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Radikale Sparmaßnahmen:
Streik an der Universität Tel Aviv

Das akademische Jahr war für die Studenten der Tel Aviv Universität voller Unruhe. Im ersten Semester gab es einen mehrwöchigen Streik der Dozenten wegen einer Lohnerhöhung. Das zweite Semester brachte für viele Reservisten unter den Studenten die Einberufung im Rahmen der Operation Schutzwall. Kurz vor Ende des Studienjahres gibt es nun eine erneute Ausnahmesituation. Der Grund: Ein massives Sparprogramm, das die Universität aus ihrem Defizit von 161 Millionen NIS hieven soll.

In den vergangenen drei Wochen mußten die Studenten unter den Protestmaßnahmen der Universitätsangestellten leiden. Die Bibliotheken der Hochschule sind geschlossen, Computer und Internet nicht zugänglich, einige Tage mußten Kurse und auch Prüfungen am Gang oder auf dem Rasen stattfinden, da auch die Klassenzimmer nicht mehr aufgesperrt wurden. Sogar der Strom und das Wasser wurden vergangene Woche vorübergehend abgestellt. Jedes Mittel scheint recht, um die Hochschulleitung an den Verhandlungstisch zu bringen.

Um die Universität vor einem weiteren Versinken im Schuldenberg zu schützen, hat die Leitung der Hochschule, Präsident Prof. Itamar Rabinovich, Rektor Prof. Shimon Yankielowicz und Generaldirektor Prof. Niv Ahituv, beschlossen, Maßnahmen zu unternehmen, die 120 Millionen NIS einsparen sollen. Betroffen sind quasi alle Ausgaben, besonders wichtig für die Zukunft der Hochschule könnte jedoch eine dieser Maßnahmen werden.

Dabei handelt es sich um die Vorgabe, daß Dozenten in Zukunft mehr Vorlesungen und Veranstaltungen anbieten sollen, wodurch graduierte Studenten ihre Lehrstellen verlieren werden. Die Universität hat etwa 1700 Doktoranden, die durch den Unterricht ihr Einkommen sichern können. An anderen Hochschulen, wie beispielsweise am Technion in Haifa oder am Weizmann Institute, erhalten Doktoranden der Medizin, Gesundheits- und Naturwissenschaften Stipendien während Ihrer Ausbildung. Da dies in Tel Aviv nicht gesichert ist, wird den Studenten über das Unterrichten die Möglichkeit gegeben, ihr Einkommen über das akademische Feld zu erreichen.

Für das kommende Jahr sollen 315 dieser Stellen für Studenten gestrichen werden, was einem Fünftel der Forschung entspricht. Außerdem werden Stellen von externen Dozenten abgebaut, wodurch die Universität insgesamt 8 Millionen NIS im Jahr sparen kann.

Die Konsequenzen werden die Hochschule jedoch empfindlich treffen. Die Studenten werden ihre Dissertationen an anderen Universitäten in Israel absolvieren, die Elite wird von anderen Einrichtungen wie dem Weizmann Institut "aufgekauft" werden und der Standard der Tel Aviv Universität wird auf Dauer sinken. Das befürchten auch viele der Professoren. So warnte beispielsweise der Dekan der Naturwissenschaftlichen Fakultät, Prof. Yehiel Lichtenstadt, bei der letzten Senatssitzung davor, daß die Hochschule nicht mehr konkurrenzfähig sein würde.

Angeblich wird die Universität eine Möglichkeit finden, das Einkommen der Doktoranden über Stipendien zu gewährleisten und damit ihr Abwandern verhindern. Das gilt jedoch offensichtlich nur für jene Studenten, die bereits für die Promotion eingeschrieben sind. Für diejenigen, die im Moment noch auf den Master hinarbeiten, sieht die Zukunft an der Hochschule finster aus.

Diese Stipendien sollen aus den Geldtöpfen finanziert werden, die die einzelnen Lehrstühle derzeit für ihre Forschungen erhalten, ein weiterer Kritikpunkt. Denn so wird das Fortbestehen des Projektes ansich gefährdet, was letztendlich ebenfalls zu Lasten der Studenten geht. Dabei muß es ja gerade die Aufgabe einer Forschungs-Hochschule, was die Tel Aviv Universität ist, gehören, ihren Studenten eine langfristige Möglichkeit zur Forschung zu bieten.

Eine Universität, so die Kritiker des Sparprogramms, ist kein "business". Die vorgeschlagenen Maßnahmen gefährden die Stellung und Qualität der Hochschule. Uri Maor, Professor für Physik, betont in diesem Zusammenhang, daß die Qualität eines Forschers auch von der Qualität seiner Forschungsstudenten abhänge. Nur die Kontrolle einer exzellenten jüngeren Generation zwinge die Professoren zur höchsten akademischen Qualität.

Besonders ärgerlich ist für die meisten auch, daß dieses Sparprogramm schon seit längerem geplant sein muß. Präsentiert wurde es aber erst jetzt kurz vor Ende des Studienjahres. Die Leitung der Universität habe so bewiesen, daß sie keine Verantwortung gegenüber ihren Dozenten empfinde. Der Zeitpunkt ist für alle Studenten der Hochschule besonders heikel. Am Ende des Semesters stehen viel Prüfungen an, auf die es sich nun ohne Bibliothek und ohne Computer vorzubereiten gilt. Auf dem Rasen oder im Gang.

 aue / hagalil.com / 03-06-2002

 


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