Bilanz und Ausblick:
Ein Jahr Jüdisches Museum
Berlin
Eine dreiviertel Million
Besucher verzeichnet das Jüdische Museum Berlin seit seiner
Eröffnung am 9. September 2001. Damit ist es nicht nur das
größte jüdische Museum in Europa, sondern eines der
meistbesuchtesten Museen in Deutschland. Auch wenn nicht alle
Einwände der zahlreichen Skeptiker in diesem ersten Jahr
beseitigt werden konnten, eines wurde in jedem Fall klar: Das
Museum ist ein wichtiger Begegnungs- und Lernort, der aus der
Museenlandschaft der Republik nicht mehr wegzudenken ist.
Eine Ausstellung über "Zwei
Jahrtausende Deutsch-Jüdische Geschichte" schien noch bis kurz
vor der Eröffnung nicht realisierbar. Zu wenige Exponate, zu
dominant das Gebäude an sich, zu kurz die Zeit, um ein
angemessenes Konzept zu erarbeiten, die Probleme waren vielfach.
Dennoch öffnete das Jüdische Museum vor einem Jahr seine Türen
und empfängt seitdem etwa 2000 Besucher täglich. Befragungen
haben gezeigt, daß fast ein Drittel der Besucher Kinder und
Jugendliche sind, drei Viertel sind Touristen aus Deutschland
und dem Ausland. Und nur etwa fünf Prozent erklärten sich in den
Umfragen unzufrieden oder enttäuscht.
Trotzdem wurde im vergangenen Jahr
auch vieles am Konzept der Ausstellung überarbeitet. Zu recht,
mag sich derjenige denken, für den das Museum nicht der erste
Kontakt mit jüdischem Leben und jüdischer Geschichte ist. Neben
"organisatorischen" Schwierigkeiten, also schwieriger Wegführung
und Orientierung, die hauptsächlich aus dem Bau des Museums
resultierten, waren es vor allem ungenaue Beschriftungen und
generell die Fülle der Objekte, die bemängelt wurden. Denn
paradoxerweise hatte das Museum zu viele Exponate, die den Gang
für den Besucher zu unübersichtlich und verwirrend machten.
Mittlerweile wurden
fast 20 Prozent der Objekte entfernt, erklärte Cilly Kugelmann,
die neue stellvertretende Museumsdirektorin wurde. Allerdings
sind auch einige neue hinzugekommen, darunter Original-Briefe
des Aufklärers Moses Mendelssohn und ein Automat, der koschere
Gummibärchen spendiert. Im Museumsgarten wird ein Backofen für
das jüdische Mazze-Brot gebaut.
Für die Zukunft sind außerdem die
ersten großen Wechselausstellungen geplant. Den Anfang macht
bereits im Herbst 2003 "Die Macht der Zahlen", eine Ausstellung
über Unterschiede im christlichen und jüdischen
Zahlenverständnis. Weitere Projekte über deutsch-jüdische
Wirtschaftsgeschichte, deutsche Juden im Ausland und besondere
Aspekte der jüdischen Religion und Traditionen sind bereits in
Planung. Daneben wird an einem Konzept gearbeitet, in dem die
chronologische Erzählung der jüdischen Geschichte aufgelöst und
nach Themen dargestellt wird. Cilly Kugelmann berichtete
außerdem von einem neuen Segment zur Nachkriegsgeschichte: Hier
sollen Briefe gezeigt werden, die der Journalist Henryk M.
Broder und die Redaktion der "Jüdischen Allgemeinen" während der
Antisemitismus- Debatte der vergangenen Monate erhalten haben.
Auch Teile des
Konzeptes der Ausstellung an sich müssen neu überdacht und
bearbeitet werden. Neben dem Bereich der
Emanzipationsgeschichte, der den Besucher mit voluminösen
Objekten weitgehend alleine läßt, wird hoffentlich auch der Teil
"Deutsche Juden – jüdische Deutsche 1914-1933" eine kritische
Bearbeitung erfahren und anstatt einer Vielzahl von Exponaten,
Bild- und Filmdokumenten den Blick deutlicher auf die
Problematik deutsch-jüdischer Identität legen.
Doch auch wenn es weiterhin
Kritikpunkte gibt, das Jüdische Museum Berlin ist in jedem Fall
eine Erfolgsgeschichte. Denn, und das ist das Entscheidende,
viele Besucher sehen hier zum ersten mal etwas von jüdischer
Geschichte, das nicht mit Leid, Verfolgung und Vernichtung
gleichgesetzt wird. Im Museum steht das jüdische Leben im
Mittelpunkt! Wir wünschen viel Erfolg für die weitere Arbeit und
Happy Birthday!
aue /
hagalil.com
09-09-02 |