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Bücher / Morascha
 
Porträt einer entwurzelten Generation:
"Geboren in Deutschland"

Walter Laqueur ist als Wissenschaftler und Autor zahlreicher historischer Werke und Kommentaren zum aktuellen politischen Geschehen gut bekannt. Seine Forschung zum Zionismus gilt schon seit langem als eines der Standardwerke. Sein jüngstes Buch, "Geboren in Deutschland", beschreitet einen gänzlich anderen Weg und versucht das Porträt einer ganzen Generation zu zeichnen.

Laqueur bezieht sich auf die zwischen 1914 und 1928 geborenen jungen deutschen und österreichischen Juden, die nach 1933 emigirierten. Etwa achtzigtausend Menschen zählen zu dieser Gruppe, von denen jedoch nur etwa drei Viertel flüchten konnte.

Walter Laqueur gehört selbst zu dieser Generation. Er wurde am 26. Mai 1921 in Breslau geboren und konnte noch im Herbst 1938 auf "legalem" Weg als Student aus Deutschland ausreisen. Seine Eltern und die meisten seiner Verwandten wurden in den Konzentrationslagern der Nazis ermordet. 

Der knapp 18-jährige Laqueur kam nach Palästina und erlebte die Kriegsjahre und den Unabhängigkeitskrieg nach der Gründung des Staates Israel als landwirtschaftlicher Arbeiter und schliesslich als Journalist. Laqueur hat kein abgeschlossenen Hochschulstudium, er ist Autodidakt. Im Alter von 35 Jahren verließ er Israel und lebt seitdem als Historiker und Publizist in Paris, London und Washington.

Das Kollektivporträt der eigenen Generation, die Summierung einzelner Biographien zu einem aussagestarken Dokument, scheint auch Laqueurs eigene Lebensgeschichte in wissenschaftlichem Licht aufzuarbeiten und ist dadurch sicherlich eine Ergänzung zu seinen vor einigen Jahren erschienen Memoiren.

Darin bezeichnete er sich selbst als einen "Wanderer zwischen verschiedenen Welten" und einen "Überlebenden durch Glück". Und das sind auch in "Geboren in Deutschland" die Grundmerkmale der porträtierten Generation. Eine bemerkenswerte Generation in vielerlei Hinsicht, wie Laqueur schreibt: "Das Schicksal verstreute sie in der ganzen Welt, aber viele von ihnen machten sich einen Namen, vielleicht gerade deshalb, weil sie entwurzelt worden waren." 

Walter Laqueur stellt seine Sammelbiographie  als ein Mosaik dar, das aus oft nicht zusammenpassenden Stücken besteht. Denn natürlich handelt es sich bei den dargestellten Personen nicht um eine homogene Gruppe. Der Umgang mit dem eigenen Schicksal, die Fluchtwege, die sozialen und kulturellen Unterschiede der jungen Frauen und Männer machen eine Vereinheitlichung unmöglich. Doch gerade in der Vielfalt liegt der Reiz dieses Buches, das einen bemerkenswerten Spagat schafft.

Denn Walter Laqueurs Buch ist ein wissenschaftliches Werk, das Fakten vermittelt, als Nachschlagewerk dient und die ganze Bandbreite des Schicksals einer Generation darstellt. Aber es ist auch ein spannendes, fesselndes Buch, das über Einzelpersonen und deren Geschichte erzählt, das kurzweilig und behutsam Geschichte vermittelt.

Kein anderer hätte dieses Kollektivportät schreiben können. Niemand ist besseres Symbol für diese Generation als Laqueur selbst, ein Intellektueller, der in drei Sprachen Bücher, Artikel und Essays publiziert, der an britischen, amerikanischen und israelischen Universitäten lehrt und der durch die Herausgabe von Zeitschriften und die Leitung der Wiener Library so viel bewegt hat.

Über den Einfluß der spezifischen Merkmale seiner Generation ist sich Walter Laqueur selbst jedoch nicht sicher:

"Vielleicht kommt die Frage noch zu früh, ob von dem deutsch-jüdischen Erbe der Flüchtlingsgeneration etwas in den Kindern und Enkeln fortlebt. Nur selten übt eine Generation einen nachhaltigen Einfluß auf die Folgegenerationen aus, und zwischen den Generationen ergeben sich häufiger Konflikte als Übereinstimmung. Doch selbst wenn die Gemeinsamkeiten der jungen Flüchtlinge von 1933 spurlos verschwinden sollten, wird das Schicksal dieser entwurzelten und verpflanzten Generation von bleibendem Interesse sein, weil es unter allen vorangegangenen und späteren Generationen so einzigartig war."

Andrea Übelhack

 
Walter Laqueur: Geboren in Deutschland. Der Exodus der jüdischen Jugend nach 1933
Propyläen Verlag, 2001
ISBN: 3549071221
DM 48, Euro 24,54

haGalil onLine 25-06-2001

 


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