Seminar zu
Extremismus:
Neonazi liest an Prager
Karlsuniversität
Lidove noviny online, 25.04.01
Während der
Innenminister Stanislav Gross den Extremisten eine harte Verfolgung
angekündigte, tragen einige führende Vertreter der Ultrarechten und Neonazis
ihre "Weltanschauung" den Studenten der Karlsuniversität vor.
Das Institut für
Politologie der Philosophischen Fakultät lädt nämlich im Rahmen des Seminars
"Typologie des politischen Extremismus" auch solche Skinhead-Kaliber wie Filip
Vavra ein.
Dieser ehemaliger
Führer der Organisation "Nationaler Widerstand Prag" und gegenwärtiger
Schriftführer des "National-sozialen Blocks" wird von Fachleuten als
gefährlichster Neonazi Tschechiens bezeichnet.
"Ziel des Seminares ist
es, Kenntnisse über extremistische Organisationen zusammenzutragen. Außer dem
Bericht des Innenministeriums gibt es keine Gesamtstudie" - so die Erklärung des
Leiters des Seminars, Zdenek Zboril. "Außer den Vertretern der extremen Rechten
werden auch die extremen Linken eingeladen."
Die Vortragenden
sprechen in einigen thematischen Blöcken, z.B. über Kontakte zu internationalen
Organisationen und über die Innenpolitik. Studenten stellen anschließend Fragen.
Das wissenschaftliche
Interesse der Fakultät an der extremistischen Szene berechtigt aber nicht, laut
dem Politologen Rudolf Kucera, dazu, mit Personen zu diskutieren, die ihre
Bewunderung des Nazismus offen zur Schau tragen. "Mit Neonazis diskutiert man
nicht, man muß gegen sie mit Rechtsmitteln vorgehen."
Der Politologe Mares
von der Masaryk Universität Brün, dessen Spezialgebiet der Rechtsextremismus
ist, meint: "Ich würde so etwas in diesem Rahmen nicht auf akademischem Boden
durchführen und schon überhaupt nicht den harten Kern, wie z.B. Herrn Vavra,
einladen. Ich würde von ihnen Material anfordern und kommentiert an Studenten
ausgeben."
Zdenek Zboril sieht es
anders: "Wenn wir den Extremismus auf diese Weise nicht studieren dürfen, ist es
ähnlich, wie den Wissenschaftlern zu verbieten, "Mein Kampf" zu lesen. Wir
lassen die Extremisten nicht in der Öffentlichkeit sprechen, sie sprechen auf
akademischem Boden. Der positive Beitrag dieser Seminare: In einem Raum sitzen
sich Rechtsextremisten und Anarchisten gegenüber - es fliegen keine Steine,
niemand schreit sich an."
Der
Regierungsbeauftrage für Menschenrechte Jan Jarab ist da anderer Ansicht:
"Ich würde es sicher
nicht machen. Solche Personen kann man nicht als Partner für eine Diskussion
betrachten, weil ich von vorne herein annehmen muß, dass sie sich nicht
beeinflussen lassen. Es bleibt also nur die Möglichkeit, dass sie jemanden
beeinflussen. Und diese Möglichkeit will ich ausschließen."
Ein Teilnehmer des
Seminars erzählt: "Ich war an der Universität in Warschau bei einer Lesung eines
bedeutenden Vertreters der französischen Nationalen Liga. Die Studenten schrien
ihn an und bewarfen ihn mit Gegenstände. Er mußte durch das Fenster im
Erdgeschoß fliehen."
Im Gegensatz zu
Warschau amüsieren sich Prager Studenten über die Redner - wie sie versuchen,
den unangenehmen Fragen aus dem Weg zu gehen, sich weigern, Fragen zum Holocaust
zu beantworten oder über ihre Gewalttaten als "Sünden der radikalen Jugend"
sprechen.
Die Rechtsextremisten
sind mit dem Seminar sehr zufrieden. Vavra wollte sich dazu nicht äußern, sein
Parteikollege Kopal sagte ganz offen: "Eine solche Zusammenarbeit ist bestimmt
förderlich. Wir wissen, dass Leute, die zu diesen Vorlesungen gehen, nicht
unsere Anhänger sind. Es ist gut, dass sie die Meinung der anderen Seite hören.
Wenn wir eingeladen werden, werden wir wieder kommen."
Dazu Ondrej Cakl,
dessen Spezialgebiet Manipulation von Seiten des Rechtsextremismus ist: "Das ist
genau ihre Strategie. Sie verwenden mehrere Taktiken, um Leute zu manipulieren.
Sie verdrehen die Wahrheit und versuchen, ihre Taten zu legalisieren. Die
Rechtsextremisten sind in der Lage, alles zu ihren Gunsten zu nutzen, sei es ein
Polizeieinsatz gegen sie oder ihre Teilnahme an den Seminaren."
Lidove noviny online v.
25.04.2001, Übersetzung ee/haGalil
haGalil onLine 29-04-2001
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