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Ein Film von Christian Frosch:
K.aF.ka fragment – Briefe an Felice

Von Gudrun Wilhelmy

Die Literaturverfilmung der Briefe Kafkas an seine Verlobte Felice ist dem Team - Christian Frosch (Buch und Regie) und Johannes Hammel (Kamera) - Kraft seiner Bilder und dem intelligenten Umgang filmischer Mittel überaus gelungen.
Zu hören sind aus dem Off gesprochene Textpassagen aus Kafkas Briefen. Im ersten Brief schildert Kafka seinen Eindruck von Felice. In der fragmentarischen Textauswahl wird Kafka als Liebender, als analytischer Mensch, als Schriftsteller immer deutlicher. Die Kombination von "Stummfilm" und "Off-Ton" unterstreicht die Distanz-Nähe-Problematik, durch die Kafkas Beziehung zu Felice grundlegend bestimmt ist.

Zu diesen in den Film eingestreuten Sätzen wird die wortlose Darstellung der Personen K. (Lars Rudolph) und F. (Ursula Ofner) zum Wechselspiel zwischen wirklichen und literarischen Gestalten. Und ebenso scheinen auch in Kafkas Briefen an Felice beide während dieser Beziehung, die sich bis zum Möbelkauf der künftigen gemeinsamen Wohnung zu etablieren scheint, immer mehr auch zu literarischen Figuren in seinen Schreiben an sie.

Es gelingt durch den Einsatz von schwarz-weiß und hin und wieder in den Film eindringende Farbtöne, durch digitale Bearbeitung von Pixel und Filmkorn und dem Wechsel der Durchlaufgeschwindigkeiten filmische Bilder zu schaffen, die der Literatur Kafkas auf kongeniale Weise entsprechen. In dem Maße, wie sich die Filmbilder zu verselbständigen scheinen und irreale Szenen immer bestimmender sich in den Filmfluss mischen, rückt die Wichtigkeit zu schreiben als Lebensmittel und gipfelt in den Entscheidenden Satz, daß er sich für das Schreiben entscheidet. Zur Hilfe wird dabei für Kafka das Offenwerden seiner Krankheit. Sie rettet ihn quasi vor der Ehe und entlässt ihn aus seinem Versprechen.

Der Film beschreibt eine Künstlerexistenz, die aus bürgerlichen Vorstellungen und Erwartungen einen Ausweg sucht. Das wunderbare an dieser Verfilmung ist, dass sie der literarischen Vorlage nichts nehmen und nichts hinzufügen und man Lust bekommt, Kafkas Bücher wieder zu lesen.

Christian Frosch erzählte in einem Telefon-Interview, dass er während der Vorbereitungen zum Film, ausschließlich Kafka gelesen habe, um kinomategrafische Äquivalente zu finden. In diesem experimentellen Prozess der Literatur-Aufnahme, wollte er probieren, was dabei mit ihm selbst geschehen würde. Aus dem literarischen Gebilde der Briefe Kafkas an Felice, sind dann seine Filmfiguren geworden. Von den Briefen Felices an Kafka existiert keiner mehr. So stehen seine Briefe als unerwiderter Teil eines Briefwechsel und somit als ein literarisches Werk für sich zur Verfügung.

Die Darstellung der F. im Film ist daher auch immer der Blick des K. auf sie. Aus dem Gesicht entwickelt sich eine Person und eine Beziehung. Aus den Texten entwickeln sich Filmbilder, die der Literatur und der Schilderung der Beziehung sehr nahe kommen. Ein unbedingt sehenswerter Film.

Interview mit Christian Frosch zu seinem Film "k.af.ka fragment"

Kino gemacht von Realisten und Geschichtenerzählern (narratives Kino) und in den Marktgesetzen mit der gleichen Wirksamkeit eingebettet, wie unter den Gesetzen eines Propagandaministeriums, da braucht es Verbündeter sich dagegen zu stemmen. Auch geistiger Verbündeter. Ist einer davon Kafka?

