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Bücher / Morascha
 

70 Jahre Bücherverbrennung:
München und der deutsche Rasen

Institut für Kunst und Forschung, München

Am 10. Mai 2003 lasen auf dem Königsplatz 10 Stunden lang 100 Autoren, Schüler, Studenten, Schauspieler und andere Bücherfreunde vor ca. 1000 Zuhörern Texte aus Büchern, die verbannt und deren Autoren verfolgt, verjagt oder ermordet wurden.

Auf dem Königsplatz verbrannten 70 Jahre zuvor etwas 50.000 deutsche Akademiker und Nazis die Bücher von Autoren wie Bertolt Brecht, Lion Feuchtwanger, Sigmund Freud, Erich Kästner, Egon Erwin Kisch, Heinrich Mann, Erich Mühsam, Erich Maria Remarque, Anna Seghers, Ernst Toller, Kurt Tucholsky, Arnold Zweig und Stefan Zweig. 12 Jahre erschallten auf diesem Platz Weihesprüche, Kommandos und das Heilsgeschrei der Nazis.

Erstmals waren dort die leisen, nachdenklichen, kritischen und poetischen Töne der besten deutschen Autoren zu vernehmen. U.a. lasen die Tochter Bertolt Brechts (Hanne Hiob), Asta Scheib, Gert Heidenreich, Keto von Waberer, Wolf Euba, Friedrich Ani, Schüler von Gymnasien und einer Berufsoberschule, Studenten und die Kulturreferentin Lydia Hartl.

Angeregt und realisiert hat diese Veranstaltung der Künstler Wolfram P. Kastner, dessen Vorschlag, einen Brandfleck am historischen Ort zur Mahnung und Erinnerung anzubringen, mit fadenscheinigsten Begründungen von den städtischen Rasenschutzkommissaren unterbunden wurde (wie schon 1995). Auch eine erläuternde Tafel für dieses vergängliche und alljährlich neu herzustellende Erinnerungszeichen wurde untersagt: "München bleibt Hauptstadt des Vergessens" (Wolfram P. Kastner)


Bereits am 9. November 1995 (dem Jahrestag der sog. "Kristallnacht") brachte Wolfram Kastner im Rasen des Königsplatzes einen Brandfleck als Zeichen der Erinnerung an die Bücherverbrennung und ein Hinweisschild mit einem Text in deutsch und englisch an. Die Stadt wurde gebeten, kein Gras mehr über die Geschichte wachsen zu lassen. Die Stadt lehnte dies mit dem Hinweis auf Denkmalschutz und der bemerkenswerten Begründung ab, die originale Brandspur sei nicht mehr vorhanden, also wäre "eine historische Situation nicht mehr gegeben, d.h. die Kontinuität des eigentlichen Zustandes ist nicht mehr gewahrt". Die Stadtverwaltung verbot daraufhin auch eine zeitlich befristete Installation des Brandflecks. Erst als die Presse aufmerksam wurde und die Bürgermeisterin der Grünen intervenierte, wurde das Verbot zurückgenommen.

Der Künstler umzäunte den geschützten Rasen mit einem 20 cm hohen Lattenzaun und steckte Tafeln mit den Aufschriften "Deutscher Rasen – amtlich geschützt vor der Erinnerung. München, Hauptstadt der Verdrängung, 2003" und "Hier wächst Gras über die Geschichte."

Mit getragen wurde die Veranstaltung von der Oskar-Maria-Graf-Gesellschaft, vom Verband Deutscher Schriftsteller, vom Kulturreferat und der Stadtbibliothek.

Abgelehnt hatten ihre Beteiligung:
der Rektor der Universität mit der skandalösen falschen Behauptung, die Universität habe "nur am Rande" mit der Bücherverbrennung 1933 zu tun gehabt,
das Literaturhaus (keine Kapazitäten frei) und
der Bayrische Verband der Verlage und Buchhandlungen als regionale Gliederung des Börsenvereins, der 1933 die Autoren zur Verbrennung ausgewählt hatte.

Während in anderen Brandstädten Ministerpräsidenten, Universitätsrektoren, Fernsehanstalten, Verlage und Literaturhäuser an vergleichbaren Veranstaltungen teilnahmen oder sie mitgestalteten, boykottierten diese in München die einzige öffentliche Lesung aus verbrannten Büchern. München hatte aber 1933 nach Berlin die protzigste Brandtstiftung, die im Brand der Menschen und Städte endete. Bis heute gibt es weder ein Erinnerungszeichen am Tatort noch ernsthafte Bemühungen, eine vorhandene private Sammlung von Erstausgaben verbrannter Bücher zu einer öffentlich Denkstätte zu machen!

Mehr zum Brandfleck von 1995:
www.wolframkastner.kulturserver.de

hagalil.com 14-05-03


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