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Arafats Suche nach geeigneten Waffen

Dem Palästinenserpräsidenten schwinden zunehmend die Mittel, die Intifada im Zaum zu halten und seine Machtbasis zu sichern

Von Thorsten Schmitz

Jerusalem – Das Bild entwickelte große Schlagkraft: Mehrere Dutzend ältere, betende Palästinenser warfen ihre Schuhe auf israelische Soldaten. Diese hatten das Plateau des Tempelbergs in Jerusalem mit Tränengas und Gummigeschossen gestürmt, weil jugendliche Palästinenser Steine auf betende Juden an der Klagemauer geworfen hatten. Das Foto, das um die Welt ging, war ganz nach dem Geschmack von Palästinenserpräsident Jassir Arafat: Israelische Soldaten zielen mit Gewehren auf Palästinenser, die sich bloß mit ihren Schuhen wehren.

Die Bilder-Botschaft erfüllte ihre Mission – weltweit wurde Israel für die Erstürmung der Tempelberg-Esplanade gerügt. Ende vergangener Woche verbreitete die offizielle palästinensische Nachrichtenagentur Wafa einen Meinungsartikel, der erstmals in den zehn Monaten seit Ausbruch der Intifada einen leisen Ton anschlägt und zu einem Verzicht von Schusswaffen aufruft. Das Bild vom Schuhregen sei "effektiver als Mörsergranaten auf jüdische Siedlungen", heißt es bei Wafa. In dem Beitrag, der von mehreren palästinensischen Zeitungen am Wochenende veröffentlicht wurde, wird das palästinensische Volk zur Zurückhaltung aufgerufen: "Benutzt Schuhe und Steine im Kampf gegen Israels Besatzung, keine tödlichen Waffen!"

Die Nachrichtenagentur, deren Büro sich in einem Gebäude eine Etage unterhalb von Arafats Büro in Gaza-Stadt befindet, sendete mit dem Appell zum Waffenverzicht zugleich diesen Gedanken: Mit Schuhen statt mit Schüssen werde Scharons "wahres Gesicht" demaskiert. So werde der Welt vor Augen geführt, dass Scharon "keinen Plan besitzt" und nur die Sprache der Gewalt verstehe. Die Waffe der Palästinenser sei die Rückendeckung der internationalen Staatengemeinschaft. Diese könne aber jederzeit nachlassen, wenn sich palästinensische Selbstmordattentäter in die Luft sprengten oder Israelis erschossen würden. Die Nachrichtenagentur erinnert an die erste Intifada (1987- 1993). Damals warfen die Palästinenser Steine, heute besitzen sie Gewehre.

Der Wafa-Artikel ist zugleich ein Versuch von Arafats Palästinensischer Autonomiebehörde (PA), die Intifada im Zaum zu halten. Der Einfluss Arafats auf sein wütendes protestierendes Volk schwindet. Seine mehrmaligen Appelle zum Stopp der Angriffe auf jüdische Siedlungen mit Mörsergranaten sind ungehört verhallt. Fast jeden Tag verhindern israelische Soldaten und Polizisten Bombenanschläge in Israel. Erst am Freitag wurde eine 23Jahre alte Palästinenserin im zentralen Busbahnhof von Tel Aviv festgenommen, die in einer Waschmittelpackung eine fünf Kilogramm schwere Bombe versteckt hatte. Arafat glaubt, Israel werde den nächsten größeren palästinensischen Anschlag mit einem ungleich größeren Militärschlag vergelten. Dabei fürchtet er die Ausschaltung seiner Autonomiebehörde. Diese ist noch immer Arafats Machtgrundlage, obwohl bereits im Mai 1999 seine Amtszeit als PA- Vorsitzender abgelaufen ist und einige PA-Institutionen nurmehr unvollständig funktionieren. Viele PA-Mitarbeiter erscheinen unregelmäßig oder gar nicht in den Büros, weil die Gebiete von Israels Armee abgeriegelt sind und sie israelische Vergeltungsschläge auf PA-Gebäude befürchten. Andere weigern sich zu arbeiten, da sie seit Monaten auf ihre Gehälter warten. Arafat kann vielen Angestellten keine Löhne auszahlen, weil Israel der PA zustehende Steuerrückerstattungen vorenthält. Die PA, hieß es im israelischen Rundfunk, stehe "kurz vor dem Kollaps". Solange aber die Gewalt andauert, wird sich an diesem Zustand nichts ändern. Deshalb versuche Arafat nun den Kurswechsel, unter anderem mit dem Appell seiner Nachrichtenagentur.

"Anarchische Zustände"

Arafats Aufruf kontrastiert jedoch mit der Stimmung im Volk. Diese ist durch die Tötung von acht Palästinensern, unter ihnen zwei ranghohe Hamas-Funktionäre und zwei Kinder, in Nablus vorige Woche und durch die versuchte Liquidierung von Fatah-Führer Marwan Barguti nur noch mehr angeheizt. Mitglieder der Fatah Arafats forderten zu einem Stopp der Waffenruhe auf und leiteten so die offene Konfrontation mit Arafat ein.

Das palästinensische "Medienzentrum" in Ramallah verbreitete dieser Tage eine Meldung, wonach sich "anarchische Zustände" ausbreiteten. Im Volk sei die Ansicht verbreitet, die durch den Osloer Friedensprozess gebildete PA Arafats sei in Wahrheit der verlängerte Arm Israels. Einige PA-Funktionäre seien "Kollaborateure", andere, korrupte Mitarbeiter Arafats lebten ein Luxusleben. Schon sei der palästinensische "Informationsminister" Jasser Abbed Rabbo von Fatah-Mitgliedern auf Flugblättern in palästinensischen Flüchtlingslagern bedroht worden, meldeten israelische Zeitungen. In den Flüchtlingslagern haben sich Oppositionsgruppen wie das "Popular Resistance Committee" gebildet, die zum offenen Kampf gegen Israels Besatzung auffordern. Ein vermummtes Mitglied dieses Komitees erklärte dieser Tage: "Die Intifada wird nicht aufhören, nur weil Arafat das befiehlt."

"Die Intifada wird nicht aufhören, nur weil der Palästinenserpräsident das befiehlt": Jassir Arafat verliert mehr und mehr die Kontrolle über sein wütendes Volk. Seine Appelle, die Angriffe auf jüdische Siedlungen zu stoppen, haben sich zuletzt als wirkungslos erwiesen. Die Stimmung ist seit der Tötung von acht Palästinensern und dem Angriff auf den Fatah-Führer Marwan Barguti noch mehr angeheizt. Mitglieder der Fatah-Organisation fordern ein Ende der Waffenruhe und leiten so die offene Konfrontation mit ihrem Präsidenten ein.

haGalil onLine 06-08-2001

 


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