Kafka hat, soweit ich weiß, Zeit seines Lebens rund 250 Bücher verkauft. Trotzdem war er so besessen vom Schreiben und so erfüllt von seiner Arbeit, dass ich glaube er hatte so etwas wie ein glückliches Leben. Und dieses Glück, wenn man es nennen will, hat eben seinen Preis. Es gibt da ein sehr merkwürdige Stelle in seinen Tagebüchern:
"Für mich aber, der ich glaube, auf dem Sterbebett zufrieden sein zu können, sind solche Schilderungen im geheimen ein Spiel, ich freue mich ja in dem Sterbenden zu sterben, nutze daher mit Berechnung die auf den Tod gesammelte Aufmerksamkeit des Lesers aus, bin bei viel klarerem Verstande als er, von dem ich annehme, daß er auf dem Sterbebett klagen wird, und meine Klage ist daher möglichst vollkommen. bricht auch nicht etwa plötzlich ab wie wirkliche Klage, sondern verläuft schön und rein. Es ist so, wie ich der Mutter gegenüber immer über leiden mich beklage, die bei weitem nicht so groß waren, wie die Klage glauben ließ. Gegenüber der Mutter brachte ich allerdings nicht soviel Kunstaufwand wie gegenüber dem Leser."
Kafka kommt mir mehr wie eine ständige Herausforderung, als wie ein Verbündeter vor. Er ist der Autor an dem man sich abarbeiten und Scheitern muss. Diese Haltung des produktiven Scheiterns ist ja das Kennzeichen und die wirkliche Größe seines Werkes. Der endlose "Prozeß", der nicht mehr das abgeschlossene Werk anstrebt, sondern ein Schreiben das zwangsweise Fragmente hervorbringt.

Kann man aus diesen Zusammenhängen desertieren? Was braucht man dazu? Kann es gelingen – zeitweise, gänzlich, graduell? Welche Kompromisse scheinen/sind unumgänglich?

Kompromisse entstehen dadurch , dass unterschiedliche Standpunkte aneinanderprallen. Das heißt da ist auch ein Moment von Reibung- aus dem auch was entstehen kann. Nicht jeder Kompromiss ist faul. Ich glaube auch nicht das einsame Künstlerbild des 19. Jh., der jeden Eingriff von außen als Verwässerung begreift. Ich hingegen bin bei meiner Arbeit von Reibungen und Konfrontationen durchaus abhängig. Das Problem erscheint mir heute vielmehr, dass man ständig mit einer Standpunktlosigkeit konfrontiert ist, dass man von vornherein sagt: so ist der Markt, das wollen die Leute sehen und aus. Das Problem ist viel häufiger der voreilende Gehorsam.
Im Fernsehen da ist man wirklich sehr eingeengt. Da sehe ich kaum Hoffnung. Deshalb will ich erklärtermaßen Kino machen, wo ich noch mehr Chancen sehe. Denn die freiwillige Gleichschaltung führt auch zu einem Bedürfnis nach dem "Anderen". Dieses "Andere" wird also- und das ist das Paradox- so wiederum zu einem Marktargument.

Text im Kino, literarische Texte, Literaturverfilmungen. Daran haben Sie sich sehr mutig gewagt, etwas, was für gewöhnlich die Gemeinde der Leser abschreckt? Fehlt es Ihnen auch im Kino? Ist es eine Frage der Umsetzung oder der Texte? Hitchcock hat sich immer "zweitklassige" Texte herausgesucht, sie machen es genau umgekehrt? Warum?

Ich finde, dass es im deutschen Kino wirklich eine neurotische Angst vor Sprache und Literatur gibt, die dem französischen Kino gänzlich fremd ist. Der frühe Fassbinder hatte einen höchst literarischen Umgang mit der deutschen Sprache. Dem ganzen "neuen deutsche Kino" der 60er 70er Jahre war diese Angst vor Sprache unbekannt. Dieses ganze Gerde vom "Tod des Autorenfilms" seit Mitte der 80er Jahre und diese lächerliche Orientierung an Hollywooddramaturgie-Rezepte, die hat viel kaputt gemacht auch diese Sprachlosigkeit und dieses Klischee-Gestammel, was deutsche Filme heute "auszeichnet".
Hitchcock hatte vermutlich recht um große Literatur einen Bogen zu machen. Ich würde auch nicht "das Schloß" oder "den Prozeß" verfilmen. Die Briefe an Felice sind ja nicht zufällig das am wenigsten gelesene Kafka- Werk. Sie sind nicht so schön zu lesen, wie die Briefe an Milena. Wenn Sie so wollen, habe ich Hitchcocks Hinweis durchaus in Bezug auf Kafka beherzigt.
Man kann natürlich sagen - man soll Kafka überhaupt nicht antasten - doch anderseits darf die "Kultur" keinesfalls ihren Hütern überlassen.

Wie haben Sie die Texte analysiert, um sie filmisch umzusetzen, oder entstanden die Bilder beim Lesen?

