Kunstaktion vor Gericht:
Herzls
glückliche Stunden in Salzburg
Schwere Sachbeschädigung – oder notwendige Ergänzung eines gefälschten
Zitats?
Das ist die Frage, die sich ein österreichisches und ein deutsches
Gericht in Bezug auf Wolfram P. Kastner derzeit stellen müssen. Das
Landgericht Salzburg hat gegen den Künstler, der zusammen mit Martin
Krenn eine Klasse an der Sommerakademie für Bildende Kunst 2001 leitete,
ein Strafverfahren wegen "schwerer Sachbeschädigung" eingeleitet und ein
deutsches Amtsgericht um Amtshilfe und "Abhörung" ersucht.
Das Zitat, das aus dem Zusammenhang gerissen wurde, stammt von Theodor
Herzl, dem Begründer des politischen Zionismus. Herzl leistete sein
Rechtsreferendariat am Salzburger Landesgericht ab und notierte dazu in
sein Tagebuch: "In Salzburg brachte ich einige der glücklichsten Stunden
meines Lebens zu." Diesen Satz ließ die Stadt Salzburg dort auf einer
Mamortafel anbringen. So weit so gut. Entscheidend ist dabei, daß der
anschließende Satz weggelassen wurde: "Ich wäre auch gerne in dieser
schönen Stadt geblieben, aber als Jude wäre ich nie zur Stellung eines
Richters befördert worden."
Wolfram P. Kastner und Martin Krenn nahmen am 29. August 2001 mit den
Studierenden der Sommerakademie in aller Öffentlichkeit eine
"handschriftliche Vervollständigung" des Zitats vor. Sie sahen darin
eine "Rückgabe der unterschlagenen Worte", in der Hoffnung, daß dies die
Verantwortlichen dazu bewegen könnte, ihren Fehler zu erkennen und zu
verbessern.
Weit gefehlt. Die Verantwortlichen ließen die Handschrift übermalen und
schalteten die Justiz ein. Den Kunstaktionisten wurden als Strafe bis zu
drei Jahre Haft oder 350 Tagessätze angedroht. Wolfram P. Kastner kann
dahinter nur "eine subtile Form von latentem Antisemitismus und
amtlicher Präpotenz" erkennen. Auch Martin Krenn bedauert die "Tendenz
zur Kriminalisierung von politischen Aktionen und die Einschränkung der
künstlerischen Freiheit" in Österreich.
Der Fall ging mittlerweile zur "Abhörung" an das Amtsgericht München.
Der aus München stammende
Aktionskünstler Kastner nicht zum ersten Mal mit den österreichischen
Behörden zu tun. Um seine künstlerische Proteste gegen den alljährlichen
Aufmarsch der Kameradschaft IV der Waffen-SS am Salzburger
Kommunalfriedhof gab es ebenfalls eine gerichtliche Auseinandersetzung.
Reichlich unbequem sind seine Aktionen eben. Dabei wäre eine
entsprechend positive Reaktion der Salzburger Behörden in diesem Falle
wirklich angebracht, wie Kastner selbst meinte:
"Salzburg müsste uns
eigentlich dankbar sein für die Aktion, da wir mit dieser Aktion
größeren Schaden von der Stadt Salzburg abwenden wollten." Stattdessen
zieht die Mozartstadt jetzt die negative Publicity durch die Anzeige uf
sich. Da bleibt uns nur den Worten des Künstlers anzuschließen: "Welch
kleinkariertes Rechtsdenken und welche dreiste Gedankenlosigkeit muss in
Amtsstuben der Landesregierung Salzburg herrschen, dass man so viel
Energie in eine so falsche Sache steckt."
Weiter Informationen:
Rückgabe
aue / hagalil.com / 24-02-2002 |