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Bücher / Morascha
 
Frauen im Nationalsozialismus (III):
Schicksale im Widerstand

Von Andrea Übelhack

Wieso noch ein Buch zum Widerstand wird sich vielleicht manch einer fragen. Martha Schad hat ihr Buch jedoch den Frauen unter Hitlers Gegnern gewidmet, ein Teilbereich der Frauengeschichte und der Geschichte des Nationalsozialismus, der bisher keine Beachtung fand: "Unter den knapp 12 000 Hingerichteten der Hitlerzeit befanden sich fast 1100 Frauen; meist sind sie unbekannt geblieben. Die für dieses Buch ausgewählten Frauen stehen auch für die Namenlosen, die keine Möglichkeit hatten, sich schriftlich zu äußern, und doch nicht vergessen werden dürfen."

"Frauen gegen Hitler" zeigt die verschiedensten Formen von weiblichem Widerstand: Frauen, die Hitler bereits von Beginn an kritisierten und als Folge davon Berufsverbot, Ausweisung oder erzwungene Auswanderung in Kauf nehmen mußten, politischer Widerstand, die Proteste jüdischer Frauen gegen die Deportation ihrer Männer in der Rosenstraße, studentischer Widerstand. In allen Fällen veränderte die politische Haltung der Frauen grundsätzlich ihr Leben. Die zum Tode Verurteilten faßten bewußte Entscheidungen, wollten ihren Tod als ein "flammendes Signal" sehen, wie beispielsweise Libertas Schulze-Boysen vor ihrer Hinrichtung an ihre Mutter schrieb.

Die Widerstandsforschung in der Bundesrepublik beschränkte sich lange auf die Geschichte des 20. Juli 1944 und der Weiße Rose, während in der DDR ausschließlich die kommunistischen Widerstandsgruppen bearbeitet wurden. Martha Schad betont in diesem Zusammenhang, daß es heute keine Kategorien der einzelnen Widerstandsgruppen mehr gebe, sondern vielmehr fließende Übergänge. Eine Definition des Widerstandes, wie sie heute in der Forschung gültig ist, laute: "Unter Widerstand wird jedes aktive oder passive Verhalten verstanden, das die Ablehnung des NS-Regimes oder eines Teilbereichs der NS-Ideologie erkennen lässt und mit gewissen Risiken verbunden war."

"Frauen gegen Hitler" ist eine Sammlung von Biografien. Darin liegt sowohl die Stärke wie auch die Schwäche des Buches. Die Zivilcourage, der Erfolg und auch das Scheitern der Frauen kann in Biografien viel anschaulicher dargestellt werden. Andererseits fehlt die allgemeine Einbindung, vor allem der Ansatz der Frauengeschichte bleibt so ein wenig verloren stehen. Ein ausführlichere Einführung und ein Resumee könnten dem Abhilfe schaffen. So bleiben dem Leser nur die aneinandergereiten Biografien im Gedächtnis.

Dennoch ist dieses Konzept ein richtiges Erfolgsrezept. Martha Schad will "Geschichte anhand von Biografien erfahrbar machen". Ihre Bücher, wie beispielsweise "Bayerns Königinnen", wurden bislang zu Bestsellern. Die Lebensgeschichten ermöglichen eine kurzweilige Darstellung anstatt der spröden Aufzählung von Zahlen und Fakten.

Auch in "Frauen gegen Hitler" liest es sich anschaulich, einprägsam. Das Buch ist in mehrere Formen des Widerstandes unterteilt und beginnt mit Hitlers frühen Gegnerinnen. Darunter auch die bekannte Pazifistin Constanze Hallgarten, die im München der 20er und 30er Jahre allgemein als exzentrisch galt, da sie sich für gleiche Rechte für Männer und Frauen einsetzte und besonders das Frauenwahlrecht propagierte. Sie erkannte früh die Gefahren des Nationalsozialismus, darunter auch die Degradierung der Frau durch die NS-Ideologie. Durch ihr entschiedenes Auftreten wurde Hallgarten bald zu einem Hauptangriffsobjekt der Presse. So schrieb beispielsweise Ludwig Thoma im Miesbacher Anzeiger: "Eine Frau Hallgarten, die schon seit 1918 politisch aus dem Maul stinkt, heißt 1914 - Deutschlands tiefsten Fall! Diese hysterische Jüdin..." Constanze Hallgarten verließ München bereits am 14. März 1933 und überlebte den Krieg in Frankreich.

