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"Jude der dritten Art":
Heine in Jerusalem

Heinrich Heine wurde in Israel bisher wenig Beachtung zuteil. Wegen seines Übertritts zum Christentum war dieser große deutsch-jüdische Dichter im "Judenstaat" nicht salonfähig. In den letzten Jahren hat sich jedoch eine Wende angekündigt, die sich in einem Kongreß, der letzte Woche in Jerusalem stattfand, manifestierte.

"Heine in Jerusalem" war der Titel der viertägigen Konferenz, die vom 10.-13. Dezember zahlreiche Diskussionen, Vorträge und Konzerte ermöglichte. Anläßlich des 204. Geburtstages von Heine wurde zudem eine Strasse in Jerusalem nach ihm benannt.

Lange genug hat es gedauert. In Tel Aviv gibt es zwar bereits eine Straße zu Ehren des Dichters, aber dabei wurde ein wenig gemogelt. Man benannte eine unwichtige Seitenstrasse nach Rabbi Bacherach, einem Protagonisten Heines. Dann, aber nur nach Protesten und Demonstrationen israelischer Schriftsteller war es dem damaligen Bürgermeister Shlomo Lahat möglich, die Satzung der Stadt aus dem Jahr 1942 zu umgehen, wonach Strassen nicht nach Konvertierten benannt werden dürfen, und eine kleine Nebenstrasse nach Heine zu benennen. Nur in Haifa, wo schon immer alles etwas lockerer und einfacher war, gibt es einen Heinrich-Heine-Platz.

Dieser kleine Umweg über israelische Straßennamen zeigt deutlich die schwierige Stellung Heines. Umso erfreulicher ist die Wende in seiner Rezeption, die sich in den letzten Jahren in Israel angekündigt hat.

Daran ist vor allem der israelische Schriftsteller Yigal Lossin maßgeblich beteiligt. In seiner hebräischen Studie über Heine, die vor etwa einem Jahr erschien, stellt den Dichter als "Juden der dritten Art" dar. Er habe weder das orthodoxe noch das liberale Judentum gewählt, sondern das Judentum als historische Einheit betrachtet, kollektives Gedächtnis und nationale Solidarität binden die Juden aneinander. Für Lossin ist Heine daher fast ein Vorläufer des Zionismus.

Ob das nicht zu weit geht kann an dieser Stelle nicht diskutiert werden, die Thesen Lossins haben Heine in jedem Fall den "Durchbruch" in Israel beschert. Unbestritten ist seine Stellung zwischen zwei verschiedenen Welten und Zeiten. Jakob Hessing von der Hebräischen Universität in Jerusalem bezeichnet Heine als Gestalt, die janusköpfig an der Schwelle zur Moderne als einer Zeitenwende steht und in sich die auseinander strebenden Kräfte zusammenhält.

Der Jerusalemer Kongreß befasste sich dann auch schwerpunktmäßig mit der deutsch-jüdischen Identität Heines und seiner stark ambivalenten Einstellung zum Judentum. Sein Übertritt zum Christentum wurde in einer der Diskussionsrunden vor allem als Akt der wirtschaftlichen Notwendigkeit dargestellt.

Hannah Arendt bezeichnete Heine als den einzigen deutschen Juden, der sich selbst wirklich als Deutscher und Jude bezeichnen könne. Assimilation und Konversion brachten ihn nicht von "seinem" Judentum ab, von dem er im Sterbebett sagte, dass er sich niemals abgewendet habe.

Seine Gedichte halfen anderen, ihr Judentum wieder zu entdecken, denn sie galten als Verkörperung jüdischer Erzählkunst. Theodor Herzl setzte Heine in seinem utopischen Roman "Altneuland" ein Denkmal, indem er seinen Protagonisten Friedrich, der die Züge Herzls selbst trägt, im Tempel von Jerusalem während der Gebete an Heines "Hebräische Melodien" denken läßt.

Die Konferenz in Jerusalem wollte auch darauf abzielen, Heine der jüngeren Generation in Israel näher zu bringen. Immerhin ist sein "Loreley" bereits fester Bestandteil des Lehrplans. Die neue Trasse im Viertel Jemin Moshe wird zu seiner Popularität hoffentlich noch ein wenig mehr beitragen.

 aue / hagalil.com / 18-12-2001

 


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