Büste von Sophie
Scholl:
Ein neues Gesicht für Walhalla
In den bayerisch-germanischen
Ehrentempel bei Regensburg zieht die fünfte Frau ein: Heute wird -
nach einigem Gezerre -
die Büste Sophie Scholls enthüllt und damit der Widerstand gegen die
Nazis in die deutsche Heldenschau eingereiht
Aus München
Jörg Schallenberg
22.02.2003
Walhalla. Für die Germanen war das
ein Ausdruck für den Himmel, in dem sich die gefallenen Helden
tummeln. Für den bayerischen König Ludwig I. war es die ideale
Bezeichnung eines Ruhmestempels, in dem er die Bildnisse
herausragender Personen von "teutscher Zunge" versammeln wollte. Im
Jahre 1842 weihte er das monumentale Bauwerk, 358 Marmorstufen hoch
über der Donau nahe Regensburg gelegen, ein. Bis heue sind dort 126
Büsten und 64 Gedenktafeln vermeintlich bedeutender Deutscher
versammelt, darunter ganze vier Frauen - wie Katharina die Große und
Kaiserin Maria Theresia.
Heute kommt nun eine fünfte dazu, um
deren Aufnahme lange gerungen wurde: Sophie Scholl wird im Rahmen
einer feierlichen Zeremonie am Samstag um 11 Uhr in die Walhalla
einziehen. Auf den Tag genau sechzig Jahre nachdem sie in
München-Stadelheim enthauptet wurde, findet die Büste der
Widerstandskämpferin Platz neben Feldherren wie Scharnhorst, Blücher
und Gneisenau, aber auch neben Goethe und Schiller, Beethoven und
Bach, Bismarck und Barbarossa.
Die bayerische SPD-Landtagsabgeordnete
Hildegard Kronawitter hatte vor gut drei Jahren den Vorschlag
verschiedener Initiativen aufgegriffen, Sophie Scholl in der
Walhalla zu ehren. Zuständig für die Auswahl ist seit dem Zweiten
Weltkrieg der bayerische Ministerrat, der sich von der Akademie der
Wissenschaften beraten lässt. Also wandte sich Kronawitter in einem
Brief an Kultusminister Hans Zehetmaier und pries die Studentin und
Mitbegründerin der "Weißen Rose" als eine Frau, "deren ethisches
Handeln von jeder Generation aufs Neue als Vorbild anerkannt werden
kann". Sie sei ein Vorbild für demokratische Gesinnung, Mut und
Zivilcourage, zudem werde mit ihr die ganze Gruppe gewürdigt und "in
eine Reihe mit den herausragendsten Persönlichkeiten deutscher
Geschichte gestellt".
Dagegen konnte und wollte eigentlich
niemand etwas sagen, auch wenn man Widerstandskämpfer in der
Walhalla bislang eher vergeblich suchte. Trotzdem wehrte Zehetmaier
zunächst ab. Es gebe ein lange Warteliste, hieß es, auch werde der
Platz allmählich knapp und außerdem sei es ungerecht gegenüber den
anderen Mitgliedern der Weißen Rose, wenn nur Sophie Scholl geehrt
werde. Schließlich wollte der Kultusminister eine Gedenktafel
anbringen lassen - die kommt aber laut der Tradition der Walhalla
nur für Persönlichkeiten in Frage, deren Aussehen nicht überliefert
ist.
Als sich Politprominenz wie Hans-Jochen
Vogel, Renate Schmidt und Hildegard Hamm-Brücher nachdrücklich für
die Aufnahme von Sophie Scholl einsetzte, gab Zehetmaier schließlich
nach. Offen blieb aber die Frage, ob eine Widerstandskämpferin gegen
den Nationalsozialismus tatsächlich an einen Ort gehört, der nicht
nur antiquiert, sondern auch bis heute eine Spur zu nationalistisch,
zu germanisch, zu wagnerianisch wirkt und zu den Kultstätten vieler
Neonazis zählt.
So meint Scholls Schwester Elisabeth
Hartnagel, dass "Sophie die Hände über dem Kopf zusammenschlagen
würde" angesichts der Ehrung, zumal sie in der Tat nie "anders als
die anderen" innerhalb der Widerstandsgruppe hatte behandelt werden
wollen. Auch der Münchner Historiker Winfried Süß, Verfasser eines
Standardwerkes über die Weiße Rose, findet es "problematisch, einen
der sieben damals Hingerichteten herauszustellen". Diesem Einwand
suchen die Initiatoren nun zu begegnen, indem sie dem Widerstand
insgesamt eine Gedenktafel in der Walhalla widmen.
Die Befürworter wie Schmidt oder
Kronawitter wollen durch eine Büste von Sophie Scholl in der
Walhalla dagegen gerade ein Zeichen dafür setzen, dass die deutsche
Geschichte nicht nur von Feldherren, Kaisern und Künstlern geprägt
ist, sondern auch vom Widerstand gegen die Autorität des Staates.
Als Kultstätte für Rechte wäre die Walhalla damit wertlos - das
hätte Sophie Scholl wahrscheinlich gefallen.
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