Judentum.Net

Judentum und Israel
haGalil onLine - http://www.hagalil.com
     

hagalil.com

Search haGalil

Veranstaltungskalender

Newsletter abonnieren
e-Postkarten
Bücher / Morascha
 
Warburg schuldet ihm noch eine Sau:
Erinnerung an Ismar Elbogen

Von Thomas Meyer
Süddeutsche Zeitung, 02.08.2003

Der 23. Februar 1919 war in großen Teilen Deutschlands kein friedlicher Tag. In Berlin tobten Straßenkämpfe zwischen streikenden Arbeitern, Räterepublikanern und den Ordnungskräften des "Oberbefehlshabers in den Marken" Gustav Noske. Inmitten dieser Unruhen wurde in der Wohnung des Mediziners Leopold Landau eine friedliche Revolution geplant: etwa dreißig Personen berieten über eine Gründung einer "Akademie für die Wissenschaft des Judentums". Es ging darum, erstmalig ein Forschungsinstitut zu etablieren, das sich ganz den religiösen, sozialen, geistigen und politischen Belangen der jüdischen Geschichte widmen sollte.

Die Teilnehmer kamen aus allen gesellschaftlichen Bereichen. Neben Bankern, Funktionären und Intellektuellen fand sich auch Albert Einstein ein. Die 1873 gegründete Berliner Hochschule für die Wissenschaft des Judentums vertrat der Historiker und Judaist Ismar Elbogen. Elbogen, 1874 in Schildberg/Posen geboren und am 1. August 1943 im amerikanischen Exil verstorben, galt zu seiner Zeit als der bedeutendste Kenner jüdischer Geschichte und Theologie. Über 400 Titel umfasst seine Bibliographie, von denen nicht wenige bis zum heutigen Tage als maßgebliche Arbeiten betrachtet werden können. So gilt sein mehrfach aufgelegtes und überarbeitetes Buch über den "Jüdischen Gottesdienst in seiner geschichtlichen Entwicklung" als Standardwerk. Der Erfurter Judaist Christian Wiese fand ein Gutachten, in dem 1916 der protestantische Theologe Hermann Leberecht Strack aufgrund dieses Buches eine Professur für Elbogen an der Berliner Universität befürwortete.

Elbogen erlangte seine Berühmtheit nicht nur durch umfangreiche Abhandlungen, sondern auch durch sein organisatorisches Talent. An zahlreichen Zeitschriften war er als Herausgeber beteiligt, so an der 1923/24 erschienenen Quartalsschrift "Devir", die in Berlin verlegt wurde und in hebräischer Sprache erschien. Wesentliche Impulse verdankt ihm auch die Jubiläums-Ausgabe der Schriften Moses Mendelssohns, an der zeitweise auch Leo Strauss mitarbeitete. Nicht minder wichtig war sein Engagement für das "Jüdische Lexikon" des Philo-Verlages.

Liest man Elbogens Briefe, die sich an mögliche Mitarbeiter wenden, so wird ein weiterer Charakterzug deutlich: Entscheidend für ihn war ausschließlich die Qualität des Gedachten. Über 200 Beiträger wurden für das auf drei Bände mit circa 12000 Stichworten angelegte Lexikon geworben. Auch der Hamburger Kulturwissenschaftler Aby Warburg erhielt eine Einladung. Am 24. August 1926 schrieben ihn die Herausgeber an und baten Warburg, die Einträge "Judenbuche", "Judenmeister", "Judensau" und "Juden in den schönen Künsten" zu verfertigen. Warburg hat die Beiträge nicht geliefert.

Nach den Quellen

Ein anderes Projekt lag dem observanten Juden Elbogen besonders am Herzen: Eine kommentierte Zusammenfassung der "Lehren des Judentums nach den Quellen." Ab 1920 erschien schließlich das fünfteilige Werk, das 1928/30 seine letztgültige Fassung erhielt. Zahlreiche Gelehrte und Rabbiner, die sämtliche Richtungen des religiösen Judentums vertraten, wirkten daran mit. "Das Judentum ist in diesem Werk in seinem dogmatischen und ethischen Gehalt behandelt worden", schreiben die Herausgeber. Elbogen leitete zahlreiche Kapitel ein, die neben der Bibel, talmudischem und mittelalterlichem Schrifttum auch christliche Stimmen zu Wort kommen lassen. Der fünfte Teil ist den Beziehungen des Judentums zu seiner Umwelt gewidmet. Für Elbogen, dessen Gesprächsbereitschaft sprichwörtlich war, haben schon die ersten Seiten der Bibel den "Blick auf die gesamte Menschheit gerichtet." Diese Einstellung bedeutete niemals, dass er Auseinandersetzungen aus dem Wege ging. So griff er 1904 in die Debatte um Adolf von Harnacks "Wesen des Christentums" ein und verfasste im gleichen Jahr eine Gegenschrift zu Wilhelm Boussets Deutung der "Pharisäer".

Die eigentliche Heimat Elbogens blieb die "Hochschule" in der heutigen Tucholsky-Straße in Berlin-Mitte beheimatet, der er bis zur erzwungenen Emigration 1938 treu blieb. Gleich vier amerikanische Einrichtungen taten sich zusammen, um dem Gelehrten eine Zukunft anbieten zu können. Elbogen nutzte die verbleibenden fünf Lebensjahre noch für zahlreiche Arbeiten. Zahlreiche Schüler haben die Erinnerung an ihn wach gehalten. Wenn im Herbst der in Berlin geborene und in Cincinnati lehrende Historiker Michael A. Meyer seine umfassende Studie zu Elbogen vorlegen wird, dann beschäftigt sich bereits die Generation der "Enkelschüler" mit einer der großen und prägenden Gestalten des deutschen Judentums.

Grundlegende Sittlichkeitsanschauungen:
Tun und Glauben
Im Judentum ist die sittliche Forderung ein Grundsätzliches, ein Tragendes der Religion. Was als gut erkannt und als göttliches Gebot gelehrt wird, soll in die Tat umgesetzt werden...

hagalil.com 03-08-03


Spenden Sie mit PayPal - schnell, kostenlos und sicher!
 
haGalil.com ist kostenlos! Trotzdem: haGalil kostet Geld!

Die bei haGalil onLine und den angeschlossenen Domains veröffentlichten Texte spiegeln Meinungen und Kenntnisstand der jeweiligen Autoren.
Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber bzw. der Gesamtredaktion wieder.
haGalil onLine

[Impressum]
Kontakt: hagalil@hagalil.com
haGalil - Postfach 900504 - D-81505 München

1995-2013 © haGalil onLine® bzw. den angeg. Rechteinhabern
Munich - Tel Aviv - All Rights Reserved