Es ging mir um den zugegebenermaßen verwegenen Versuch für die Schreibweise Kafkas kinomategraphische Äquivalente zu finden. Das heißt Bildäquivalente finden, keine direkten Umsetzungen. Der Text sollte als eigene Ebene damit korrespondieren. Man könnte es überspitzt so formulieren: Ein Stummfilm geht mit einem Hörspiel eine Verbindung ein und daraus soll mehr entstehen als die Summe der einzelnen Teile. Eine Forderung, die übrigens die Avantgardisten bei Aufkommen des Tonfilms gestellt haben, da man Angst hatte, dass die "sprechenden Köpfe" die Errungenschaften des Stummfilms zunichte machen, was ja passiert ist.

Haben Sie selbst eine Affinität zu Briefen?

Ich lese aus irgendeinem Grund gern Briefe. Doch das Briefschreiben an sich ist eine tote Form, verdrängt durch die neuen Medien. Ich mache da keine Ausnahme, bedaure es manchmal, weil es so großartige Briefwechsel gibt. E-mail-Korrespondenz ist wunderbar, aber ich bezweifle, aber praktisch zum schnellen Verbrauch bestimmt. Wichtig war mir ferner: Briefe kann man nicht verfilmen, zumindest nicht wenn man eine konventionelle Narration im Kopf hat und dieses Unmögliche empfand ich als Herausforderung.

Distanz und Nähe: Das ist ja nicht allein ein Problem Kafkas in seinen Frauenbeziehungen und seiner Beziehung zu Felice, sondern auch eines, wie Sie es im Vergleich Fernsehen – und Kino beschreiben. Bitte erläutern Sie das noch einmal genauer.

Im Kino ist man allein und doch der Person auf der Leinwand unerhört nahe. Trotzdem kann man sie nicht berühren. Beim Briefschreiben hat man auch eine andere Person im Kopf ist ihr Nahe, trotzdem ist sie im Moment des Schreibens unerreichbar. Diese Art der Spannung bei sich UND bei jedem anderen zu sein, da entdeckte ich eine Korrespondenz. Fernsehen hat das natürlich auch, aber der Raum ist trotzdem immer da, wird nie ausgeblendet. Ein Bildschirm leuchtet- die Leinwand wird beleuchtet. Die Spannung ist eine andere, schon allein weil der Kühlschrank der Feind der Dauer des Bildflusses ist und erst recht die Fernbedienung.

Missverständnisse in einer Beziehung, ist das nun eine Ausrede oder für Sie wirklich eine Tatsache? Wie können solche grundsätzlichen Missverständnisse überhaupt von Anfang an Entstehen? Haben Sie eine Erklärung? Warum geschah es mit Kafka und Felice? Hielten beide 5 Jahre an einer Illusion fest? Warum?

Es ist glaube ich sehr schwierig die Beziehung der beiden auf einen Nennen zu bringen.
Eine These, die ich im Film herausgearbeitet habe ist: Kafka brauchte die Briefe um den Prozeß schreiben zu können- oder umgekehrt der Prozeß war notwendig um Felice in dieser Weise zu schreiben. Es geht um diese Nähe bei gleichzeitiger Distanz. Aber vor der tatsächlichen Verbindung, vor der Ehe hatte er Panik. Wie es für Felice war, kann man nur mutmaßen, weil ihre Briefe ja von Kafka vernichtet wurden. Das Missverständnis ist glaube ich folgendes: Kafka erhoffte von Felice das Entkommen aus dem Beamtendasein, weg vom verhassten Prag und Österreich nach Berlin oder Palästina. Felice war Zionistin und das war Kafka, wie er mehrmals schreibt, sehr angenehm: doch Felice wollte Heirat und nach Prag ziehen. Sie verstand sich prächtig mit seiner Familie. Sie sah sich als Beamtengattin und nicht als hungerleidende Frau eines Schriftstellers. Außerdem schätzte sie seine Literatur nicht besonders, was der Hauptunterschied zu Malina ist, wo zuerst die Literatur da war. Trotzdem gibt es ja in Beziehungen, wie wir alle wissen, Kräfte, die gegen die Vernunft gerichtet sind und deshalb aber nicht weniger wirksam und bindend sind.

Wie ordnen Sie die Aussagen Kafkas ein, für Felice ein Leben als Ehefrau zu beschreiben, dass eher einer Einkerkerung entspricht, als einem freien Leben?

