Im Synagogenbau zählte Landauer zu den bedeutenden Architekten,
die dieser Bauaufgabe neue Impulse gaben. Seine Bemühungen um
eine neue jüdische Sakralarchitektur haben ihren Anfang und
gleichzeitig ersten Höhepunkt in der Synagoge in Augsburg, die
nach den Plänen Fritz Landauers und Heinrich Lömpels zwischen
1913 und 1917 erbaut wurde. In einer Mischung von
orientalischen, spätantiken aber auch modernen, zeittypischen
Stilelementen wurde der Versuch unternommen, ganz im Sinne der
"jüdischen Renaissance"; eine spezifisch jüdische Architektur zu
formulieren. Die räumliche Abfolge von Brunnenhof, Vorhalle und
Kultraum verweist auf den Salomonischen Tempel als spirituellen
Bezugspunkt. Das Ausstattungsprogramm markiert einen Höhepunkt
bildlicher Synagogenausstattungen seit etwa 1900. Bei all den
vielfältigen historischen Anspielungen ist die Augsburger
Synagoge ein moderner Bau im Geist des frühen 20. Jahrhunderts,
bei dem einzelne Bauteile in moderner Eisenbetonkonstruktion
errichtet wurden.
Die Synagoge in Plauen (1928-30) zählt zu den Hauptwerken des modernen
Sakralbaus in der Weimarer Republik. In Ausstattungsprogramm, Licht- und
Raumwirkung der Augsburger Synagoge verwandt, war die Plauener in Formen,
Materialien und Techniken eine der frühesten Synagogen in der
Architekturauffassung des Neuen Bauens. Für Landauer stellte die moderne
Architektur im Kultbau eine logische Konsequenz aus zeitbedingten Wandlungen in
Lebensart und Religionsauffassung dar. Sachlichkeit und religiöse Versenkung
bildeten für ihn keinen Gegensatz.
Die Wettbewerbsentwürfe für eine Synagoge in Hamburg gaben Landauer 1929 die
Gelegenheit, in Anbetracht wirtschaftlicher Krisenzeiten eine richtungsweisende
Reduktion des traditionellen Raumprogramms einer Synagoge vorzunehmen.
Noch bevor Landauer mit seiner Familie endgültig nach London emigrierte, war er
dort zwischen 1935 und 1937 für den Bau von zwei Synagogen verantwortlich. Diese
in den Dimensionen bescheidene Bauten markieren in England den ersten Versuch,
im Synagogenbau Errungenschaften des Neuen Bauens mit der traditionsgebundenen
englischen Architektur zu vereinen.
Nach dem Ersten Weltkrieg hatte auch Landauers plastische Begabung im Bereich
der Grab- und Denkmalskunst einen derartigen Bekanntheitsgrad erreicht, dass ihn
die beiden größten jüdischen Gemeinden in Bayerns, in Nürnberg und die München,
mit der Gestaltung der Denkmäler für ihre im Ersten Weltkrieg gefallenen
Mitglieder beauftragten. Jüdische Ehrenmale unterschieden sich nicht von denen
der christlichen Konfessionen und von staatlichen Aufträgen. Mit ihnen sollte
jedoch nicht nur die Ehrung der Toten sichtbar zum Ausdruck gebracht werden,
sondern auch Opferbereitschaft und Vaterlandsliebe der deutschen Juden, die von
einer zunehmenden antisemitischen Umwelt in Frage gestellt und geleugnet wurden.
Das Gefallenendenkmal in Nürnberg wurde 1937 mit antisemitischer Polemik als
"Siegesmal der jüdischen Weltverschwörung" diffamiert.
In Fürth stehen noch heute zwei von Landauer entworfene Wohnhäuser: das Haus
Kunreuther in der Kutzerstraße, ein neuklassizistisches Gebäude mit Walmdach und
das Haus Hirschmann in der Würzburger Straße, eine Villa in der Formensprache
des Neuen Bauens. Letztere blieb eines der wenigen Beispiel der Neuen
Sachlichkeit im Wohnungsbau der zwanziger und dreißiger Jahre in Bayern.
