
Adolf Eichmann
auf die Bühne gestellt
Studie zum
autoritären Charakter: Das jüdische Theater Schachar inszeniert die
Memoiren einer Nazi-Größe
Von Christian
Rubinstein
Wer Memoiren
schreibt, will der Welt ein bestimmtes Bild von sich vermitteln. Nichts
anderes hatte Adolf Eichmann im Sinn, als er 1960 in einer israelischen
Gefängniszelle mit der Aussicht auf den sicheren Tod saß. Als Berliner
Bürokrat hatte er die Vernichtung von Juden maßgeblich mitorganisiert.
Nach dem Krieg war er in Argentinien untergetaucht und dort 1960 vom
israelischen Geheimdienst entdeckt worden. Nun musste er sich vor
Gericht rechtfertigen.
Die dramatisierte
Form der Eichmann-Memoiren entstand für eine Aufführung am Jewish
Theatre in New York. Diesen Text hat Regisseur Daniel Haw als deutsche
Erstaufführung im Hamburger Theater Schachar auf die Bühne gebracht. In
roter Anstaltskleidung sitzt der zum Tode verurteilte Eichmann in seiner
Zelle. Zwei kleine Fenster sind in unerreichbarer Höhe, die Tür führt
ins Nichts. Vor diesem Hintergrund entwickelt die Bühnenfigur ihre
Verteidigung. Nur ein Rädchen im Getriebe sei er gewesen, habe nur
Befehle ausgeführt. Überhaupt habe er keinen einzigen Juden selbst
getötet.
In New York
wurden diese Aussagen mit Dias von Gräueltaten kontrastiert. Darauf hat
Haw verzichtet: "Eichmann erscheint bei uns als großer böser Kasper. Er
redet sich um Kopf und Kragen." Dass Eichmann beim Publikum stellenweise
Sympathie weckt, sei durchaus Absicht der Inszenierung. Haw will einen
Menschen zeigen, der sich durch Brüche selbst entlarvt. Eine Grenze des
Verstehens sieht der Regisseur dennoch: "Wir können nicht
nachvollziehen, wieso jemand seinen Ethos verdrängt und zum Mörder
wird."
Das zweite große
Thema des Stückes ist nicht weniger problematisch. Eichmann vergleicht
seine Rolle mit der von jüdischen Gemeindevorstehern, die mit den Nazis
zusammenarbeiten mussten. Sich hiermit auseinander zu setzen ist
ebenfalls Teil der Erinnerungsarbeit, die sich das Theater Schachar bei
diesem Stück zum Ziel gesetzt hat. Schließlich sei der Hinweis auf die
Schuld anderer noch heute eine Strategie, um sich reinzuwaschen, betont
Haw die Aktualität einer solchen schmerzhaften Auseinandersetzung.
Die Rolle des
Eichmann wird von Robert Lenkey gespielt. Der Schauspieler ist
ungarischer Jude und hat als Kind die Naziherrschaft miterlebt. Der
Monolog dauert knapp zwei Stunden und ist mit Musik unterlegt, die der
Komponist Willie Jakob für die Hamburger Aufführung komponiert hat.
Erfreut war Regisseur Haw, dass bei der Premiere Mitte November auch
gelacht wurde, obwohl es am Ende erst mal schwer fällt zu applaudieren.
An wen sich das Stück richtet? "An wen nicht?", kontert Haw.
hagalil.com / 06-12-2001 |