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Judaica-Ausstellung in Wien:
"Reise an kein Ende der Welt"

Von 23. Mai bis 23. September 2001 zeigt das Jüdische Museum Wien eine umfassende kulturgeschichtliche Ausstellung, die sich mit den unterschiedlichen Formen jüdischen Kultur- und Geisteslebens in der Diaspora auseinandersetzt. Die Schau mit dem Titel "Reise an kein Ende der Welt. Judaica aus der Gross Family Collection, Tel Aviv" versammelt Judaica-Objekte aus Gemeinden aus (beinahe) der ganzen jüdischen Welt unterschiedlichster Entstehungszeit und setzt diese durch Gegenwartsfotografien von den Herkunftsorten in ihren jeweiligen lokalen Kontext.

Der Judaica-Sammler William L. Gross war beim Aufbau seiner Sammlung bemüht, diese als eine global-jüdische anzulegen, um die prinzipielle Einheit jüdischer Religion und Tradition gerade durch die Vielfalt zu demonstrieren. Insofern handelt es sich um eine idealtypische Sammlung für die Ausstellung "Reise an kein Ende der Welt", die 33 Orte jüdischen Lebens von Frankfurt bis nach Cochin, von Wien bis nach Aleppo und von Wilna bis nach Djerba zeigt. Die Orte werden repräsentiert durch jeweils einige wenige Judaica-Objekte und hebräische Handschriften, die wohl typisch für den kulturellen Kontext ihrer Entstehungsumgebung, doch auch immer typisch für ihren traditionell jüdischen Kontext sind. So steht mit den rund 130 ausgewählten Objekten die Schnittstelle zwischen jüdischer Kultur und Umgebungskultur im Vordergrund.

Jedem Ort ist ein einschlägiges literarhistorisches Reisezeugnis beigegeben. Diese Zeugnisse reichen vom Mittelalter bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts, denn so ortsungebunden jüdische Tradition ist, so unabhängig ist sie auch von der Zeit. Da die "Reise an kein Ende der Welt" nicht in der geschichtlichen Vergangenheit erstarren soll, bildet die Basis jedes Ortes ein gegenwärtiges Foto jüdischen Lebens an diesem Ort. Damit wird eine Brücke geschlagen zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Nicht-mehr-Vorhandenem und Noch- oder Wieder-Vorhandenem. Weiters soll durch diesen Brückenschlag verdeutlicht werden, dass die Judaica-Objekte nicht Relikte eines vergangenen jüdisch-religiösen Kultes sind, sondern selbstverständliche Bestandteile auch heutigen jüdischen Lebens.

"Reise an kein Ende der Welt"

Seit der Zerstörung des Zweiten Tempels im Jahre 70 d.Z. wurde die Diaspora für fast 2000 Jahre die zwingende Existenzform für die Judenheit. Schon früh fragte man sich, wo denn überall Juden lebten und ob die eine Diaspora anders ausschauen würde als die andere. So machten sich ab dem frühen Mittelalter Reisende auf den Weg zu den entlegensten Orten, ans "Ende der Welt", um nach jüdischen Enklaven zu fahnden und der Welt von ihrer erstaunlichen Existenz zu berichten. Ihre Sichtweise war abhängig von ihrer Herkunft. Sie fanden jedoch, gleich wohin sie reisten, immer eine jüdische Welt vor, die zwar auf vielen Ebenen der eigenen fremd sein konnte, aber im Prinzip immer auch die eigene Welt war. Was sie fanden war das Eigene im Fremden und damit auch das Fremde im Eigenen. Ihre jeweilige Reise wurden damit keine "Reise ans Ende der Welt", sondern eine "Reise an kein Ende der Welt", was die Ausstellung dieses Titels mit Judaica-Objekten aus der Gross Family Collection thematisiert.

Die Zusammenschau dieser Objekte lädt geradezu ein, die Frage nach dem "Eigenen" und dem "Anderen" in der jüdischen Kulturproduktion zu stellen, wobei das "Eigene" und das "Andere" sich leicht in das Bild von der vertikalen und der horizontalen Dimension, die sich in diesen Produkten kreuzt, übersetzen läßt. Die Channukkiot aus Wien, Bagdad, Fez in Marokko und Italien, die in der Ausstellung gezeigt werden, verbindet ihre Funktion im Ritual des Lichterfestes Chanukka, wo immer und wann immer Juden dieses Fest gefeiert haben: im Wien des frühen 19. Jahrhunderts, in Bagdad um 1920, in Fez um 1930 oder in Italien um 1700. 

Ihre Bedeutung erhalten sie durch ihre Bindung an die noch allen gemeinsame Geschichte der Traditionsgemeinschaft (des Makkabäeraufstandes gegen die Seleukiden 165 v. u. Z. und die Wiedereinweihung des Tempels in Jerusalem); rituell legitimiert werden sie durch Rückbindung an Erzählungen und Motive aus den Quellen der Tradition, z. B. an die Erzählung im Babylonischen Talmud vom letzten Krüglein reinen Öls, das im entweihten Tempel gefunden wurde und die Tempelmenora wundersamerweise für acht Tage brennen ließ. Am Objekt sichtbar wird diese vertikale Dimension in den acht auf eine Ebene gesetzten Lichtquellen, die allen Chanukkiot gemeinsam sind. 

Darüber hinaus sind diese Leuchter aber genauso Produkte ihrer Zeit und ihres Ortes. Die Wiener Chanukkia ist in der Form eines Biedermeiersofas des frühen 19. Jahrhunderts gestaltet; die Rückwand des italienischen Leuchters zeigt den unverkennbaren Wandaufbau und das Tor repräsentativer italienischer Stadtarchitektur der Renaissance, und den Leuchter aus Bagdad dekorieren u. a. die Übel-abwehrenden Hände (Chamsa), ein Motiv der islamischen Umgebungskultur dieser Gemeinde. 

"Reise an kein Ende der Welt" erzählt jüdische Weltgeschichte auf die wahrscheinlich einzig mögliche Art, ein solches Unternehmen anzugehen: konzentriert auf die Mikrogeschichte jüdischer Gemeinschaften an den Orten, die sich diese in den letzten 2000 Jahren gesucht haben und in denen sie auch aufgenommen wurden, und aufmerksam für den jeweiligen nichtjüdischen Kontext, in dem sich jüdisches Leben realisierte.

"Reise an kein Ende der Welt. Judaica aus der Gross Family Collection, Tel Aviv" ist von 23. Mai bis 23. September 2001 im Jüdischen Museum Wien (A-1010 Wien, Dorotheergasse 11) zu sehen. Das Jüdische Museum ist Sonntag bis Freitag von 10 bis 18 Uhr, an Donnerstagen von 10 bis 20 Uhr geöffnet. Kostenlose Führungen in deutscher Sprache: sonntags um 12 und um 15 Uhr und donners­tags um 18.30 Uhr. Durch die ständigen Ausstellungen des Museums gibt es jeden Sonntag um 16 Uhr eine Führung. 

Eintritt: ATS 70.-/5 Euro/ATS 40.-/2.90 Euro ermäßigt. Schulklassen in Begleitung eines Lehrers haben freien Eintritt und eine kostenlose Führung. 

Für diese Sonderausstellung wird vom museumspädagogischen Team wieder ein auf alle Altersstufen abgestimmtes Vermittlungsprogramm angeboten. Anmeldung dafür und auch für Sonderführungen (auch in Fremdsprachen), Preis: ATS 450.-/32.70 Euro unter Tel. +43-1-535 04 31. 

haGalil onLine 05-07-2001

 


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