Landauers Werk und Biographie eröffnet tiefe Einblicke in die Baukultur seiner
Zeit wie auch in die Lebens- und Arbeitsumstände eines deutsch-jüdischen
Architekten. Sein Werdegang ist ein Beispiel für den äußerst komplexen Prozess
der Ausschaltung jüdischer Architekten aus dem Berufsleben nach der
Machtergreifung der Nationalsozialisten. Im Unterschied zu bereits international
anerkannten Architekten war die Emigration nach London für Landauer mit enormen
Belastungen verbunden, sowohl beim beruflichen wie auch beim persönlichen
Neuanfang. Trotz anfänglicher Erfolge gelang es ihm nicht, sich dauerhaft als
Architekt zu etablieren.
Ein 1940 gegründetes Unternehmen für Entwurf und Lieferung von Grabsteinen war
seine einzige Erwerbsmöglichkeit. Als Landauer nach langem Ringen 1955 von der
Bundesrepublik entschädigt wurde, konnte er seine "Ersatz-Tätigkeit" aufgeben.
1968 starb er in London.
Als Ergänzung zu Ausstellung des Architekturmuseums Schwaben beleuchtet das
Jüdische Museum Franken in einer Andockung die Geschichte ehemaliger Bewohner
eines von Landauer entworfenen Hauses in Fürth, der Familie Karl Kunreuther.
Die Familiengeschichte Kunreuther spiegelt das Leben der gehobenen Mittelschicht
deutscher Juden bis in die 30er Jahre, das sozial, wirtschaftlich und kulturell
im deutschen Bürgertum jener Zeit verankert war. Karl Kunreuther führte mit
seinen Brüdern die 1891 vom Vater gegründete Spiegelmanufaktur weiter und baute
sie zu dem erfolgreichen Unternehmen der "Vereinigten Spiegelwerke" aus. Darüber
hinaus engagierte er sich im Fürther Stadtrat und war im Vorstand der jüdischen
Gemeinde Fürth. Außerdem leitete er als Vorsitzender der Ortsgruppe Fürth des
Centralvereins der deutschen Staatsbürger jüdischen Glaubens dessen kulturelle
Veranstaltungen vor Ort. Genau wie seine drei Brüder trat er im Ersten Weltkrieg
für sein Vaterland ein. Paula Kunreuther erhielt aus Auszeichnung für Personen,
die sich in den Jahren 1914-18 besonders um die allgemeine Wohlfahrt des Landes
Bayern bemüht hatten, das König-Ludwig-Kreuz.
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten entschloß er sich früher als
die übrigen Mitglieder der weitverzweigten Familie Kunreuther zur Emigration. Im
September 1934 verließen Karl Kunreuther, seine Frau und seine Söhne
Deutschland. Das Haus mit Grundstück in der Kutzerstraße wurde von einem Anwalt
verkauft, die Spiegelfirma dem Bruder Stefan Kunreuther als alleinigem Besitzer
übergeben. Nicht alle Mitglieder der Familie Kunreuther entkamen der Verfolgung.
Die Enkel von Karl und Paula Kunreuther leben heute in den Vereinigten Staaten.
Dank der großzügigen Leihgabe von Nachfahren der Familie
Kunreuther in New York beleuchtet das Jüdische Museum Franken in
einer Andockung die Geschichte ehemaliger Bewohner eines von
Landauer entworfenen Hauses, der Familie Karl Kunreuther.
27. Oktober 2002
Die Augsburger Synagoge als Gesamtkunstwerk
Exkursion zu den Landauer-Bauten in Augsburg (Anmeldung:
0911-770577)
19. November 2002, 19.30 Uhr
Der Architekt Fritz Landauer - Leben und Werk
Dr. Sabine Klotz, Architekturmuseum Schwaben, Augsburg
21. Januar 2003, 19.30 Uhr
Tempel und Zelt. Formen der Synagoge
Prof. Wolfgang Lorch, Wandel, Hoefer, Lorch & Hirsch, Saarbrücken
(Veranstaltet in Zusammenarbeit mit bauLust e.V., Nürnberg)
11. Februar 2003, 19.30 Uhr
Die Juden in der bayerischen Armee
Dr. Wolfgang Schmidt, Militärgeschichtliches Forschungsamt,
Potsdam
Jüdisches Museum Franken in Fürth
Königstrasse 89
D-90762 Fürth
Tel ++49-911-9774853
Open Sun-Fri 10 am - 5 pm, Thu 10 am - 8 pm
http://www.juedisches-museum.org