Baudokumentation und Ausstellung:
Studenten retten Synagoge
Die 92 im Elsass
noch vorhandenen jüdischen Synagogen sind dem Verfall preisgegeben.
Erstaunlich und zugleich unverständlich, schließlich handelt es sich
hierbei um unwiederbringliches Kulturerbe.
Beate Selbig, FH-Wiesbaden 2002
Die Region Elsass beheimatete vor dem 2.
Weltkrieg zahlreiche jüdische Gemeinden. Während und nach dem
Holocaust emigrierten viele jüdische Mitmenschen ins Ausland; nach
England, in die USA und nach Südamerika. Zahllose Juden wurden
während des Krieges verfolgt, in den Konzentrationslagern der Nazis
ermordet und etliche der Synagogen im Elsass zerstört. Studierenden
der FH Wiesbaden haben mit der Baudokumentation und Ausstellung der
1865 errichteten Synagoge in Westhoffen den Anfang für ein
umfangreichen Projekt zum Erhalt der Kulturdenkmäler gemacht.
Da die meisten der überlebenden Juden nach
Kriegsende nach Paris oder in andere größere Städte zogen, werden
von den 92 noch erhaltenen Synagogen nur noch wenige in ihrer
ursprünglichen Form genutzt. Vielen der im Ausland lebenden Juden
sind die Synagogen unbekannt. Zahlreiche Gebäude wurden - historisch
bedenklich – zweck-entfremdet; als Kino, Wohnhäuser, Lagerhallen,
Garagen. Andere Synagogen sind dem Verfall preisgegeben, der
Innenraum von Kleintieren und Tauben verschmutzt. Leider gibt es
bisher keine Lobby, die sich um den Erhalt und die Sanierung der
Gebäude kümmert.
Dies wollen die Studierenden der FH Wiesbaden
ändern - doch ganz blauäugig gehen sie an die Aufgabe nicht heran.
Die nötige Erfahrung haben sie mit der umfangreichen
"Wiedererstehung" der Jüdischen Synagoge in Wiesbaden bereits
gesammelt. Auch hier hatten die Nazis ganze Arbeit geleistet. Nicht
nur die Synagoge war zerstört, auch die Baupläne, Grundrisse und
Unterlagen wurden vernichtet. Mitte der 70er Jahre wurden die Reste
der Andachtsstätte dem Bau einer, mittlerweile abgerissenen,
Hochbrücke geopfert. Die Studenten durchforsteten Archive, trugen
Informations-material und alte Bilder zusammen, sprachen mit
Zeitzeugen im In- und Ausland und begannen die umfangreiche
Bearbeitung des Materials am PC. Nach 12.000 Arbeitsstunden, war
eine beeindruckende Leistung erbracht: Die Studierenden der FH
Wiesbaden hatten unter der Betreuung von Dipl.-Designer Edgar Brück
und Prof. Dr.-Ing. Falk Krebs die Jüdische Synagoge Wiesbaden
virtuell auferstehen lassen.
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Nun ist die Synagoge in Westhoffen als
Pilotprojekt im Elsass geplant. Das Gebäude wird beschrieben und
Schäden nach Ausmaß und Dringlichkeit aufgelistet. Der so
entstehende Katalog kann für weitere Aktivitäten genutzt werden. Für
die Fortsetzung ist jedoch die Unterstützung durch Sponsoren
dringend notwendig, denn eine solche Aufgabe überschreitet die
Mittel einer Hochschule bei weitem. Im Verlaufe dieses Projektes
werden die Studierenden in Baugeschichte, Denkmalpflege,
Bestandsaufnahme sowie der Planung und Umsetzung des Entwurfs
praktisch geschult. Sie beschäftigen sich mit der Religion und der
ihnen weitgehend unbekannten jüdischen Kultur. Sie erfahren etwas
über sozialen Veränderungen sowie darüber wo, wie und wann das
jüdische Volk im Elsass gelebt hat. Im ehemaligen jüdischen Viertel
ist das Leben der Bevölkerung an den Häusern durch die eingelassene
Metallkapsel (Mesusa) zur Aufnahme von Zitaten aus dem Alten
Testament noch gut erkennbar.
Von
besonderem Interesse sind hierbei die Erinnerungen und Berichte des
75jährigen Leo Kahn. Er ist der Hüter der Schlüssel zur Synagoge und
zum jüdischen Gemeinschaftszentrum. Er kümmert sich auch um den
alten Friedhof und pflegt seine Sammlung von Fotografien der
Synagoge und des damaligen jüdischen Lebens. Leo Kahn betreut
Besucher und ist die letzte Verbindung zur Vergangenheit. Er weiß,
wer, wo und wie lange gelebt hat und was aus den Menschen geworden
ist. Auch macht er die Studierenden und ihre Betreuer auf viele
Details an Häusern und der Synagoge aufmerksam.
Seit März wurden mehrere Exkursionen von Wiesbaden
nach Westhoffen unternommen. Dabei wurden der Bestand und die
Bauschäden der Synagoge Westhoffen von den Studierenden der FH
Wiesbaden umfassend fotografiert, gefilmt, schriftlich dokumentiert,
aufgemessen und fotogrammetrisch (PC-gestützt) weiter bearbeitet.
Diese Erkenntnisse dienen als Grundlage für die kreativen Entwürfe
der Studierenden. Sie möchten mit ihren Ideen das Interesse an den
Kulturdenkmälern wecken. Dies soll dazu beitragen, die noch
vorhandenen jüdischen Synagogen im Elsass zu erhalten und mit neuem
Leben zu füllen. Sei es als Gemeindezentrum, Bibliothek, Restaurant,
Weinprobierstube oder Museum, als Ort des Gedenkens, der Muße und,
wie in vergangenen Zeiten, als Begegnungsstätte.
Die Ausstellung der Studienprojekte findet vom 08. bis
15.12.2002 im Rathaus von Westhoffen statt:
Mairie de Westhoffen
9, rue Staedtel
F-67310 Westhoffen
Öffnungszeiten:
9-12 Uhr und 14 bis 17
sowie Sonntags von 10-16 Uhr
Eröffnung So, 08.12. 11Uhr
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04-12-02 |