Ich halte dies als einer seiner Übertreibungen. Er liebt die Klage und die Anklage in hohem Maße. Selbstbezichtigung und peinharte Selbstanalysen im besonderen. Ab dem zweiten Brief gibt es keinen einzigen indem er nicht jammert. Die Strategie variiert er ständig, damit sie einsieht wie unmöglich er ist. Und er reagiert sehr ungehalten, wenn sie ihm zustimmt.
Und er regiert panisch, wenn die Briefe ausbleiben und unternimmt alles bis der Brieffluss wieder hergestellt ist. Und es ist nicht so, dass er nicht weiß, welchen Irrsinn er betreibt und es ist nicht so, dass er ihr diese Erkenntnis verschweigt.

Mit dieser Lebensreduzierung beschreibt Kafka zum Teil auch sein eigenes Leben. Doch es gab damals keine Stipendien, keine Stadtschreiber oder ähnliche finanziellen Unterstützungen für Schriftsteller. Ist seine Konzentration auf eine Entscheidung: Schreiben oder Heiraten nicht auch eine zumindest zum Teil aus den Lebensumständen geborene? Wird zuviel in Kafka hineinpsychologisiert?

Vollkommen richtig man darf nie vergessen, dass ein finanziell abgesicherter Kafka ein ganz anderer gewesen wäre. Aber angesichts wie er mit den Möglichkeiten, die ihm zu Verfügung standen umging, ist anzunehmen, dass er daraus auch Unmöglichkeiten destilliert hätte. Ich sehe darin aber seine Stärke, weil er eben dadurch klarer sieht als die Pragmatiker, die nur das Mögliche umsetzen wollen. Dinge konsequent zu denken ist das Gegenteil des Machers. Und Kafka hatte menschliche Beziehungen bis in die letzte Winkel durchdacht und deshalb war es ja so unmöglich mit Felice eine Entscheidung herbeizuführen.

Kafka ist glücklich, wenn er schreibt und schreiben kann. Schreibglück nennt es Waldemar Fromm.. Gibt es für sie ein "Filmemachenglück"? Können Sie das beschreiben?

Mich interessiert der Prozess. Solang es am entstehen ist, dann ist es wirklich okkupierend. Ich bin natürlich glücklich, wenn der Film läuft und wenn jemand damit was anfangen kann. Das ist ein schönes Gefühl für einen Moment der Einsamkeit entkommen zu sein.(Ich meine das nicht melodramatisch, aber wenn jemand in der Weise versteht, wie ich verstanden habe, dann ist das schon ein Moment von unerwarteter Vertrautheit.). Aber die andere Seite ist, dass sobald ein Film fertig ist, dann würde ich ihn am liebsten vergessen und den Nächsten machen.

Zum Film: Stumm geschnitten. Was verändert sich dabei bei der Arbeit? Was verändert den Filmduktus und Bildrhythmus bei so einer Vorgehensweise? Gab es mit dem Einfügen der Texte und der Musik noch wesentliche und unwesentliche Änderungen am Schnitt? Wie fielen die Entscheidungen dafür?

Der Hauptunterschied beim Schneiden ohne Ton ist, dass man die Zeit freier bestimmen kann. Man denkt auch den Ton anders mit. Hier kommt das und da "sehe" ich das Geräusch. Es war eine ganze neue Erfahrung von Freiheit.

VOOV – ist mir leider gänzlich unbekannt. Wo könnte ich mehr erfahren? Ist die Musik direkt für den Film gemacht worden?

Er hat eine Homepage. Die Musik und die Geräusche, wurden gemeinsam erarbeitet. Alles ist extra für den Film komponiert.

Moderne Techniken: digitale Pixel und Filmkorn als filmische Mittel haben mir besonders gut gefallen. Sie scheinen aber der neuen Technik gegenüber eher skeptisch zu sein. Warum eigentlich? Ist es nicht eine Frage der Anwendung? Gab es während der Arbeit auch die Möglichkeit mit diesen Mittel zu experimentieren – unterschiedliche Aufnahmen oder digitale Bearbeitungen des Filmmaterials? Gibt die Erprobung mit diesen Mitteln den Filmern damit nicht auch wieder eine "spielerische" Komponente beim Filmemachen zurück, wie dies in den Anfängen des Films in Bezug auf Aufnahmetechniken häufig der Fall war?

Das ist ein Missverständnis. Ich habe bei K.aF.ka die Bildbearbeitung auch digital gemacht. Als Ausgangsmaterial habe ich aber bewusst nicht Video verwendet, weil das Filmkorn eine eigen Ästhetik hat, die ich als Qualität sehe. Grundsätzlich glaube ich auch an die Möglichkeiten einer digitale Kino-Ästhetik. Nur im Moment ist alles noch sehr unbefriedigend. Vielleicht bin ich da in meinen Empfindungen altmodisch. Aber ich habe eine Vorstellung von Film im Kopf, der die Sauberkeit der Pixel im Weg steht. Und es ist auch sehr heilsam der Technikeuphorie entgegenzutreten und zu sagen, dass man auch über das reden sollte, was man an Qualitäten verliert. Aber K.aF.ka wäre ohne Digitaltechnik nicht möglich gewesen. Ich glaube wie in allem, nicht an Reinheit, sondern die Vermischung.

