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Jüdisches Museum Hohenems:
Offener Brief an Landesrat Bischof

Von Stadtrat Bernhard Amann, Hohenems, 02.06.2001

Herrn
Landesrat
Dr. Hans-Peter Bischof
Landhaus
6901 Bregenz

Sehr geehrter Herr Landesrat!

Es vergeht kein Tag, an dem die Öffentlichkeit nicht über neue unerfreuliche Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Jüdischen Museum in Hohenems konfrontiert wird. Ich wiederhole daher eindringlich das Ersuchen an Sie,  sich für eine konstruktive Lösung der anstehenden Probleme einzusetzen.

Ich halte Ihnen auch gleich zu Beginn vor, dass die bis heute an den Tag gelegte Zurückhaltung Ihrerseits für den entstandenen Schaden mitverantwortlich ist.  Ich erwarte von Ihnen, dass Sie nun zur Schadensminderung beitragen, dass Sie sich aufgrund Ihrer sachlichen Zuständigkeit in der Vorarlberger Landesregierung mit Ihrer Autorität, mit Ihren Möglichkeiten und Verbindungen, mit Ihren persönlichen und politischen Beziehungen zum involvierten Personenkreis, endlich für eine dem Land Vorarlberg und der Stadt Hohenems gedeihliche Regelung des Konfliktes einsetzen.

Generationen von Juden konnten sich in Hohenems und auch anderswo lediglich mittels eines Schutzbriefes der Landesherren frei bewegen und relativ sicher fühlen. Solches galt auch für die Hohenemser Juden, denen 1617 die Ansiedlung in der Residenz durch einen Schutzbrief des Reichsgrafen Kaspar von Hohenems ermöglicht wurde. 

Das Jüdische Museum Hohenems bedarf heute des Schutzes engagierter Bürger und nicht zuletzt auch des aktiven Schutzes durch Ihr Engagement als zuständiger Landesrat.

Im Leitbild des Jüdischen Museums Hohenems heißt es einführend: „Das JMH als regionales Museum erinnert an die landjüdische Gemeinde Hohenems und deren vielfältige Beiträge zur Entwicklung Vorarlbergs und der umliegenden Regionen. Und es beschäftigt sich mit deren Ende, mit der regionalen NS-Geschichte, mit Vertreibung beziehungsweise Deportation der letzten Gemeindemitglieder, mit Antisemitismus und Holocaust. ...“ .

In Kürze will sich der Vorarlberger Landtag angesichts der bei einer Exkursion nach Polen in Auschwitz und Birkenau erlangten Eindrücke zu einer Resolution gegen jedwede Form von Rassismus und Antisemitismus entschließen. Angesichts der ungelösten Probleme um das Jüdische Museum und der akuten Gefahr der Verwaisung wird das keine sehr glaubwürdige Erklärung sein können.

Ich habe leider den Eindruck, dass das Schicksal des Jüdischen Museums sowohl der Stadt Hohenems als auch dem Land Vorarlberg gleichgültig ist. Von der Stadt Hohenems und dem Land Vorarlberg geht das unausgesprochene, dafür nicht weniger deutliche Signal aus, dass kein Interesse an kooperativen und zielführenden Lösungen besteht und dass die Frage, wozu ein Jüdisches Museum denn überhaupt gut sei, provoziert werden soll. Damit wird Vorarlberg und Hohenems unabsehbarer dauerhafter Schaden zugefügt.

Darüber kann auch kein "Neuanfang" hinweghelfen. Es wäre nur Kulissen-Schieberei. Es gibt nur ein Jüdisches Museum in Hohenems, das ist das hier und jetzt bestehende Museum. Es handelt von der Geschichte und Kultur jüdischer Hohenemser Bürger, es handelt von Hohenems und Vorarlberg, von unserem eigenen Werden und Sein, es handelt von kulturellem Schaffen und Intoleranz. Und diese Geschichte wird eben um ein neues Kapitel ergänzt, die Geschichte des Hohenemser Jüdischen Museums.

