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Der Dibbuk in Würzburg

Wie die Nazis 1930 den Auftritt der jüdischen Theatertruppe "Habima" in Würzburg verhindern wollten.

Von Dr. Christiane Kolbet

Ein Dibbuk ist in der jüdischen Sage ein böser Geist, der von einem Menschen ohne dessen Zutun Besitz ergreift. Von einem solchen Dibbuk handelt das gleichnamige Theaterstück, das der Witebsker Autor An-Ski (Pseudonym für Schlomo Rappoport) Anfang des Jahrhunderts in jiddischer Sprache verfaßt hatte und das in den späten zwanziger Jahren mit zum Renommee der Moskauer hebräischsprachigen Theatertruppe "Habima" (= die Bühne) beitrug.

Am 19. November 1930 gastierte "Habima" mit "Der Dibbuk" in Würzburg. Begleitet wurde das Gastspiel von einem handfesten Skandal: Von ihrem Gauleiter Dr. Otto Hellmuth aufge-stachelt, zettelten die Würzburger Nazis gewalttätige Demonstrationen gegen die Aufführung des Stückes und gegen den vermeintlichen "jüdischen Kulturbolschewismus" an.

Am Vormittag waren in der Innenstadt und vor der Universität Flugblätter verteilt worden, die zum Protest gegen die Aufführung des Stücks aufriefen. Am Abend vor der Vorstellung bezogen dann hunderte von Demonstranten, darunter viele Studenten, Stellung vor dem Stadttheater. In antisemitischen Sprechchören wie "Deutschland erwache, Juda verrecke" und "Tod den Hebräern" versuchten sie die Aufführung zu verhindern. Einzelne fanatisierte Nazis versuchten das Theater zu stürmen. Kurz vor Vorstellungsbeginn forderte die anwesende Polizei Verstärkung an, da sie den Randalierern nicht mehr Herr zu werden drohte.

Die Theaterbesucher gelangten nur unter Polizeischutz und durch die Hintertür ins Haus. Mit Verzögerung und unter dem unablässigen Geschrei der Demonstranten ging die Vorstellung des "Dibbuk" schließlich über die Bühne. Die Zuschauer, unter denen sich viele jüdische Bürger der Stadt befanden, waren verängstigt. Als der Vorhang nach einer grandiosen Aufführung fiel, wurde das Publikum draußen vom tobenden Mob erwartet. Der Polizei war die Lage entglitten. Mehrere jüdische  Theaterbesucher wurden vom Pöbel schwer mißhandelt. Auch der liberale Würzburger Oberbürgermeister Dr. Hans Löffler, der nicht in der Vorstellung gewesen war und nun zum Schauplatz des Geschehens eilte, mußte sich übelste Beschimpfungen anhören.

Die Ereignisse während des Gastspiels von "Habima" fanden ein Nachspiel: Sowohl die Ratsmehrheit im Würzburger Stadtrat als auch alle in Würzburg erscheinenden Zeitungen, außer der nationalsozialistischen, verurteilten die Ausschreitungen aufs Schärfste. Auch die Justiz wurde tätig: Von den mehreren 100 Demonstranten wurden elf wegen Landfriedensbruchs und anderer Vergehen angeklagt. Nach mehreren Verhandlungstagen wurden im März 1931 acht der Randalierer verurteilt. Die Strafen fielen jedoch recht  milde aus: Die tumultartigen Vorgänge vor dem Theater waren vor Gericht nur noch schwer zu rekonstruieren. Zudem erwiesen sich  die Würzburger Richter der rechten Bedrohung gegenüber als blind. Trotzdem bezeichnete der NS-Gauleiter Dr. Otto Hellmuth den Richterspruch als "Skandalurteil" und drohte Vergeltung an.

Zwei Jahre nach dem Prozeß wurde auf dem Würzburger Rathaus die Hakenkreuzfahne gehißt. Habima jedoch avancierte zum weltberühmten israelischen Staatstheater.

haGalil onLine 10-06-2001

 


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