Wenn Sie heute den Film anschauen. Ich hoffe, Sie sind zufrieden. Dennoch, die eigenen Veränderungen lassen einen neuen Blick zu. Was nehmen Sie mit aus diesem Projekt "k.af.ka fragment" für Ihre künftige Arbeit? Wo sind Sie selbst einen Schritt weiter gekommen?

Zufriedenheit ist nicht meine Stärke. Aber ich bin ganz und gar einverstanden mit dem Film. Zufriedenheit- das wäre ein Moment von Stillstand. Es ist schwierig die Erfahrungen konkret zu benennen. Aber eine ist die: Einen Film wie K.aF.ka zu machen, kann dir niemand, kein Sender, kein Förderungsgremium verbieten. Eine andere ist sicher so was wie - die Erweiterung meiner Grammatik von filmischen Möglichkeiten. Das dritte ist das Bedürfnis nun was komplett anderes zu machen. Mein Ehrgeiz ist das Gegenteil eines einheitlichen Stils, sondern im Idealfall ist jeder neue Film wirklich was komplett Neues. Das schlimmste wäre sich zu wiederholen.

Aufgabenstellungen an die Schauspieler? War es sehr schwierig, Schauspieler "mundtot" zu machen? Sie auf das Spiel ohne Worte zu reduzieren? Stellten sich besondere Anforderungen an Sie als Regisseur?

Ich habe mir zwei Schauspieler gesucht, die Spaß daran haben ihre Rollen aus dem Körper und aus Blicken zu entwickeln.
Mit Lars und Ursula war es also nicht schwer, weil ich doch einiges verlangt habe und sie somit nicht an Unterforderung litten.

Waren die Drehorte sehr wichtig in dem Film oder spielen Sie eine untergeordnete Rolle? Was beeinflusste die Wahl der Drehorte?

Oh das war sehr wichtig. Die ganze Seekrankheitspassage verbindet Orte, die ich als Überreste der Kriege bezeichnen würde und K. schwankt durch diese Bilder. Eigentlich waren zuerst die Orte da, dann die Handlung.

Was ist ihr nächstes Projekt?

Da köcheln drei sehr unterschiedliche Filme. Als nächstes wird wahrscheinlich "Neustadt" realisiert werden, an dem ich bereits seit 6 Jahren arbeite. Leider ein relativ teurer Film, was der Grund für die lange Wartezeit ist. Der Film spielt in einer futuristischen Hochhausstadt. Eine junge Frau, die möglicherweise schizophren ist, versucht eine Verschwörung aufzudecken und wird immer tiefer in die Machenschaften der Machthaber hineingezogen.

Was fasziniert Sie besonders an Kafkas Texten? Wie korrespondiert seine Literatur mit der Tatsache innerhalb einer Minderheit einer Minderheit anzugehören?

Man kann sich nicht mit Kafka auseinandersetzen und diese Frage beiseite lassen. Diese Beschreibung des Drinnen und Draußen - die Unmöglichkeit einer Auflösung, eines Aufgehobenseins - hängt bei Kafka, glaube ich, unmittelbar mit der Erfahrung des deutsch sprechenden Juden in Prag zusammen: Die Minderheit der Minderheit zu sein. Ich bin der Überzeugung, dass dies die beste Position ist, um Wesentliches entstehen zu lassen. Warum die Impulse der Moderne in Deutschland und Österreich von Juden ausgingen, lässt sich nicht auf einen einfachen Nenner bringen. Ich denke es hat aber mit der spezifisch jüdischen Situation zu tun, die man als zumindest schizophren bezeichnen muss. (Ich erinnere hier an Kafkas Polemik gegen die Arbeiterversicherungsanstalt in der er der einzige Vorzeigejude ist. Er ist fest davon überzeugt, dass die Arbeiterbewegung sich nicht vom Antisemitismus befreien wird können.) Die Spaltung, die ja wiederum die Grunderfahrung der Moderne ist, erklärt vielleicht diese augenfällige Produktivität von jüdischen Intellektuellen in bezug auf die Wahrnehmung und Diagnose des 20. Jahrhunderts.

Die Fragen stellte Gudrun Wilhelmy

hagalil.com 31-01-02


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