Und dieses Kapitel wird auch eine andere Geschichte erzählen. Die Geschichte ihres zeitweiligen Leiters Dr. Thomas Krapf, der eigens für diese Aufgabe unter großem persönlichem Einsatz mit seiner Frau und zwei Kindern von Israel nach Vorarlberg übersiedelt ist.  Dabei wird es nicht so bedeutend sein, dass er andere Vorstellungen als seine Mitarbeiter oder der museumsführende Verein hatte. Es wird nicht die Frage sein, ob er erfolgreich war, ob seine Vorstellungen falsch oder richtig waren, ob er Führungsqualitäten hatte oder kreativ war.

Die alles andere überschattende Frage wird sein: Wie und warum wurde er so behandelt?

Der Umgang mit dem Leiter Dr. Thomas Krapf lässt weder Geschichtsbewusstsein noch Respekt erkennen. Es steht außer Zweifel, dass Dr. Thomas Krapf in einem Rechtsstreit obsiegt hat und die Kündigung zu Unrecht erfolgt ist. Dr. Thomas Krapf ist für die übernommene Aufgabe unter enormen Aufwendungen mit seiner Familie nach Österreich gekommen und sind Ansprüche seinerseits nicht nur rechtliche sondern gerade auch moralische. Im Gegensatz zu allen anderen Beteiligten an dem Konflikt, der Stadt Hohenems, dem Land Vorarlberg, dem Verein Jüdisches Museum und der Museumsmitarbeiter ist er ganz auf sich allein gestellt und kann nicht als Gruppe agieren. Trotzdem hat  er einen Beitrag zu einem Kompromiss geleistet, dem die Anerkennung bisher versagt blieb.

Es entspringt nicht nur infantilen Vorstellungen Dr. Krapf mit einer scheinbaren, nicht wirklichen Weiterbeschäftigung ohne Vertrauens- und Arbeitsbasis für die Durchsetzung seiner Rechte bestrafen und demütigen zu wollen. Dafür zu bestrafen und zu demütigen, was eines jeden anderen Bürgers Recht ist. Es zeugt von Ignoranz und Rücksichtslosigkeit  und vom Fehlen jedweder sozialen Kompetenz.

Dazu kommt die berechnende Kalkulation mit einem Instinktbodensatz durch das Spiel mit nicht nachvollziehbaren, geradezu willkürlichen Dr. Krapf unterstellten Zahlen und Ansprüchen. Die den städtischen Entscheidungsträgern genannten Zahlen über die Kosten der Realisierung eines Vergleiches entbehren jeder Grundlage und können nur weiter dazu dienen, Herrn Dr. Krapf in Anlehnung an klassische Antisemitismusstereotypen zu diffamieren.

Es wird auch nicht eingestanden, dass die Ursache für  Forderungen bei dem nicht genügend kompetent handelnden Arbeitgeber gelegen haben und dieser dafür - wie jeder andere Arbeitgeber auch -  einzustehen hat.  Im übrigen hat die Stadt Hohenems auch anderen ausscheidenden Bediensteten bereits Abfertigungen in enormer Höhe ohne Not und ohne Rechtsanspruch geleistet.

Kein Unternehmen würde einen auch zu Unrecht gekündigten leitenden Angestellten wiedereinstellen, insbesondere wenn für alle Seiten unüberbrückbare Auffassungsunterschiede über die weitere Entwicklung und Aufgaben bestehen. Aber ein Unternehmen hat vor allem ein Interesse an seinem Fortbestand, ein Interesse das ich bei der Stadt Hohenems für das Jüdische Museum nicht recht erkennen kann.

Sehr geehrter Herr Landesrat,

Herr Dr. Thomas Krapf hat im Interesse des Fortbestandes des Jüdischen Museums und einer Streitbeilegung mit Anstand und Würde auf ihm zustehende Ansprüche verzichtet. Der Museumsverein und die Mitarbeiter warten mit neuen Ideen brennend darauf, diese auch umzusetzen. Wäre das nicht auch Ihr Engagement wert?  Ich glaube, dass dieses Engagement von Ihnen erwartet werden muss ! 

Bitte enttäuschen Sie die Mitarbeiter, die ehrenamtlich tätigen Vereinsmitglieder und die Menschen nicht, die in dem Jüdischen Museum Hohenems mehr sehen als nur eine Pflichtgeste gegenüber unserer Geschichte.

Mit dem Ausdruck vorzüglicher Hochachtung

Bernhard Amann e.h.

haGalil onLine 05-06-2001

Zu den Auseinandersetzungen im Jüdischen Museum Hohenems:

 


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