Nach einem Kapitel über Widerstand im Kriegsalltag, in dem Martha Schad unter anderem auch die dramatischen Folgen von Denunziation schildert, widmet sie sich einem Bereich unter dem Titel Widerstand wider Willen. Als Beispiel sei hier das Schicksal Elisabeth von Thaddens aufgeführt, die im Wieblinger Schloss bei Heidelberg eine Schule, vielmehr ein modernes Landerziehungsheim nach dem Vorbild Schloss Salems gründete. Sowohl die Schulleiterin selbst wie auch ihr Bekanntenkreis galten zunehmend als fragwürdig, 1941 wurde von Thadden die Unterrichtsgenehmigung entzogen. Sie arbeitete dann in Berlin für das Deutsche Rote Kreuz, verkehrte aber weiterhin in regimekritischen Kreisen und wurde so zunehmend verdächtig. Schließlich wurde sie von einem Gestapospitzel angeschwärzt und verhaftet. Das Urteil des Volksgerichtshofes lautete: "Im Namen des Volkes: In der Strafsache gegen die Helferin beim Deutschen Roten Kreuz, Elisabeth von Thadden, geboren am 29. Juli 1890 in Mohrungen in Ostpreußen, hat als Richter des Volksgerichtshofes, Dr. Freisler, für Recht erkannt, daß Elisabeth von Thadden als Frau aus einem preußischen Adelsgeschlecht in führender Erzieherstellung durch Äußerungen wie "siegen können wir nicht mehr" und aufgrund ihrer Kontakte in die Schweiz durch Zweifel an unserem Endsieg die Wehrkraft beeinträchtigt hat. Es wird ihr deswegen die Ehre abgesprochen und sie wird mit dem Tode bestraft - die Verurteilten haben die Kosten des Verfahrens zu tragen."

Im Bereich des politischen Widerstands bringt Martha Schad ebenfalls viele interessante Biografien zur Sprache, darunter auch Frauen im kommunistischen Widerstand. Besonders am Herzen lag ihr der Frauenaufstand in der Rosenstraße in Berlin. In der ersten Märzwoche 1943 protestierten viele hundert Frauen gegen die Deportation ihrer Männer und konnten diese erfolgreich verhindern.

Schließlich folgen noch Kapitel zum Widerstand im Kreisauer Kreis, sowie zum Bereichd es studentischen Widerstandes, den Schad vor allem am Beispiel Sophie Scholls zeigt.

Besonders hervorzuheben ist Martha Schads Bemühen neben der Biografien der Frauen auch den Umgang mit der Erinnerung an sie nach 1945 darzustellen. In jedem Kapitel findet sich daher ein Hinweis auf die Errichtung von Denk- und Mahnmälern, Namensgebungen und andere Ehrungen. Allerdings fehlt es dabei manchmal auch an der kritischen Beleuchtung, wie lange die Rehabilitierungen, Ehrungen und Denkmäler auf sich warten ließen.

Im Ganzen ist Martha Schads Buch ein spannendes Projekt, das ein fast unbekanntes Kapitel der Frauengeschichte und der Geschichte des Widerstandes beleuchtet. Der Mut und die Entschlossenheit der Frauen werden in den biografischen Darstellungen besonders deutlich. Ihr Eintreten für Freiheit und Gerechtigkeit war bedingungslos, auch im Angesicht des Henkers. So heißt es auch im Tagebuch von Ruth Andreas-Friedrich, eine der Frauen, die in der Rosenstraße protestierte: "Wir haben Ehrfurcht vor dem Leben. Das ist unsere Stärke und - unsere Schwäche."

Martha Schad: Frauen gegen Hitler. Schicksale im Nationalsozialismus
Heyne Verlag München 2001
22,- Euro

haGalil onLine 15-10-2001

 


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