SZ vom 28.4.2001
Angst vor der Eiszeit:
Jerusalem fürchtet um seine
Sonderbeziehung zu Washington
Von Thorsten Schmitz
Jerusalem - Ariel Scharon wird von den
USA mit hoch gezogenen Augenbrauen beobachtet, von Republikanern wie von
Demokraten. Sie misstrauen dem israelischen Premierminister auf Grund seiner
kompromisslosen Haltung gegenüber den Palästinensern. Bereits die
Clinton-Regierung hatte ihre Schwierigkeiten mit Scharon. Sie missbilligte sein
"arrogantes" Verhalten gegenüber Palästinenserpräsident Jassir Arafat sowie
seine unglückselige Bemerkung über die Furcht vor einem muslimischen
"Groß-Albanien".
Auch der frühere US-Präsident George
Bush, der Vater des heutigen, machte aus seiner Abneigung gegenüber Scharon
keinen Hehl und bereitete ihm im Mai 1991 als Wohnungsbauminister einen kühlen
Empfang. Scharon gilt bis heute als der Bauherr jüdischer Siedlungen und als der
für den Libanon-Krieg verantwortliche General.
Der neue US-Präsident George W. Bush
versucht zwar, Scharon gegenüber vorbehaltloser aufzutreten. In der Nacht von
Scharons Wahlsieg rief ihn Bush noch auf dessen Autotelefon an und gratulierte,
obwohl "Bush auch noch nach 24 Stunden hätte gratulieren können", wie
Scharon-Vertraute stolz erzählen. Allerdings scheint die Schonzeit gegenüber
Israel nur von kurzer Dauer gewesen zu sein. Als Scharon zum Antrittsbesuch in
Washington erschien, war der Empfang professionell - aber wenig herzlich. In
Sorge über eine Eintrübung der amerikanisch-israelischen Beziehungen wähnten
manche israelische Medien schon den Beginn einer "Eiszeit".
Geradezu geschockt haben Medien und auch
die israelische Regierung auf die harte Kritik von US-Außenminister Colin Powell
reagiert. Dieser hatte kürzlich den zweimaligen Einmarsch israelischer Truppen
in palästinensisches Autonomiegebiet als "unverhältnismäßig" und "exzessiv"
bezeichnet. Mit solchen Worten hatte eine US-Regierung Israel zuletzt in den
frühen achtziger Jahren kritisiert. Powell läutete eine neue Ära in den
israelisch-amerikanischen Beziehungen ein. In den acht Jahren der
Clinton-Regierung hatte sich Jerusalem stets auf die Unterstützung der
Amerikaner verlassen können. Bush versucht nach Ansicht israelischer Beobachter
nun, die Balance wiederherzustellen, die vor allem in den letzten Monaten der
Clinton-Regierung zu Ungunsten der Palästinenser abhanden gekommen war. Die USA
versuchten, "gerechter" im Nahost- Konflikt aufzutreten, heißt es. Von den
Palästinensern wird das begrüßt. Powells Kritik am Einmarsch in Gaza empfanden
sie als "richtig, wenn auch zu spät".
Andererseits verübeln die Palästinenser
den USA das Veto im Sicherheitsrat gegen die Entsendung von UN-Truppen in die
Palästinensergebiete. Arafat hatte sich einen US-Präsidenten erhofft, der seine
Seite stärker berücksichtigen würde. In den Palästinensergebieten werden schon
wieder US- Flaggen verbrannt und die Amerikaner als "Freunde der Zionisten"
verschmäht. Arafat, der von Powell ebenfalls klar aufgefordert wurde, die Gewalt
einzudämmen, hofft unterdessen, von Bush ins Weiße Haus eingeladen zu werden.
Doch der lässt Arafat schmoren. Israel sieht das mit Genugtuung.
Vakuum nach dem Wechsel
Premier Scharon ist der Ansicht, der
Nahost-Konflikt lasse sich nicht unter Moderation der USA lösen. Palästinenser
und Israelis müssten direkt verhandeln. Washington jedoch will das Vakuum nach
dem Präsidentenwechsel durch stärkere Einflussnahme füllen. Der zurückgetretene
Sondergesandte und Nahost-Experte Dennis Ross soll nach israelischen
Medienberichten demnächst durch den arabisch sprechenden Edward Djerejian
ersetzt werden, einen der Bush-Familie nahe stehenden Nahost-Experten. Die
Scharon-Regierung sieht das mit Argwohn. Ein Sprecher erklärte: "Wir sind der
Auffassung, dass wir direkt mit den Palästinensern verhandeln müssen, um die
Gewalt zu beenden. Wir befürchten, dass mit einem Sondergesandten die
Palästinenser erneut nur mit den USA reden werden, anstatt mit uns."
Bush hat den ägyptisch-jordanischen
Friedensfahrplan als nützliche Hilfe gepriesen. Scharon dagegen lehnt den
Vorschlag ab. Der Plan sieht unter anderem vor, dass sich die israelische Armee
aus palästinensischem Gebiet zurückzieht und dass die wirtschaftliche Blockade
aufgehoben wird. Im Gegenzug soll Arafat ein Gewalt-Moratorium verkünden und mit
Israel innerhalb eines Jahres einen Endstatus-Vertrag aushandeln.
haGalil onLine 03-05-2001
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