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Nachricht von Chotzen:
Eine jüdisch-christliche Familie in Berlin

Die Gedenkstätte Haus der Wannsee-Konferenz zeigt bis Ende März 2002 in einer kleinen Sonderausstellung das Schicksal einer jüdische-christlichen Familie.  Im Archiv der Gedenkstätte Haus der Wannsee-Konferenz befindet sich der wohl umfangreichste Bestand an Post- und Rückantwortkarten aus dem Ghetto Theresienstadt, die alle an einen Adressaten gerichtet sind. Auf jeder Karte aus den Jahren 1943 und 1944 steht die selbe Adresse: "An Frau Elsa Chotzen, Johannisberger Str. 3, Berlin-Wilmersdorf, paterre rechts".

Salo Chotzen war Kantor und Schächter in vielen schlesischen Städten. Mit seiner Frau Ernestine hatte er 15 Kinder, von denen der zweitjüngste, Josef, 1883 in Oberglogau geboren wurde. Als er in dem Textilgeschäft seines älteren Bruders Hugo in Cottbus arbeitete, lernte er die 18-jährige Verkäuferin Elsa Arndt kennen. Deren Eltern waren protestantisch. Beide Familien, die jüdische und die christliche, waren gegen eine Heirat von Josef und Elsa. Dennoch: 1907 wurde ihr erster Sohn Joseph (genannt Eppi) geboren. Er wuchs bei seinen mütterlichen Großeltern in Cottbus auf, bis seine Eltern 1914 heirateten. Elsa trat einige Monate nach der Eheschließung zum jüdischen Glauben über. Die großen Feste beider Religionen wurden in der Familie begangen.

Die mittlerweile 6-köpfige Familie Chotzen, wohnhaft in Wilmersdorf, war den Repressionen des NS-Regimes ausgesetzt, die alle Juden betrafen: der Vater verlor seine Arbeit, die jugendlichen Söhne konnten ihre Schulausbildung nicht zu Ende führen und mussten 1937 vom christlichen zu dem jüdischen Sportverein JSG wechseln. Schon sehr früh, 1938, wurden die Männer zur Zwangsarbeit rekrutiert. 

Der “rassenrechtliche Status” war folgender: Elsa Chotzen war “Arierin”, aber nur, wenn sie aus der Jüdischen Gemeinde austrat, was sie im August 1940 tun musste, der Vater Josef war “Volljude” und die vier Brüder fielen in die Kategorie “Geltungsjuden”. Das bedeutete, dass alle fünf Männer ab September 1941 den Stern tragen mussten. 

Hugo-Kurt, Erich und Ullrich heirateten Ende 1941 ihre Freundinnen Lisa Scheurenberg, Ilse Schwarz und Ruth Cohn. Kurz danach, im Januar 1942 wurden Erich und Ilse, zusammen mit Ilses Mutter Käthe Schwarz nach Riga deportiert. Dort starb Erich wenige Wochen später. Ilse Chotzen arbeitete in Wehrmachtsunterkünften und fand dort Soldaten, die ihre Briefe durch die Feldpost nach Berlin schickten. Neun ihrer Briefe zwischen Juni und Dezember 1942 sind erhalten. 

Vater Josef Chotzen starb Ende Februar 1942 in Berlin an den Folgen der Zwangsarbeit.

Ende Juni 1943 wurden Hugo-Kurt, Lisa, Ullrich und Ruth Chotzen von Berlin nach Theresienstadt deportiert. Die vier jungen Menschen und die Angehörigen von Lisa und Ruth schrieben zwischen Juli 1943 und Oktober 1944 369 Postkarten von dort nach Berlin an Elsa Chotzen. Der größte Anteil sind Paketbestätigungskarten – wenn es erlaubt war, schrieben sie Texte. Elsa und Eppi Chotzen, unterstützt von seiner Freundin Boczka, schickten ununterbrochen Päckchen von Berlin nach Theresienstadt – angesichts der knappen Rationen war das eine unermessliche Anstrengung.

Elsa und Eppi überlebten in Berlin – von den deportierten Angehörigen kam nur Ruth Chotzen im Juni 1945 nach Berlin zurück. Erich und Ilse kamen in Riga ums Leben, Hugo-Kurt und Ullrich im Dachauer Außenlager Landshut, und Lisa überlebte Bergen-Belsen nicht.

Die Nachkriegszeit war für Elsa und Eppi von diesem großen Verlust ihrer Familie geprägt.

Nach dem Tod seiner Mutter 1982 schrieb Eppi seine Erinnerungen auf – auf den Pulten der Ausstellung kann dieses Manuskript eingesehen werden. Er selbst starb 1992 im 85. Lebensjahr. 

Das Buch zur Ausstellung:

Schieb, Barbara
Nachricht von Chotzen - "Wer immer hofft, stirbt singend"
Berlin: Ed. Hentrich 2000. 286 S.
(Publikationen der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz. 9.)
ISBN 3-89468-261-2

Bestellbar per Post:
Haus der Wannsee-Konferenz
Am Grossen Wannsee 56-58
D-14109 Berlin
Oder per Mail:
secretariat@ghwk.de

haGalil onLine 02-08-2001

 


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