Festakt in einem unfriedlichen Land
Bundespräsident Rau reist zu einem Kurzbesuch nach Israel, um den
Ignatz-Bubis- Fonds für jüdische Studien einzuweihen
Von
Thorsten Schmitz
Süddeutsche Zeitung, 23. Mai
2001
Alle redeten auch vom Fliegen.
Avi Primor, der frühere Israel-Botschafter in Bonn und Vizepräsident der
Universität Tel Aviv, lobte Bundespräsident Johannes Rau. Dass dieser
sich Dienstag frei genommen hatte, um nach Israel zu fliegen und am
selben Tag noch zurückzukehren nach Berlin, "dafür zollen wir Ihnen
Respekt".
Rau berichtete von einem Gespräch
mit Ida Bubis im Flugzeug von Berlin nach Tel Aviv am Morgen. Zum
Schluss verriet Israels Außenminister Schimon Peres, dass er am Morgen
kurzerhand beschlossen hätte, auf seinem Rückweg von Moskau über Berlin
zu fliegen, um zusammen mit Raus Luftwaffen-Boeing nach Israel
zurückzukehren. Ignatz Bubis, der 2000 verstorbene Präsident des
Zentralrats der Juden in Deutschland, hätte geschmunzelt über diese
Vielfliegerei – er selbst war in Flugzeugen zu Hause, die Lufthansa war
sein zweites Büro.
Der Festakt der Tel Aviver
Universität zur Einweihung des Ignatz- Bubis-Gedenkstipendienfonds für
jüdische Studien war am Dienstag eine hochkarätig besetzte
Veranstaltung. Mehr als 500 geladene Gäste waren gekommen, unter ihnen
außer Peres noch Otto Graf Lambsdorff, Cornelia Schmalz-Jacobsen, der
Israel-Botschafter Rudolf Dressler sowie die Witwe Ida Bubis und Naomi,
die Tochter. Die feierliche Zeremonie fand in einem unfriedlichen Land
statt, das konnte man hören: Draußen vor dem Auditorium standen 30
Mitglieder der Friedensbewegung "Peace now", beschimpften Peres und
Premierminister Ariel Scharon als "Kriegsverbrecher" und forderten den
Rücktritt der Regierung. Selbst Rau, der für 20 Minuten Rede acht
Stunden Flug in Kauf genommen hatte, streifte den Nahost-Konflikt. Es
stehe ihm zwar nicht zu, Ratschläge zu erteilen, aber Fragen stellen
wolle er dann doch. An Peres gewandt erinnerte er daran, dass er bei
seinem Staatsbesuch in Israel vor einem Jahr zusammen mit Peres einen
israelisch-palästinensischen Industriepark eingeweiht hatte. "Was daraus
wohl geworden ist?", fragte Rau. (Der Park in Dschenin im Westjordanland
ist seit Ausbruch der Intifada stillgelegt.)
Rau bezeichnete Ignatz Bubis als
"Menschenfreund" und "Brückenbauer". Bubis sei "unermüdlich mit
Aufklärung" beschäftigt gewesen und habe keine Schulklasse ausgelassen.
Cornelia Schmalz-Jacobsen von der FDP-nahen Friedrich- Naumann-Stiftung
brachte in einer unprätentiösen Ansprache die Stimmung nach dem Tode von
Ignatz Bubis auf den Punkt: "Er fehlt uns in Deutschland." Am
Bewegendsten von allen Reden war die der Tochter von Ignatz Bubis,
Naomi. Zum ersten Mal seit dem Tode ihres Vaters sprach die Journalistin
in der Öffentlichkeit. Sie schätze an ihm, dass er nie einen Unterschied
gemacht habe zwischen Staatsoberhäuptern und einfachen Menschen. Und sie
verriet, dass ihr Vater manche politischen Hausarbeiten verfasst habe,
"wofür ich immer die besten Noten bekommen habe". Sie wolle keine
traurige Rede halten, weil dies nicht im Sinne ihres Vaters sei. Er habe
dem Humor stets den Vorzug gegeben. Sichtlich aufgewühlt gestand sie:
"Von uns beiden war mein Vater der bessere Redner." Ein langer lauter
Applaus gab ihr Unrecht.
haGalil onLine
23-05-2001 |