man musste damit rechnen, im
Beruf stark diskriminiert zu werden, wurde man in der Synagoge
gesehen. So kam es, dass sich hauptsächlich alte Menschen zu ihrem
Judentum bekannten, während sich die jüngeren Generationen oft
scheuten bei der Gemeinde zu registrieren, auch um ihren Kindern das
Leben zu erleichtern.
Das kommunistische Regime
leugnete ebenfalls, dass der überragende Grossteil der
Holocaust-Opfer Juden waren. So wurde auch die Pinkas-Synagoge in
Prag, an deren Wand die Namen von annähernd 80.000 böhmischen und
mährischen Juden, die im Holocaust umkamen, eingemeißelt wurden,
1968 zu einer angeblichen Restaurierung geschlossen. Tatsächlich
wurde erst 1992 mit den Arbeiten begonnen, die Synagoge wurde
anlässlich des Jom haShoah am 16. April 1996 wiedereröffnet.
In der kommunistischen Ära
wurden auch sehr viele antisemitische bzw. antizionistische Texte
publiziert. Da sie ohne Zensur gedruckt werden konnten, ist
anzunehmen, dass die hetzerischen Texte voll im staatlichen
Interesse lagen. Die Juden in den tschechischen Ländern waren also
von Anfang an großem Hass und Verfolgungen ausgesetzt, sei es aus
religiösen oder ökonomischen Gründen. Ihre wirtschaftlichen
Verdienste für das Koenigreich Boehmen im Mittelalter, ihr wichtiger
Beitrag zur Industrialisierung und ihre verzweifelten
Assimilationsbestrebungen wurden ignoriert. Die wenigen, die den
Holocaust überlebten und in ihre Heimat zurückkehrten, wurden
aufgrund der unklaren Eigentumsverhältnisse mit Ablehnung und neuer
Diskriminierung empfangen. Die freie Religionsausübung wurde
gestört, ihr Leiden im Holocaust nicht anerkannt, Theresienstadt
wurde zu Propagandazwecken missbraucht. Viele der Juden wurden
gezwungen, ihre Identität zu verleugnen.
Antisemitismus heute
Mit der samtenen Revolution
des Jahres 1989 änderte sich vieles. Der Prager jüdischen Gemeinde
gehörten 1992 nur etwa 1.000 Mitglieder an, Tendenz steigend, in der
ganzen Tschechoslowakei waren es 3.000. Die Zahl der tatsächlich in
Tschechien und der Slowakei lebenden Juden wird aber auf über 12.000
geschätzt . Die tschechische Presse entdeckte, dass man von den
Juden, ihrer Kultur und Tradition fast nichts wusste. In der
folgenden Zeit erschienen viele aufklärende Artikel, die Verdienste
der Juden für die Tschechen wurde betont, die Schulen unterrichten
jetzt über den Holocaust. Die Presse zitiert oft Masaryks Ausspruch,
dass Antisemitismus nicht zu einer demokratischen Gesellschaft
gehört.
Eine große Zahl jüdischer
Organisationen wurde gegründet, darunter die Kafka Gesellschaft,
eine christlich-jüdische Gesellschaft, B´nai B´rith und Maccabi, die
vor allem auch die Jugend ansprechen. Trotz allem werden einige
antisemitische Bücher weiter verbreitet, vor allem ''Die Protokolle
der Weisen von Zion''. Auf verschiedenen Buchmessen wurden
zahlreiche Exemplare konfisziert, aber viele Bürger kritisierten die
Behörden dafür, da sie ihr wieder erworbenes Recht auf freie
Meinungsäußerung in Gefahr sahen. Weiterhin bedenklich bleibt auch
der Zustand der jüdischen Friedhöfe. Schon zu kommunistischen Zeiten
kam es oft zu Verwüstungen, Grabsteine wurden zerstört oder
gestohlen und an Steinmetze wiederverkauft. Die Situation ist nicht
besser geworden. Obwohl viele Zeitungen an das Verantwortungsgefühl
der Tschechen appellieren, gibt es auch weiterhin Vandalen, die die
Gräber beschmieren und zerstören. Im allgemeinen herrscht jedoch
keine antisemitische Stimmung. Die jüdischen Gemeinden sind
optimistisch und sehen ihre Chancen.
Zum Weiterlesen:
aue /
hagalil.com
20-11-02 |