
Arafats Züchtung Von
Thorsten Schmitz
Die palästinensischen
Terroristen, die sich in die Luft sprengen und andere Menschen mit in
den Tod reißen, verfolgen keine politischen Absichten. Sie sind aus dem
selben Holz geschnitzt wie die Männer, die Terror-Angriffe auf die USA
fliegen: Es sind Wahnsinnige, die glauben, sich ins Paradies sprengen zu
können. Aus westlicher Sicht ist es nicht möglich, jemanden zu
verstehen, der sich Bomben um den Bauch schnallt und auf einer belebten
Fußgängerzone oder in einem vollbesetzten Bus in die Luft sprengt.
In ihren letzten Videobotschaften
geloben die Attentäter Rache für Palästinenser, die von israelischen
Soldaten getötet wurden. Doch selbst wenn von nun an kein Palästinenser
mehr erschossen würde, gäbe es trotzdem palästinensische
Selbstmordattentäter. Das einzige Ziel, das sie, wenn überhaupt,
verfolgen, ist die Auslöschung des israelischen Staates. Ihrer
fanatischen Auslegung des Korans zu Folge kommt die bloße Existenz von
Juden auf palästinensischem Boden einer Entweihung gleich, die sie zu
bekämpfen vorgeben.
Palästinenserpräsident Jassir
Arafat, der zwar den Oslo-Vertrag unterzeichnet, in Wahrheit aber nie
verinnerlicht hat, ist der Züchter solchen Gedankenguts. In all den
Jahren, in denen er die Welt als angeblich gewandelter palästinensischer
Friedensmacher bereist und becirct hat, fütterte er zu Hause sein Volk
mit Mythen und Heldenepen – alle mit dem Ziel der Eroberung Jerusalems.
Arafat hat den Terroristen in sich nie ganz abgelegt. In den Schulen in
Gaza und im Westjordanland ließ der Vorsitzende der Autonomiebehörde
Hass lehren auf den jüdischen Nachbarn. Er initiierte Sommercamps für
palästinensische Kinder, in denen Zwölfjährige den Umgang mit
Kalaschnikows lernen. Und die fanatischen Terroristen von Hamas und
Islamischem Dschihad fasst er mit Glacéhandschuhen an. Manchmal kommen
ein paar von ihnen ins Gefängnis, wenn der Druck aus den USA und von der
EU zu groß wird. Aber genauso schnell holt Arafat sie da auch wieder
raus.
Arafat ist zwar der politische
Führer der Palästinenser, aber er hat den Schritt zum Diplomaten nie
vollzogen. Hinzu kommt eine gehörige Portion Feigheit: Aus Angst vor
Kompromissen flieht Arafat vor einem Jahr aus Camp David und vor den
weit reichenden Konzessionen Israels, die als Grundlage für einen
Friedensprozess hätten dienen können. Und selbst jetzt, wo US-Präsident
George W. Bush der Geduldsfaden reißt und er Arafat in harschen Worten
zu deutlichen Taten auffordert, wird der sich hüten, seinem Volk die
Wahrheit zu sagen. Diese Wahrheit wäre ganz einfach: Israel wird nicht
verschwinden, und die Anschläge bringen die Palästinenser ihrem Ziel
eines eigenen Staates nicht näher, denn Mord bringt nur Mord hervor und
kein Palästina.
Arafat fürchtet um seine allemal
bröckelnde Macht, er fürchtet seine Isolation – und deshalb scheut er
den Konflikt mit der eigenen Züchtung. Die Anschläge vom Sonntag haben
einmal mehr offenbart: Arafat ist nicht mehr Herr der Lage. Selbst der
Sicherheitschef im Westjordanland, Dschibril Radschub, stellte mehr Mut
unter Beweis als der Palästinenserpräsident. Radschub rief die
terroristischen Landsmänner öffentlich zur Waffenruhe auf. So
unmissverständlich hat Arafat bis heute nicht geredet – weil er eine
gegen sich gerichtete Palastrevolution fürchtet. Der Appell Radschubs
wurde auch in Israel aufmerksam registriert. Hier hat man längst die
Hoffnung aufgegeben, mit Arafat je wieder Verhandlungen führen zu
können. Nicht nur die Geheimdienste richten sich auf die Zeit nach
Arafat ein.
Es verwundert deshalb nicht, wenn
nach den Anschlägen vom Sonntag der Ruf zu hören ist, die
Palästinensische Autonomiebehörde zum Feind Israels zu erklären.
Generalstabschef Schaul Mofaz und ultrarechte Koalitionsmitglieder wie
Avigdor Lieberman machen sich für die "Entfernung" Arafats stark. Dass
so die radikalen, terroristischen Kräfte in den Palästinensergebieten
nur gestärkt würden, blenden sie aus.
Israel hat außer Trauer, Wut und
Schmerz kaum etwas dem palästinensischen Terror entgegenzusetzen. Die
USA übrigens auch nicht: Bush entsendet einen Anthony Zinni in die
Region, dem das ABC des Nahost-Konflikts erst vor Augen geführt werden
muss. Premierminister Ariel Scharon wird heute seine Minister
zusammentrommeln und die üblichen Maßnahmen anordnen: Abriegelung der
palästinensischen Autonomiestädte, womöglich Bombardierungen
sicherheitsrelevanter palästinensischer Einrichtungen und eine
Intensivierung der Liquidierungspolitik.
Selbstverständlich besitzt Israel
das Recht, Selbstmordanschläge zu ahnden. Aber die Politik Scharons seit
seinem Amtsantritt im Februar zeigt auch, dass er das gesamte
palästinensische Volk in Gesinnungshaft nimmt. Die Politik ist defensiv
und lindert den Konflikt nicht. Die durch Abriegelung und Blockaden
erzeugte Kollektivstrafe treibt die Menschen nur mehr in die Arme der
Terroristen. Viele Hamas-Anhänger könnten jedoch bekehrt werden, wenn
Arafat und Scharon etwa einen palästinensischen Mittelstand förderten,
dem sein Besitz wichtiger wäre als das sinnlose Morden von Israelis. Im
Wahn der Attentate aber ist Vernunft ein seltenes Gut.
hagalil.com / 03-12-2001 |