Dafka
achshav - Jetzt erst recht:
Israel feiert den 54.
Unabhängigkeitstag
Von Andrea
Übelhack
Nach 54
Jahren scheint der Staat Israel wieder bei den Problemen des Jahres 1948
angekommen zu sein. Die politische Lage, die Sicherheitskrise des Landes
und der wirtschaftliche Niedergang stellen eine nicht zu unterschätzende
Bedrohung für den zionistischen Staat dar. Trotzdem wurde kaum ein
Unabhängigkeitstag so patriotisch begangen wie dieser 54. im Jahr 2002.
Die alten
Lösungswege funktionieren nicht mehr. Nach 54 Jahren militärischem
Umgangs mit dem "Palästinenser-Problem" ist das heute endgültig klar.
Die Armee hat Jenin, Bethlehem, Ramallah und viele andere Städte der
Westbank im Griff, der Terror kann trotzdem nicht gestoppt werden. Im
Gegenteil, die Sicherheitslage ist heute bedrohlicher denn je. Schlimmer
noch, Generationen von Palästinensern werden sich an die vergangenen
Wochen erinnern und Israel noch mehr hassen.
Aber das
wichtigste bei alle dem, wie fühlen sich die Menschen selbst in Israel
an diesem 54. Unabhängigkeitstag? Und das ist das traurigste, die
Stimmung hat sich wirklich verändert, man hat Angst. Umzingelt von
Security Checks, egal ob beim Frisör, in der Schule oder im Kino,
versuchen die Menschen ihr Leben weiterzuleben. Doch nicht nur das geht
an die Substanz. Die Preise steigen stetig, darum kann man auch vieles
in Raten abzahlen. Die Supermarkt-Rechnung auf viermal. Der Dollar setzt
seinen Anstieg gnadenlos fort, man diskutiert über die Einführung einer
Kriegssteuer. Das sind Belastungen für den Einzelnen, die den Alltag
extrem belasten, da muß man nicht erst Nachrichten sehen, um sich um die
Zukunft zu sorgen.
Und trotzdem,
Israelis verzweifeln nicht, sie rücken zusammen. Bestärkt auch durch die
immer zahlreicher werdenden antisemitischen Übergriffe in der Welt, in
Marseille oder Berlin, Juden und jüdische Einrichtungen scheinen
nirgends mehr sicher. Doch das negative Image Israels in der Welt
gepaart mit diesen Übergriffen bewirkt hier eine enorme Welle des
Patriotismus.
Man sagt dazu
auch "Dafka"-Patriotismus. "Dafka" heisst "trotzdem" und "jetzt erst
recht". Mehr als drei Millionen Flaggen wurden dieses Jahr vor dem
Unabhängigkeitstag verkauft, mehr als doppelt so viele wie im
vergangenen Jahr. Man sieht sie überall, an Autos, Mofas, Fahrrädern,
Häusern, Laternen, als Werbeplakate und an Cafes, Bars und Restaurants.
"Wer mit will, stelle sich hinter unsere Fahne und kämpfe für sie in
Wort, Schrift und Tat", schrieb Theodor Herzl in seiner Programmschrift
"Der Judenstaat".
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Wenn man dann
durch die beflaggten Straßen geht, dann kommt es einem auf einmal,
daß es doch ganz erstaunlich ist, daß es dieses kleine Land
tatsächlich gibt. Dieses Land, das seit 54 Jahren von Kriegen,
Attentaten, Wirtschaftskrisen, politischen Instabilitäten und
Kulturkämpfen gebeutelt wird. Und das trotzdem stolz auf sich sein
kann, stolz darauf, eine Vision verwirklicht zu haben.
Um Mißverständnissen vorzubeugen, stolz auf dieses Land zu sein,
heißt nicht, die Operationen in der Westbank gut zu heißen. Das
scheint für viele schwer verständlich. |
Die Liebe zu diesem Land ist nicht gleichbedeutend mit blindem
Militarismus. Nicht jeder Israeli, der eine Fahne auf seinem Auto
befestigt hat, ist ein Rechter. Ganz im Gegenteil. Die Linke hat
beschlossen, die Symbole des Staates, also Fahne und Hymne, nicht
einfach dem rechten Lager zu überlassen. Mal sehen, vielleicht kaufe ich
mir morgen auch eine Fahne.
hagalil.com / 16-04-2002 |