Zur Zeit:
Märtyrerlegende
Von Günter Traxler
Der Standard, 15.12.01
Die Wege der Justiz unter
einem Justizminister Böhmdorfer zu verfolgen war dem Publikum bisher in
der Spitzelaffäre vergönnt. Es läuft aber noch eine Affäre, deren
Beendigung Aufschluss über die Rechtsprechung unter schwarz-blauen
Verhältnissen geben könnte.
Ein gewisser Werner Pfeifenberger
hat im FP-nahen Jahrbuch der politischen Erneuerung 1995 einen
Artikel geschrieben, den der Journalist Karl Pfeifer in der Zeitschrift
Die Gemeinde vom 3. Februar 1995 rezensierte, wobei er feststellte,
Pfeifenberger bediene sich einer "Nazi-Diktion" und wärme "die alte
Nazi-Mär von der jüdischen Weltverschwörung" auf. Von Pfeifenberger
dafür geklagt, wurde Pfeifer vor dem Wiener Landesgericht am 4. April
1995 mit der Begründung freigesprochen, seine Kritik beruhe auf wahrem
Tatsachensubstrat und stelle keinen Wertungsexzess dar.
Angeklagt wurde hingegen Werner
Pfeifenberger wegen seines Artikels im Jahrbuch 1995, und
zwar am 15. Februar 2000 von der Staatsanwaltschaft Wien, die darin eine
Betätigung in nationalsozialistischem Sinne erblickte. Ein Einspruch
Pfeifenbergers wurde abgewiesen, zur Hauptverhandlung kam es aber nicht,
weil Pfeifenberger unter - zumindest für die Öffentlichkeit - bisher
nicht geklärten Umständen Selbstmord beging.
Diese Chance, einen Märtyrer der
Bewegung zu kreieren, ließ sich Andreas Mölzers Zur Zeit nicht
entgehen. Sie brachte im Juni 2000 einen Beitrag unter dem Titel
"Tödlicher Tugendterror", in dem Karl Pfeifer wegen seiner fünf Jahre
alten Rezension vorgehalten wurde, er habe "eine Menschenhatz eröffnet,
die in der Folge bis zum Tod des Gehetzten gehen sollte", in
Pfeifenberger habe "die Jagdgesellschaft" "ein Opfer zur Strecke
gebracht". Pfeifer wäre "Teil einer Jagdgesellschaft", "deren Kampagne
ein Menschenleben forderte".
Pfeifer, der nach seiner
Rezension weder eine Strafanzeige noch andere Aktionen gegen
Pfeifenberger gesetzt hatte, ging wegen dieser Anschuldigungen zu
Gericht, und jetzt wird es spannend. In seinem Urteil vom 20. März 2001
erkannte das Landesgericht für Strafsachen auf üble Nachrede und
verurteilte das Mölzer-Blatt zu einer Entschädigung von 50.000 Schilling
an Karl Pfeifer sowie zur Urteilsveröffentlichung. Dagegen wurde
Berufung eingebracht, worauf das Oberlandesgericht Wien am 15. Oktober
die Anträge Karl Pfeifers auf Entschädigung und Urteilsveröffentlichung
abwies.
Das Landesgericht Wien hatte die
Verurteilung des Mölzer-Blattes unter anderem auch damit
begründet, dass "klar ein Wertungsexzess" vorliege. Der Leser habe keine
Möglichkeit, sich selbst ein Bild über die Richtigkeit oder
Unrichtigkeit der Wertung zu machen, "diese wird ihm vielmehr in
geharnischter und aggressiver Form durch die inkriminierte
Veröffentlichung suggeriert . . . Es kann daher nicht von der
sanktionsfreien Ausübung des Rechtes der Freiheit der Meinungsäußerung
gesprochen werden."
Gegenteilig das
Oberlandesgericht. Ausdrücke wie "Hetze", "tödlicher Tugendterror" und
"Menschenhatz" wären für Leser klar als Wertungen der im Artikel
behaupteten Vorgänge zu verstehen. "Die Prüfung der Tatfrage durch
Verlesung des Artikels ergab somit die Qualität dieser Formulierungen
als Wertungen." Den Formulierungen liege ein im Wesentlichen richtiges
Faktensubstrat (!) zugrunde.
Pfeifers Anwalt hat sich mit
Anregungen zur Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes und zur
außerordentlichen Wiederaufnahme an die Generalprokuratur gewandt. Man
darf gespannt sein, ob diese der Erhebung Pfeifenbergers in den
Märtyrerhimmel der Bewegung stattgibt oder nicht.
hagalil.com / 17-12-2001 |