Empörung über
Nobelpreisträger:
Saramago und der "Geist von
Auschwitz"
Der
portugiesische Literatur-Nobelpreisträgers José Saramago reiste
gemeinsam mit einer Delegation des Internationalen
Schriftstellerparlaments nach Ramallah, um den palästinensischen Dichter
Machmud Darwisch und andere Intellektuelle zu besuchen. Eine Geste der
Solidarität, die zum Eklat mit Israel führte. Aber nicht der Besuch an
sich ist daran schuld, sondern Saramagos Vergleiche der israelischen
Blockade der Palästinensergebiete mit dem Holocaust.
Der
Autor sagte wörtlich, daß der "Geist von Auschwitz" über Ramallah
schwebe, "dieser Ort wird in ein Konzentrationslager verwandelt". Das
Verhalten der Israeli gegenüber den Palästinensern ähnele auf
schreckliche Weise den Gräueltaten, die einst die Juden erlitten hätten.
Ein altbekanntes Argument, das vor allem deshalb Empörung in ganz Israel
hervorrief, weil es aus dem Mund eines Mannes wie Saramago kam. Das
Simon-Wiesenthal- Zentrums in Jerusalem sprach von einem, der klar
zeige, "dass überragende literarische Fähigkeiten absolut keine Garantie
für historische Kompetenz sind".
Saramago und die übrigen Schriftsteller werden am Donnerstag in Tel Aviv
erwartet, wo sie mit Vertretern der Linken, der Friedensbewegung und
Autoren zusammentreffen sollen. Ob dieses Treffen jedoch gelingen wird,
bleibt abzuwarten. Saramagos israelische Kollegen waren über seine
Bemerkungen bestürzt. Der Schriftsteller A. B. Yehoshua sprach von einer
"beispiellosen, skandalösen Äußerung". Amos Oz schrieb in der Zeitung
"Jediot Achronot": "Das ist heute der beliebteste Vergleich der
Antisemiten in der ganzen Welt." Saramago hat "schreckliche moralische
Blindheit" bewiesen. "Als Mitglied der Linken, als jemand, der für das
Recht des palästinensischen Volks auf einen unabhängigen Staat neben
Israel kämpft, sehe ich Saramagos Äußerungen als Schlag ins Gesicht für
die Opfer der Nazis, das Friedenslager in Israel und die gesamte
Menschheit."
"Jediot Achronot" brachte auch ein Exklusivinterview mit Saramago, um
seine Äußerungen nochmals klarzustellen. Darin bekräftigte er seine
Aussagen, betonte jedoch, daß er noch wesentlich mehr gesagt habe als in
den Schlagzeilen in Israel zu lesen sei. Er habe von seinem Traum eines
friedlichen Miteinanders von Juden und Arabern erzählt. Die Lösung des
Konfliktes liege seiner Ansicht nach in den Händen der Israelis, er habe
aber auch seine palästinensischen Gastgebern eindringlich gebeten, von
diesem Krieg im Namen Gottes abzulassen
Auf
die Frage, ob er auch nach seinem Besuch in Jad waSchem den Vergleich
aufrecht erhalte, antwortete Saramago: "Ich war dort, ich habe es
gesehen, ich habe wie ein Kind geweint. Aber in der gleichen Weise
standen mir die Tränen in den Augen, als ich sah, was ich in Ramallah
sah."
Im
spanischen Rundfunk sagte Saramago: "Ich lasse mich lieber von der
billigen Propaganda der Palästinenser beeinflussen als von der teuren
Propaganda Israels". Er habe mit Absicht einen so harten Vergleich wie
den der Konzentrationslager gewählt. Die Rechte des palästinensischen
Volkes würden jeden Tag von den Israeli zerstört, während die
internationale Gemeinschaft tatenlos zusehe.
Der
Nobelpreisträger scheint zu übersehen, daß es hier keineswegs um die
eine oder die andere Propaganda geht. Diesen Vergleich abzulehnen
beinhaltet schließlich nicht, das palästinensische Leid
herunterzuspielen! Saramago hat sich offensichtlich niemals ausführlich
mit dem Holocaust beschäftigt. Die Schoah ist etwas einzigartiges. Das
heißt aber nicht, daß man keine Vergleiche ziehen darf, nur eine
Gleichsetzung, wie in diesem Falle, ist nicht legitim.
Das Andenken an die Opfer des Holocausts wird so klein gemacht, jedem
Juden tut das in der Seele weh. Das kann doch nicht so schwer zu
verstehen sein?
aue / hagalil.com / 26-03-2002 |